Europas Offshore-Windindustrie in finanziellen Turbulenzen

Die europäische Windindustrie kämpft mit finanziellen Schwierigkeiten. Die Bilanzen bleiben oftmals hinter früheren, teils zu hohen Erwartungen zurück. Dies und weitere Gründe führen zu Verlusten in Milliardenhöhe. Eine Analyse.
Offshore-Windindustrie
Der Offshore-Windpark Burbo Bank auf der Mersey-Mündung in Liverpool im Vereinigten Königreich. Die Finanzlage vieler dieser Anlagen sieht nicht gut aus.Foto: Christopher Furlong/Getty Images
Von 17. März 2025

Finanzielle Herausforderungen und steigende Kosten bremsen die Branche der Windkraftanlagen auf dem Meer (Offshore) in Europa. Das liegt daran, dass die Hauptakteure ihre Investitionen aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zurückfahren.

Dabei wird diese Form der Energiegewinnung stark gefördert. Neben öffentlichen und privaten Investitionen in Rekordhöhe kommen den Projekten hohe staatliche Unterstützungen und verbindliche Klimagesetze zugute. Dennoch haben Analysten zufolge die Lieferketten und steigende Zinssätze, die durch unterbewertete Verträge aus den Vorjahren untergraben werden, den Sektor in Schwierigkeiten gebracht.

Gordon Hughes ist ehemaliger Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Edinburgh und ehemaliger leitender Berater für Energie- und Umweltpolitik bei der Weltbank. Gegenüber der Epoch Times erklärte er, dass „es sich um einen massiven Fall von Reue des Käufers handelt, weil [er] vor fünf Jahren zu optimistisch in Bezug auf die zukünftigen Kosten war.“

In den vergangenen zwei Jahren haben Branchenriesen wie Ørsted, Siemens Energy und Vestas ihre Investitionsstrategien neu bewertet. Sie sahen sich dazu gezwungen, weil sich die finanziellen Rückschläge bei den Windkraftprojekten häuften.

Der Stimmungswandel der Investoren und der erneute Vorstoß von US-Präsident Donald Trump für Öl und Gas haben die Turbulenzen zusätzlich verstärkt.

Branchengiganten in der Krise

Der dänische Konzern Ørsted ist der weltweit größte Entwickler von Offshore-Windparks. Im vergangenen Monat gab dieser bekannt, die bis 2030 geplanten Investitionen um 25 Prozent auf insgesamt 28 bis 31 Milliarden Euro zu kürzen. So will das Unternehmen auf die Herausforderungen auf dem Markt reagieren. Ørsteds operativer Gewinn (EBITDA) belief sich im vergangenen Jahr auf rund 4,3 Milliarden Euro. Das ist eine deutliche Zunahme gegenüber dem EBITDA aus dem Jahr 2023, das bei 2,5 Milliarden Euro lag.

Ørsted betreibt zwölf Offshore-Windparks im Vereinigten Königreich. Dazu gehören Hornsea 1 und Hornsea 2, die seit August 2022 die weltweit größten Windparks sind.

Blick auf einen Offshore-Windenergiepark von Orsted am 6. August 2024. Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA MAG/AFP via Getty Images

Im Februar gab Siemens Energy bekannt, dass die Windenergietochter Siemens Gamesa 2024 einen Verlust von 1,8 Milliarden Euro verzeichnete. Zuvor war der Verlust jedoch noch höher. Der Fondsmanager Tobias Klaholz äußerte auf einer Hauptversammlung von Siemens Energy „erhebliche Zweifel an dem strategischen und finanziellen Mehrwert des Bereichs.“

Dennoch hofft der Konzern, den operativen Verlust von Siemens Gamesa weiter abbauen zu können. Für 2025 soll er auf 1,3 Milliarden Euro fallen und 2026 möglichst in einen Gewinn umschwenken.

Vestas mit Hauptsitz im dänischen Aarhus ist der weltweit führende Hersteller von Windturbinen. Das Unternehmen teilte im Februar mit, dass trotz eines rekordhohen Auftragsbestands „die anhaltende geopolitische und handelspolitische Unbeständigkeit voraussichtlich zu Verunsicherung führen wird“.

Auch Windparks an Land hinter den Erwartungen

Nicht nur die Offshore-Windparks haben finanzielle Probleme, auch einige Windkraftprojekte an Land (Onshore) sind betroffen. So etwa Markbygden Ett in Schweden, Europas größter Onshore-Windpark. Er gehört den Unternehmen China General Nuclear Power Group Europe Energy (CGNEE) und BNR Infrastructure aus Indien.

Der Windpark mit seinen 179 Turbinen verursachte im vergangenen Jahr aufgrund einer zu geringen Stromproduktion erhebliche finanzielle Verluste. So konnten die Betreiber ihre Vereinbarung mit dem norwegischen Unternehmen Hydro bezüglich der Stromlieferung nicht erfüllen und mussten 248 Millionen Euro zuzahlen.

Das geht auf eine kritische Fehleinschätzung zurück: Bei der Unterzeichnung des 19 Jahre andauernden Stromabnahmevertrags wurden unrealistische Erwartungen bezüglich des Stromertrags angenommen.

Offshore

Der Windpark Markbygden erstreckt sich über ein Gebiet von mehreren Kilometern Länge. Foto: Bildschirmfoto Google Maps

Die Situation von Markbygden Ett ist jedoch kein Einzelfall. Die Betreiber von mindestens zwei weiteren großen Windparks in Schweden haben mit ähnlichen vertraglichen Fehleinschätzungen zu kämpfen. In Chile mussten Solarparks Verträge inmitten der Umwälzungen auf dem Energiemarkt außerplanmäßig kündigen.

Andere Fälle in Deutschland und den nordischen Ländern seien bisher nicht veröffentlicht worden, sagen Analysten. Inzwischen berücksichtigen die Vertragspartner von Projekten mit wetterabhängigen „erneuerbaren“ Energien die Möglichkeiten von wechselnden Marktbedingungen, sodass sie solche mehrjährigen Verträge flexibler gestalten.

Unterstützung durch die Regierung

Die Netto-Null-Gesetze Großbritanniens und der EU haben günstige Bedingungen für die Windindustrie geschaffen. Laut der internationalen Anwaltskanzlei Two Birds wird in Europa zwischen 2024 und 2030 mit einem Zubau von 260 Gigawatt (GW) neuer Windkraftkapazität gerechnet. Aktuell besitzt Europa eine installierte Windkraftkapazität von rund 285 GW.

Die Labour-Regierung des Vereinigten Königreichs hat ein seit 2015 bestehendes Verbot für neue Onshore-Windprojekte aufgehoben und sich verpflichtet, die Onshore- und Offshore-Windenergieerzeugung bis 2030 zu verdoppeln beziehungsweise zu vervierfachen.

Hughes sagte jedoch, dass alle großen Offshore-Betreiber und Ausrüstungslieferanten gemeinsam „unterpreisige Verträge abgeschlossen haben, für die sie sich in den späten 2010er- und frühen 2020er-Jahren beworben und die sie erhalten haben“.

Für die in London ansässige Stiftung für Politik zur Erderwärmung verfasste Hughes mehrere Berichte. Im Jahr 2009 gründete der ehemalige konservative britische Finanzminister Nigel Lawson diese Denkfabrik. Die Stiftung steht der Netto-Null-Politik kritisch gegenüber.

Zwickmühle für Lieferanten

Hughes sagte, die Betreiber hätten versucht, ihre Verluste an die Zulieferer weiterzugeben. Dies hatte jedoch insgesamt hohe Abschreibungen auf die erwarteten Gewinne aus neuen Windparks in ganz Europa zur Folge.

„Lieferanten wie Vestas und Siemens müssen ihre Preise erhöhen, um ihre Bilanzen zu stabilisieren, aber das untergräbt die erwarteten Renditen für Projekte, die sich im Bau befinden oder vorgeschlagen werden. Infolgedessen kürzen die meisten Betreiber ihre Budgets für Investitionen in neue Projekte“, sagte er.

Hughes ergänzte, dass Offshore-Projekte in der US-amerikanischen Atlantikregion ein „Lichtblick“ gewesen seien. Grund dafür seien die „hohen Abnahmepreise“ gewesen. Hierbei handelte es sich um vereinbarte Tarife, zu denen der aus diesen Projekten erzeugte Strom verkauft werden würde.

Die Trump-Regierung stehe jedoch „teuren Offshore-Windprojekten äußerst ablehnend gegenüber und droht damit, die erforderlichen Offshore-Pachtverträge und -Genehmigungen zu stornieren oder zu verweigern.“

Weiter heißt es: „Betreiber und Zulieferer hatten sich auf den Cashflow aus diesen Projekten verlassen, um die angespannte Lage in Europa auszugleichen. Das wird zumindest in den nächsten Jahren nicht passieren, was die Kürzung der Investitionsbudgets noch verstärkt.“

Veränderte Finanzierung

Hughes wies auch auf eine veränderte Finanzierung hin. Er sagte, dass der „Markt dazu übergegangen sei, sich auf die Finanzierung neuer Offshore-Windparks durch Ölunternehmen zu verlassen“.

„Die Aktionäre haben vehement gegen die (vermutlich) geringe Rendite solcher Projekte protestiert, sodass die Unternehmensleitungen gezwungen waren, wieder in Öl- und Gasinvestitionen zu investieren – oder Geld an die Aktionäre zurückzugeben –, anstatt eine Diversifizierung in Wind- und Solarprojekte anzustreben“, sagte er.

Drei große europäische internationale Ölunternehmen – Shell, BP und Equinor – standen unter dem Druck, ihre Gewinne und die Ausschüttungen an die Aktionäre zu erhöhen. Deshalb haben sie ihre Investitionen in „erneuerbare“ Energien zurückgefahren.

Am 26. Februar kürzte BP in einer großen Strategieänderung die geplanten Investitionen in„ erneuerbare“ Energien. Der Ölkonzern kündigte an, die jährlichen Ausgaben für Erdöl und Erdgas auf 10 Milliarden US-Dollar (9,2 Milliarden Euro) zu erhöhen.

Der französische Ölriese TotalEnergies verfolgt einen anderen Ansatz und investiert in großem Umfang in „erneuerbare“ Energien. Das Unternehmen verfügt über ein Offshore-Windkraftportfolio mit einer Gesamtkapazität von über 16 GW. TotalEnergies plant, bis zu 50 Prozent seiner vollständig im Besitz des Unternehmens befindlichen „erneuerbaren“ Vermögenswerte zu verkaufen.

Weiterhin großes Interesse

Aber das Interesse der Investoren an Windenergie ist nach wie vor groß. Einem Bericht der globalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zufolge geben 72 Prozent der Investoren an, dass Investitionen in Vermögenswerte im Bereich der Energiewende „sich beschleunigen, selbst inmitten geopolitischer Volatilität und schwankender Zinssätze“.

In dem Bericht äußerte sich auch Grant Hill, Geschäftsführer von KPMG für Fusionen und Übernahmen, Klimaschutz und Dekarbonisierung. Er teilte mit, dass die Lieferkette für Wind- und Solarenergie „historisch sehr fragmentiert war und oft aus kleinen, länderspezifischen Unternehmen bestand“.

„Wir sehen jetzt Investoren, die daran interessiert sind, diese Unternehmen zu konsolidieren und auszubauen, um effizientere internationale Lieferketten zu schaffen“, fügte er hinzu.

Der Energieanalyst David Turver, Autor des Eigan Values Substack, teilte der Epoch Times mit, dass die gestiegenen Preise für Windkraftanlagen die Betreiber beeinträchtigt hätten. Zudem meinte er, dass „der größere Einfluss die gestiegenen Zinssätze waren“.

Er fügte hinzu: „Dies hat große Auswirkungen auf ihre Finanzierungskosten und bedeutet, dass sie höhere Strompreise verlangen müssen, um Geld zu verdienen.“

Öl und Gas

Steve Brown, Chief Executive Officer bei Orcadian Energy, leitet die Arbeiten zur Sicherung eines Projekts mit 80 Millionen Barrel (12,27 Milliarden Liter). Dabei handelt es sich um eine der größten unerschlossenen Entdeckungen in der Nordsee, die durch private Investitionen unterstützt werden.

Brown berichtete der Epoch Times, dass Öl- und Gasförderunternehmen in den vergangenen 20 Jahren in der Regel rund 1 Milliarde Pfund (knapp 1,2 Milliarden Euro) pro Jahr an der Londoner Börse aufbrachten.

Dieser Betrag ist jedoch im Rahmen der britischen Netto-Null-Ziele deutlich – um 92 Prozent – gesunken. „Tatsächlich waren wir es, die im Januar 2024 eine halbe Million Pfund aufgebracht haben, und das war das einzige Geld, das im vergangenen Jahr für den Öl- und Gassektor im Vereinigten Königreich aufgebracht wurde“, sagte er. Brown wies auf steigende Zinssätze als einen Schlüsselfaktor hin, der sich auf die Windindustrie auswirkt.

„Früher wurden viele dieser Projekte zu sehr niedrigen Zinssätzen finanziert, weil die ersten Zinssätze niedrig waren, ein halbes Prozent für den Basiszinssatz, und die Prämie für Investitionen in ein ESG-konformes [Umwelt, Soziales, und Unternehmerisches] Windkraftprojekt war nicht sonderlich hoch“, erklärte Brown. „Wenn wir Geld leihen, liegt der Zinssatz in der Regel bei 12 oder 15 Prozent, weil wir nicht ESG-konform sind.“

Viele Banken beschränken den Zugang zu Finanzmitteln für Öl- und Gasunternehmen aufgrund von ESG-Regeln. „Viele Banken eröffnen keine Konten für uns. Praktisch jede einzelne der herausfordernden Banken im Vereinigten Königreich hat sich geweigert, ein Konto für uns zu eröffnen, weil wir ein Öl- und Gasunternehmen sind“, sagte Brown.

Die Epoch Times bat Ørsted, Siemens Energy und Vestas um eine Stellungnahme, erhielt jedoch bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine Antwort.

Der Artikel erschien zuerst bei theepochtimes.com unter dem Titel „Europe’s Offshore Wind Industry Faces Financial Turbulence“. (deutsche Bearbeitung mf)



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