Analysten warnen: Erneuerbare machen Europas Stromnetz immer instabiler

Erneuerbare, wetterabhängige Energiequellen treiben die Strompreise in die Höhe. Zudem sind die Dekarbonisierungspläne zum Scheitern verurteilt. Das sagen mehrere Energieanalysten zur Situation auf dem europäischen Strommarkt.
Erneuerbare Energien
Windkraftanlagen machen nach Ansicht einiger Fachleute die Stromnetze instabiler.Foto: ssuaphoto/iStock
Von 10. Februar 2025

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Mehrere europäische Länder erneuern teilweise von Grund auf ihre Energieversorgung, um die ehrgeizigen Netto-Null-Ziele zu erreichen. Eine Schlüsselrolle spielen erneuerbare Energien.

Einige Energieanalysten sind jedoch der Ansicht, dass gerade das Europa zum Verhängnis wird.

So setzt vor allem Deutschland stark auf Windkraft und Photovoltaik. Der mehrtägige Windmangel Mitte Januar führte zu einem Anstieg der Großhandelspreise für Strom in Deutschland, aber auch in Norwegen. Das löste in dem skandinavischen Land eine politische Krise aus, die zum Sturz der norwegischen Regierung führte.

Das norwegische Stromnetz ist über Unterseekabel mit mehreren europäischen Ländern verbunden. Diese ermöglichen den Austausch von Strom zwischen den Märkten. Zudem erlaubt es Norwegen, seine Hauptstromquelle Wasserkraft zu exportieren. Gelegentlich importiert Norwegen Strom bei Bedarf.

Das Risiko beim Stromhandel

Doch Länder, die Strom exportieren, riskieren hohe Inlandspreise, wenn die Nachfrage in den Nachbarländern steigt. Laut einigen Energieanalysten bedeutet die zunehmende Abhängigkeit Europas von erneuerbaren Energien höhere Preisschwankungen auf einem transnationalen Markt. Dieser wird jetzt immer stärker von den Wind- und Sonnenenergieangeboten beeinflusst.

Der Stromhandel kann für beide Seiten von Vorteil sein, darf aber nicht als dauerhafte Krücke für innenpolitische Versäumnisse missbraucht werden. Das teilte Andy Mayer, Energieanalyst bei der Internationalen Energieagentur (IEA), der Epoch Times mit.

„Die Energiesicherheit profitiert logischerweise vom Handel. […] Ein schlechtes Jahr [eines Handelspartners] kann zur eigenen Geschäftschance werden und umgekehrt. Wir alle sichern uns gegenseitig ab“, so Mayer. Doch ebenso warnte er:

Diese Logik funktioniert jedoch nicht, wenn Länder in Bezug auf ihre eigene Sicherheit leichtsinnig sind und stattdessen von ihren verantwortungsbewussten Nachbarn abhängig werden.“

Dabei wies er auf die Reaktion Deutschlands auf die Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 hin, als die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) den Atomausstieg beschleunigte. Dies sei ein Beispiel für eine solche Energieabhängigkeit. „Sie haben Kernkraftwerke abgeschaltet, während sie gleichzeitig immer abhängiger von französischer Kernenergie wurden“, sagte er.

„Als große Teile dieser alternden Flotte [in Frankreich] vom Netz gingen, musste [mehr] schwefelhaltige polnische Kohle verbrannt werden, um Stromausfälle zu vermeiden, während die französischen Steuerzahler mit einer 10-Milliarden-Euro-Rechnung für die Rettung des [staatlichen französischen Stromversorgers EDF] zahlen mussten, nachdem die Regierung Preiskontrollen verhängt hatte.“

Hohe Strombedarfe ließen Norwegen umdenken

Ein weiteres Beispiel: Seitdem die Stromnachfrage im Vereinigten Königreich hoch und die Windenergieerzeugung niedrig ist, lässt Norwegen seit dem Jahr 2021 bis zu 1.400 Megawatt Strom über das Nordsee-Link-Unterseekabel fließen.

Im selben Jahr begann Norwegen auch, Deutschland über ein NordLink-Unterseekabel mit derselben Kapazität mit Strom zu versorgen. Die Kabel erleichtern nicht nur den norwegischen Stromexport, sondern auch den Austausch von Wind- und Solarenergie.

Diese Vereinbarung geriet im Dezember 2024 ins Wanken, als die deutschen Stromimporte die europäischen Strompreise auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2009 trieben. Das veranlasste den norwegischen Energieminister der Arbeiterpartei, Terje Aasland, zu der Aussage, dass die Regierung ihre Exportvereinbarungen überdenke.

Preisanstieg durch mehr Unterseekabel

Einige Wochen später zog sich die euroskeptische Zentrumspartei aus der Regierungskoalition zurück und brachte damit die norwegische Regierung zum Zusammenbruch, als sie die Übernahme der EU-Vorschriften für erneuerbare Energien plante. Ihr Vorsitzender Trygve Slagsvold Vedum machte die Unterseekabel nach Deutschland und England für die hohen Preise im Land verantwortlich.

In einer Erklärung vom 30. Januar sagte Vedum, Norwegen müsse die „nationale Kontrolle“ über die Strompreise zurückgewinnen. Er gab früheren Regierungen die Schuld für den Bau von „ausländischen Stromkabeln“ nach Deutschland und England. Diese hätten die Stromexportkapazität Norwegens um über 40 Prozent erhöht.

Erneuerbare Energien

Der norwegische Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum bei einer Pressekonferenz am 2. Mai 2024 in Oslo. Foto: Terje Pedersen/NTB/AFP via Getty Images

„Diese Entscheidungen sind ein Hauptgrund dafür, warum die Menschen in Norwegen jetzt hohe und instabile Preise erleben“, schilderte Vedum. „Die Preisspirale, die durch diese beiden neuen Kabel in Gang gesetzt wurde, hat zu hohen und instabilen [Strom-]Preisen geführt.“ Die EU hindere Norwegen daran, wirksame Maßnahmen zur Kontrolle der Stromexporte aus Norwegen umzusetzen. Ebenso teilte Vedum mit:

Mehrere EU-Länder haben ihre Energiesysteme in den vergangenen Jahren geschwächt, indem sie sich zu stark auf eine Stromerzeugung verlassen haben, die nur funktioniert, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint.“

Deutschland und Großbritannien haben in den vergangenen Jahren massiv wetterabhängige erneuerbare Energiequellen ausgebaut. Gerade diese Länder sind heute stärker denn je von Stromimporten abhängig. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland letztlich einen Importüberschuss von mehr als 28 Terawattstunden (TWh).

Grenzüberschreitender Stromhandel 2024. Foto: Screenshot Energy-Charts, Fraunhofer ISE

Mayer betonte, dass Ängste im Inland – im Falle Norwegens verstärkt durch regionale Preisgestaltung – „eine nationalistische Reaktion“ auslösen. Das bedeutet eine Tendenz zur Verschließung gegenüber dem europäischen Markt, um wieder stabilere Inlandsstrompreise zu gewährleisten.

Mayer: Großbritanniens Dekarbonisierungspläne werden scheitern

Großbritannien plant, sein Stromnetz bis 2030 zu dekarbonisieren. Zwar hat die regierende Labour-Partei kürzlich ihre nuklearen Ambitionen wieder aufleben lassen, um mehr Kernkraft in England und Wales zuzulassen. Allerdings können solche Anlagen nicht so schnell gebaut werden, sodass das Land vorerst noch auf erneuerbare Energien angewiesen ist.

Hinzu kommt, dass im Vereinigten Königreich ein Verbot für Fracking gilt. Ferner hat die Labour-Regierung angekündigt, keine neuen Öl- und Gaslizenzen zu vergeben.

Was das Risiko für das Vereinigte Königreich betrifft, so hängt es laut Mayer davon ab, wie lange es dauert, bis die Regierung akzeptiert, dass ihre Dekarbonisierungspläne für 2030 „nicht funktionieren werden“.

Dies gilt insbesondere nach dem jüngsten Rückzug des dänischen Energieunternehmens Orsted, dem weltweit größten Entwickler von Windkraftanlagen auf dem Meer. Orsted hat sein Investitionsprogramm für 2030 um 25 Prozent gekürzt, wie das Unternehmen am 5. Februar mitteilte. Gleichzeitig kämpft die Branche mit steigenden Kosten und Problemen in der Lieferkette.

Mayer erklärte: „In den nächsten zehn Jahren haben wir keine vernünftige, erschwingliche Alternative zur fortgesetzten Abhängigkeit von Gaskraftwerken für die Grundlast und als Reserve, und es wäre äußerst unklug, den Zugang zu unseren eigenen Versorgungsquellen einzuschränken.“

Er fügte hinzu, dass die Gasversorgung als Nächstes dran sein könnte. „Wenn Norwegen dann die [Unterwasser-Gasleitung nach Großbritannien] aus irgendeinem Grund schließt, werden Alternativen wie LNG [Flüssigerdgas] sowohl unzureichend als auch extrem teuer sein. Wunschträume können sich schnell in Albträume über die Lebenshaltungskosten verwandeln.“

Wasserkraft bietet keine Lösung

In Norwegen stammt 90 Prozent des erzeugten Stroms aus Wasserkraft. Mit fast 50 Prozent der europäischen Speicherkapazität ist es Europas größte erneuerbare Speicheranlage. Die norwegische Wasserkraft bietet jedoch keine einfache Lösung für die Probleme, die sich aus der gemeinsamen Nutzung von Strom in Europa ergeben.

Kathryn Porter, Energieberaterin beim Beratungsunternehmen Watt-Logic, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass es dem berühmten nordischen Wasserkraftsystem an Pumpleistung mangelt. „Wenn das Wasser einmal aufgebraucht ist, ist es weg“, sagte sie.

Ebenso erklärte Porter, dass der grenzüberschreitende Handel auf kurzfristigen Preisunterschieden basiert, die den Wert von Wasser als knappes Gut erst dann berücksichtigen, wenn es fast aufgebraucht ist. „Plötzlich werden die Preise in die Höhe schießen, aber dann ist es zu spät, das Wasser ist bereits knapp.“

Manche sagen, Norwegen könne einfach Strom importieren, um den Wasserverbrauch auszugleichen. Laut Porter importiert Norwegen aber nur selten Strom. Wenn doch, dann in der Regel nachts bei geringer Nachfrage.

„Wenn das Wasser einmal weg ist, müssen sie auf Regen oder Schneeschmelze warten, um es wieder aufzufüllen – was völlig außerhalb ihrer Kontrolle liegt.“ Sie sagte, die Preise wären extrem hoch, wenn Norwegen zu diesem Zeitpunkt Strom importieren müsste.

Die Energieberaterin erklärte, dass es im Jahr 2012 starken Widerstand der norwegischen Industrie gegen Verbindungsleitungen mit Deutschland und dem Vereinigten Königreich gegeben habe. Die Regierung und das staatliche Wasserkraftunternehmen Statkraft setzten sich jedoch über diese Bedenken hinweg und führten die Projekte aus.

Laut Porter gingen die beiden Verbindungsleitungen im Jahr 2021 in Betrieb, was mit einem sehr trockenen Jahr zusammenfiel. Im Jahr 2022 sanken die Wasserstände auf ein 20-Jahres-Tief und die Strompreise in der norwegischen Preiszone NO2 verzehnfachten sich. Die Regierung griff ein und übernahm bis zu 90 Prozent der Stromkosten der Verbraucher.

Deutschland nutzt Ringfluss als Ausgleich

Deutschland hat sich verbindlich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Dazu gab die Bundesregierung Milliarden Euro für eine nur geringe Reduzierung der Emissionen aus, sagte Porter.

Im Gegensatz zu Norwegen ist Deutschland laut Porter auf benachbarte Stromnetze angewiesen, um Investitionen in die Strominfrastruktur zu ersetzen. Das bedeutet, dass sie die Stromnetze der Nachbarländer nutzen, um Strom von einer Region in eine andere zu übertragen.

Im Jahr 2017 verlangten die europäischen Regulierungsbehörden von Deutschland und Österreich, ihren gemeinsamen Strommarkt aufzuteilen. Der Grund: Es gab zuvor Beschwerden aus Mitteleuropa über Netzüberlastungen. Das ist eine unbeabsichtigte Folge der Umstellung Deutschlands auf erneuerbare Energien.

Der Strom, der von der steigenden, aber unregelmäßigen deutschen Windenergieerzeugung im Norden des Landes in die benachbarten Netze fließt, um auf dem Rückweg nach Süddeutschland oder Österreich zu gelangen, wird als Ringfluss bezeichnet.

Europäische Netzbetreiber aus der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen und der Slowakei beschwerten sich bereits im Jahr 2014 darüber, dass Ringflüsse die Netzkapazität aufbrauchen und die Netze destabilisieren.

„Die Deutschen haben nicht nur nicht in planbare Erzeugung investiert, sondern auch ihr Übertragungsnetz nicht ausgebaut. Sie haben viel Windenergie im Norden, aber die meiste industrielle Nachfrage ist im Süden, also haben sie versucht, benachbarte Netze zu nutzen, um diesen Strom zu übertragen“, sagte sie.

Erneuerbare benötigen „massive Subventionen“

Laut Porter sind erneuerbare Energien teuer, weil sie „massive Subventionen“ und „eine ganze Reihe separater Generatoren für die Notversorgung“ erfordern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Sie erklärte:

Im Grunde hat man zweimal die gleiche Stromerzeugung, und die Netzkosten sind bei erneuerbaren Energien viel höher, weil sie eine geringe Energiedichte haben. Das bedeutet, dass mehr Kabel benötigt werden, um sie anzuschließen, als bei konventioneller Stromerzeugung.“

Porter wies zudem darauf hin, dass der Ausgleich der wetterbedingt schwankenden Energieerzeugung weitere Kosten verursacht. „Die Netzkosten steigen weiter an, weil man die Echtzeitschwankungen der wetterabhängigen erneuerbaren Energien ausgleichen muss. Denn jede Wolke und jeder Windstoß wirkt sich auf die Leistung aus, sodass die Erzeugung in Echtzeit sehr variabel ist.“ Damit deutet sie die Redispatch-Maßnahmen an, von denen es im vergangenen Jahr so viel wie noch nie gab.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Europe’s Electricity-Sharing Model Hitting Slack Water, Analysts Warn“. (Deutsche Bearbeitung mf)



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