Angst vor Blackouts: Netzbetreiber sollen noch mehr Solarparks abschalten dürfen

Die Bundesnetzagentur will mögliche Blackouts vermeiden. Denn: Sonne und Wind sind zu volatil. Deshalb fordert Behördenchef Klaus Müller jetzt mehr Abschaltmöglichkeiten von PV-Anlagen durch die Netzbetreiber. Dabei schalten diese schon regelmäßig PV-Anlagen aus.
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In Deutschland gibt es bereits rund vier Millionen PV-Anlagen.Foto: hansenn/iStock
Von 4. September 2024

An sonnenreichen Sommertagen erzeugen Photovoltaik (PV)-Anlagen in Deutschland bereits 30, 40 oder noch mehr Gigawatt an Leistung über die Mittagszeit. Allein das deckt in diesem Zeitraum rund zwei Drittel des Strombedarfs des Landes ab.

Wenn dann noch etwas Wind weht, kann es schnell passieren, dass die Erneuerbaren in Deutschland den Strombedarf – zumindest zeitweise – mehr als abdecken. Hinzu kommt, dass auch andere Kraftwerke, also unter anderem Kohle-, Gas, Öl- und Wasserkraftwerke ebenfalls weiter Strom ins Netz einspeisen.

Abschaltungen für Netzsicherheit

Dieser temporäre Stromüberschuss klingt zunächst gut. Allerdings stellt er eine Gefahr für unser Stromnetz dar. Im schlimmsten Fall droht aufgrund von Überlastung ein Blackout, also ein lang andauernder Stromausfall. Davor warnt jetzt auch die Bundesnetzagentur. Sie fordert bessere Abschaltmöglichkeiten für PV-Anlagen, um dieser Gefahr entgegenwirken zu können.

„Verteilnetzbetreiber müssen in die Lage versetzt werden, bei kritischen Netzsituationen Solaranlagen zu steuern, um die Netze stabil zu halten“, sagte Behörden-Chef Klaus Müller im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Es führt kein Weg daran vorbei, neue Solaranlagen steuerbar zu machen.“ Die entsprechenden Gesetzesänderungen müsse der Bundestag schon „ab diesem Herbst“ verabschieden. „Dann können alle Akteure das alles schnell genug an den Start bringen.“

Demnach müsse der Bundestag dieser Gesetzesänderung eine hohe Priorität geben. Doch was passiert, wenn der Bundestag diese Änderung nicht so schnell vornehmen wird? „Fliegt uns sonst die Energiewende um die Ohren?“, fragte der Reporter den Netzagenturchef. Dies verneinte Müller. Dennoch brauche es einen „klaren Kurs“.

Von Vorteil ist hierbei der Umstand, dass die Tage schon wieder kürzer werden. Aber: Die Mittagssonne ist auch im Herbst noch recht hell. So lag in der vergangenen Woche an sechs Tagen die Stromproduktion – allen voran wegen der vielen PV-Anlagen – über die Mittagszeit meist deutlich über dem Strombedarf. Am Sonntag, 1. September, lag der Stromüberschuss bei rund 17 Gigawatt. Das entspricht der Leistung von gut zwölf Kernkraftwerken.

Stromerzeugung und -verbrauch (Linie) in Deutschland in KW 35. Foto: Bildschirmfoto /energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Müller verlangt Flexibilität

Müller begrüßt den fortgeschrittenen Ausbau der Photovoltaik als „sehr erfreulich“. Allerdings seien die Netze mit der teils hohen solaren Leistung überfordert. „Gleichzeitig muss der Netzausbau vor Ort damit Schritt halten.“ Dies ist vielerorts jedoch nicht der Fall.

Neben der Abregelungsmöglichkeit durch Netzbetreiber in kritischen Netzsituationen müssten Solarparks künftig auch „die Einspeisung stoppen, wenn niemand für den Strom bezahlen will“, forderte der Präsident der Bundesnetzagentur. Ebenso zog Müller für ein Gelingen der Energiewende auch die Betreiber von PV- und Windkraftanlagen in die Verantwortung. Er sagte:

Die Einspeisung sollte sich künftig am Marktpreis und damit am Verbrauch orientieren. Die Flexibilität, die wir von der Industrie haben möchten, wollen wir auch den Einspeisern der Erneuerbaren abverlangen.“

Abregelungen finden bereits statt

Während Müller sich für Steuerungsmöglichkeiten für PV-Anlagen ausspricht, ist das seit Jahren bereits bei etlichen Anlagen Alltag. Denn seit dem Jahr 2013 gilt für alle gemeldeten PV-Anlagen ein verpflichtendes Einspeisemanagement.

Mit einem an der Anlage installierten Steuerempfänger kann der Netzbetreiber bei zu viel Strom auf die Anlage zugreifen. Er hat dabei in der Regel vier Regelmöglichkeiten für die PV-Anlage: 100, 60, 30 und 0 Prozent.

Wenn Anlagenbetreiber das Einspeisemanagement ablehnen, müssen sie optional ihre Anlage generell auf 70 Prozent der Maximalleistung begrenzen.

Bereits heute regeln die Netzbetreiber durch dieses Einspeisemanagement bestehende Anlagen in privater und gewerblicher Hand immer öfter komplett herunter.

Allein die Bayernwerk Netz AG, einer der größten Netzbetreiber Bayerns, musste im ersten Halbjahr 2024 mehr als drei Millionen Mal wegen zu viel Strom im Netz eingreifen. Diese Eingriffe werden auch Redispatch genannt. Im gesamten vergangenen Jahr verzeichnete Bayernwerk eine Million Eingriffe, 2022 noch 100.000. Solche Netzeingriffe sind somit längst zum Alltag geworden, besonders im Süden und Südwesten.

Die Epoch Times fragte bei der Bundesnetzagentur nach, was sich mit Blick auf das bestehende Einspeisemanagement nun ändern soll. Pressesprecher Fiete Wulff teilte mit, dass die Behörde „den Aussagen von Präsident Müller […] nichts hinzuzufügen“ habe.

Müller: „Ein schwieriger Auftrag“

„Es geht nicht darum, den Solarausbau zu bremsen“, betonte der Behördenpräsident. „Es gilt aber, die technischen Möglichkeiten auszureizen, etwa wenn Solaranlagen um Speicher ergänzt sind, dann kann überschüssiger Strom gespeichert und nicht abgeregelt werden.“

Die Interessen der Investoren und des Systems müssten besser als bisher aufeinander abgestimmt werden. „All das pragmatisch umzusetzen, ist zugegebenermaßen ein schwieriger Auftrag für alle Akteure. Da müssen wir jetzt ran“, so Müller.

Netzausbau: Kosten bei 1,2 Billionen Euro

Die Kosten für die Anpassung der Netze sind enorm. So rechnet die deutsche Energiewirtschaft mit 721 Milliarden Euro bis 2030. Bis 2035 steigen die Investitionen demnach auf 1,2 Billionen Euro.

„Es stimmt: Die Netzkosten sind ganz klar unterschätzt worden“, so Müller. Dennoch nannte er geringere Zahlen in größerer Zeitspanne: „Wir gehen von einem Investitionsvolumen im Übertragungsnetz von 320 Milliarden Euro bis 2045 aus. Hinzu kommen Investitionen in die Verteilnetze von knapp über 200 Milliarden bis 2045.“

Seiner Aussage nach wird das Versprechen, die Stromkosten in Regionen mit vielen Erneuerbaren zu senken, „schon bald eingelöst“. Erst Ende August habe die Bundesnetzagentur Pläne für eine Strompreisreform zur „gerechteren“ Verteilung der Netzentgeltkosten abgeschlossen. „Bis Mitte Oktober werden die neuen Netzpreise ermittelt. Zum Jahreswechsel greift die Entlastung.“

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller will mehr PV-Anlagen bei Überlast abschalten. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Insbesondere würden künftig norddeutsche Haushalte profitieren. „Nach einer Berechnung mit den Zahlen vom letzten Jahr würden die betroffenen Regionen um insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro an Netzentgeltkosten entlastet“, erklärte Müller. „Ein Haushalt aus einer Region mit viel erneuerbarer Stromerzeugung kann sich nach diesen Zahlen auf Einsparungen von bis zu 170 Euro pro Jahr freuen. Aktuelle Zahlen haben wir im Oktober.“

Die Einwohner in Ländern, die in den vergangenen Jahren weniger Erneuerbare errichtet haben, müssten hingegen mit Verteuerungen beim Strom rechnen. „Investiert eine Region danach zum Beispiel stark in Windkraft, profitiert sie auch von einer Entlastung“, so Müller.

(Mit Material von dts)



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