Rekordwindrad in der Lausitz: Was kann die neue Höhenturbine der Superlative?

Mitte 2025 soll Deutschland die weltweit höchste Windkraftanlage besitzen. Sie wird nur wenige Meter kleiner sein als der Berliner Fernsehturm – Deutschlands höchstes Bauwerk. Das neue Höhenwindrad überrascht mit einer ungewöhnlichen Baumethode.
Titelbild
Eine normale moderne Windkraftanlage (l., rund 240 Meter) und das Höhenwindrad (rund 365 Meter) im Vergleich (Bildschirmfoto einer Animation).Foto: GICON
Von 5. Oktober 2024

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Es sieht aus wie ein neuer Eiffelturm, auf dessen Spitze eine Windradgondel montiert ist. Die Rede ist vom neuen Höhenwindrad des Dresdner Unternehmens GICON. In der Gesamthöhe übertrifft es das Pariser Wahrzeichen um gut 50 Meter.

Standort: in der brandenburgischen Gemeinde Schipkau in der Lausitz – als Ergänzung des bestehenden Windparks Klettwitz.

300 Meter sind es bis zur Gondel, dem Gehäusebereich, wo sich die Turbine befindet. Die Rotorblätter reichen noch mal knapp 65 Meter weiter in die Höhe. Wenn das Höhenwindrad wie geplant Mitte nächsten Jahres in Betrieb geht, wird es voraussichtlich die mit Abstand höchste Windkraftanlage der Welt sein.

Passende Turbine für Höhenwind

Theoretisch hätte es noch weiter in die Höhe gehen können, denn inzwischen gibt es Rotorblätter mit einer Länge von bis zu 143 Metern. Doch GICON entschied sich für eine Turbine mit „nur“ rund 60 Meter langen Rotorblättern. Der Rotordurchmesser beträgt 126 Meter.

Auf Anfrage der Epoch Times erklärte der Pressesprecher des Unternehmens, Jan Claus, dass GICON für die Anlage bewusst eine Turbine ausgewählt habe, die bereits seit mehreren Jahren auf dem Markt sei. Zudem verfüge sie über eine Zertifizierung, die für mittelhohe Windgeschwindigkeiten geeignet sei. Er verriet:

Es wird eine Turbine des Herstellers VENSYS mit einer Nennleistung von 3,8 MW.“

Entsprechend den genannten Daten handelt es sich um die VENSYS 126. Diese Turbine schaltet erst bei Windgeschwindigkeiten von 25 Metern pro Sekunde (m/s) oder 90 Kilometern pro Stunde ab. Laut Messergebnissen des Windmessmasts am geplanten Bauort liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in 300 Meter Höhe bei rund 9 m/s.

Größere Anlagen mit deutlich größeren Rotorblättern sind laut dem Unternehmenssprecher in der Regel sogenannte Schwachwindturbinen und kommen somit nicht für den Höhenwind infrage. Für eine solche Turbine wäre womöglich eine Verstärkung der Rotorblätter nötig gewesen, damit diese den höheren Windlasten standhalten. Die Wahl einer für den Höhenwind geeigneten Turbine, bei der eine Anpassung am Design der Anlage entfällt, wirkt „sich sehr positiv auf die Projektzeitschiene aus“.

Stahlgittermast statt Stahlrohrturm

Der Bau der Anlage soll bereits in den kommenden Wochen beginnen. „Wir starten jetzt noch in diesem Jahr mit den Tiefbauarbeiten und Geländebefestigungen und der Hochbau beginnt im kommenden Jahr“, teilte Claus mit.

Das für Windenergieanlagen typische Fundament besteht aus Stahl und Beton und hat vier Auflagepunkte. Denn anders als normale Stahlrohrtürme erhält das brandenburgische Höhenwindrad einen Stahlgittermast, ähnlich wie bei einem Strommast für Hochspannungsleitungen – oder dem Eiffelturm in Paris.

Das Höhenwindrad besitzt einen Stahlgittermast (Illustration). Foto: GICON

„Dieser Weg wurde mit Absicht so beschritten, um möglichst wenig Neuerung bezüglich der Montageprozesse zu haben und Firmen zu finden, welche den Aufbau durchführen können sowie damit Erfahrung haben“, so Claus.

Hier können Sie sich eine Animation des fertigen Höhenwindrades anschauen:

GICON_höhenwindrad_Aufstieg

Neues Patent für die Montage

Doch welcher Kran reicht für den Aufbau bis in Höhen von über 300 Metern? Keiner. Deswegen hat das Unternehmen das sogenannte teleskopierbare Turm-in-Turm-System entwickelt und patentiert. „Dabei wird ein innerer Turm per Hubtechnik aus dem äußeren Turm in die Höhe gehoben und danach miteinander fixiert“, erklärte Claus.

Der innere und der äußere Turm sind montiert (Bildschirmfoto einer Animation). Foto: GICON

Wenn die Gondel samt Rotorblättern auf dem inneren Turm montiert ist, wird dieser per Hubtechnik hochgeschoben (Bildschirmfoto einer Animation). Foto: GICON

Die für den Bau geplante Hubtechnik sei in der Vergangenheit bereits zum Heben von schweren Lasten wie Brücken zum Einsatz gekommen. Das bedeute eine Risikominimierung für das Windprojekt.

Für die Vormontage setzt das Unternehmen laut dem Pressesprecher marktübliche Mobilkräne ein und für die Hauptmontage einen Raupenkran.

Da die Höhenwindräder in einem bereits existierenden Windpark entstehen, sind viele der nötigen Zufahrtswege schon angelegt. „Wir erweitern das Netz nur, um einen Zugang zum Baufeld des Höhenwindrades zu schaffen. Dafür wird ein ausreichend breiter Zufahrtsweg mit entsprechender Befestigung für die Schwerlasttransporte geschaffen“, sagte Claus.

Weitere „Wind-Eiffeltürme“ geplant

Für den zusätzlichen Strom, den das neue Megawindrad künftig erzeugt, gibt es laut Claus ausreichend Kapazität. „Die Windenergieanlage wird normal in das Windparknetz des Windparks integriert. Das Parknetz selbst ist bereits mit dem Mittelspannungsnetz via Umspannstation verbunden und bietet genug Reserven, um die Kapazität des Höhenwindrades aufzunehmen.“

Das erste Höhenwindrad soll jedoch nur der Anfang sein. „Wir planen bereits die nächsten Anlagen“, so Claus. Für diese zukünftigen Turbinen sieht das Unternehmen höhere Nennleistungen von mehr als 7 MW vor. Der Jahresenergieertrag soll dann bei über 32 Gigawattstunden (GWh) liegen. Somit bleibt abzuwarten, ob die Kapazität auch für die weiteren geplanten Höhenwindräder reicht.

So sollen die Höhenwindräder künftig in den bestehenden Windpark Klettwitz integriert werden (Illustration). Foto: GICON

Ausreichender Brandschutz oder nur „Kosmetik“?

Und was passiert, wenn in der Gondel beispielsweise durch Blitzschlag oder Überlastung in 300 Metern Höhe ein Feuer ausbricht? Wie Claus mitteilte, wird das Höhenwindrad die regulären Anforderungen gemäß Brandschutz umsetzen. Allerdings beantwortete das Unternehmen nicht, ob die Anlage auch eine vollautomatische Löschwasser- oder Löschgaszufuhr haben wird.

Aus der Sicht von Klaus Richardt, Kraftwerksingenieur und Strömungstechniker im Ruhestand, ist diese für einen effektiven Brandschutz unbedingt nötig. Der Diplom-Ingenieur wies darauf hin, dass viele Brandschutzverordnungen bei Windkraftanlagen nur tragbare Feuerlöscher mit Brandschutzdecke im Turm sowie hinter der Tür im Eingangsbereich fordern. Der Buchautor bemängelte:

Das ist kein Brandschutz, sondern Brandschutzkosmetik.“

Zudem beherberge eine Gondel mehrere Kubikmeter Öl – beim Windpark Hummelsebene seien es beispielsweise 6 Kubikmeter.

Eine vollautomatische Gaslöschanlage ist im Brandfall laut Richardt aber nur dann effektiv, wenn die Gondel luftdicht bleibt. Bei Blitzeinschlag könne das Gehäuse jedoch durch Überdruck aufplatzen, das Gas kann entweichen und nützt nichts.

Empfehlenswerter sei daher ein „fernsteuerbarer, fest installierter Brandschutz mit Löschteich, Schaummittelanlage, Steigleitung im Turm mit Hochdruckpumpe – angetrieben durch ein Notstromaggregat – zur Flutung der Gondel mit Schaummittel“. Zusätzlich wäre laut Richardt eine Hochdruckpumpe mit mindestens 30, besser 50 bar nötig, um den 300-Meter-Höhenunterschied vom Boden zu überwinden.

Riesige Stimmgabel

Bei manchen großen Windkraftanlagen besteht die Gefahr, dass sie durch Eigenfrequenzschwingung instabil und rissig werden. Nach Aussage von Claus hat das Unternehmen dies im Vorfeld bedacht. „Das Höhenwindrad kann als eine Art Stimmgabel betrachtet werden und wir haben die Biegeeigenfrequenzen dem der klassischen VENSYS-Anlage mit Rohrturm angepasst.“

Zudem habe das Unternehmen eine Lastanalyse durchgeführt, um den Turm so zu konstruieren, dass möglichst keine Risse entstehen können. Hinzu kommt, dass ein Stahlgitterturm ohnehin weniger anfällig ist als ein Stahlrohrturm.

Entsprechend den Genehmigungsunterlagen wird es laut Claus ein umfassendes Schadensmonitoring der Windenergieanlage, des Turms und des Fundaments geben. Somit will GICON die Bestandteile der Anlage im Blick behalten.

Kosten im Millionenbereich

Diese Windkraftanlage ist die erste ihrer Art. Deshalb fallen die Kosten laut dem Unternehmen „etwas höher“ aus als bei in Serie gefertigten Anlagen. Einen konkreten Preis nannte Claus jedoch nicht. „Für die Serienanlagen werden wiederum Stromgestehungskosten erwartet, welche leicht unter denen für normal hohe Windenergieanlagen liegen, was insbesondere auf die hohen Stromausbeuten zurückzuführen ist“, sagte Claus.

Die Kosten für heutige große Windkraftanlagen liegen je nach Hersteller und Bedingungen im einstelligen Millionenbereich. Leistungsstärkere Anlagen wie die Vestas V172-7,2 mit einer Nennleistung von 7,2 MW kosten auch schon mal rund 12 Millionen Euro. Als Betreiber für das neue Megawindrad ist die GICON-Gruppe im Auftrag der bevetum GmbH eingetragen.

Die Lebensdauer der Anlage soll laut dem Unternehmen wie bei anderen Windkraftanlagen bei über 20 Jahren liegen. An die Demontage in der Zukunft hat GICON bereits gedacht. Der Rückbau sei Teil des Designprozesses und liege vor. „Vereinfacht ausgedrückt wird die Anlage so abgebaut, wie sie aufgebaut wurde, nur umgekehrt“, so Claus.



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