Regierungskoalition in Norwegen zerbrochen: Streit über EU-Integration und Strommarkt

Norwegen ist kein Mitglied der EU, mit ihr aber vor allem als Wirtschaftspartner und Gaslieferant eng verbunden. Ein EU-Energiemarktpaket sorgt nun für so viel Zoff, dass das die Regierung sprengt.
Die Zentrumspartei um Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum (links) schert aus der Regierung aus.
Das norwegische Parlament in Oslo.Foto: Ragnar Singsaas/Getty Images
Von 30. Januar 2025

Die Regierungskoalition in Norwegen ist im Streit über die Umsetzung von EU-Verordnungen für den Energiemarkt zerbrochen. Die bäuerliche Zentrumspartei als bisheriger Juniorpartner der Sozialdemokraten von Ministerpräsident Jonas Gahr Støre tritt im Zuge der Unstimmigkeiten aus der Regierung aus, wie der Parteichef und bisherige Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum sowie Fraktionschefin Marit Arnstad in Oslo verkündeten.

Das Aus der Koalition bedeutet nicht, dass Støres Zeit als Ministerpräsident zwangsläufig vorbei ist. Seine Sozialdemokraten können bis zur nächsten Wahl alleine weiterregieren, müssen dafür aber acht Ministerposten neu besetzen, die bislang Politiker der Zentrumspartei innehatten. Man wolle, dass Støre trotz des Endes der Koalition Regierungschef bleibe, sagte auch Arnstad.

Støre möchte das Land und dessen Energiepolitik enger an die EU anbinden und dafür drei von acht Richtlinien des EU-Pakets für saubere Energie unterzeichnen. Unter diesen befinden sich jene über die Förderung von erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz von Gebäuden. Vedum möchte hingegen eine Integration in den „dysfunktionalen“ Strommarkt der EU verhindern.

Sozialdemokraten in Norwegen suchen in Krisenzeiten mehr Nähe zur EU

Der Regierungschef befürchtet, ein Unterbleiben der engeren Energiekooperation mit der EU könne sich negativ auf andere bilaterale Vereinbarungen auswirken. Diesbezüglich, so äußerte Støre laut „Euractiv“, gebe es „von der EU auf verschiedenen Ebenen Signale“. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage sieht der Premier eine dringliche Notwendigkeit einer engeren Abstimmung. Er verwies auf das „Wohl des Landes“, das dabei zu beachten sei.

Die Auswirkungen des Ukrainekrieges und der mögliche Handelskonflikt zwischen der EU und den USA unter Donald Trump würden ein Zusammenrücken erforderlich machen. Zwar ist Norwegen kein Mitglied der Staatengemeinschaft, allerdings hatte sich das Land unter anderen zu deren Klimazielen bekannt.

Zentrumspartei verweist auf Preisexplosion rund um die Dunkelflaute

Vedum schwant demgegenüber Böses. Er befürchtet, dass eine noch stärkere Einbindung in den Strommarkt der EU noch mehr Situationen wie im vergangenen Dezember schaffen könnte. Am 13. jenes Monats erlebte Deutschland eine Dunkelflaute, die auf dem Spotmarkt die Energiepreise in astronomische Höhen trieb.

Schweden und Norwegen bekamen ebenfalls Auswirkungen dieser Dunkelflaute zu spüren. Deutschland musste seinen Energieengpass durch Importe auch aus diesen Ländern ausgleichen. Während in der nördlichsten Strompreiszone Norwegens die Megawattstunde bei etwa zehn Euro blieb, stieg der Spotmarktpreis im Süden auf bis zu 348 Euro.

Bereits zuvor war der Strompreis in dem nordeuropäischen Land innerhalb von einer Woche auf das nahezu Zwanzigfache gestiegen. Energieminister Terje Aasland sprach von einer „absolut besch***enen Situation“. Damals wurden Forderungen laut, die Leitungen nach Deutschland abzuschalten und den Strom im eigenen Land zu verbrauchen, als ihn zu exportieren.

Norwegen unter den bedeutendsten Exporteuren nach Deutschland und in die EU

Im Jahr 2023 steuerte Norwegen zu rund einem Drittel zu den Gasimporten der EU bei, in Deutschland waren es 43 Prozent. Für die Energieunternehmen bedeutet dies erhebliche Gewinne. Diese geben sie jedoch nicht unbedingt an die Verbraucher weiter. Für norwegische Haushalte steigen die Strompreise massiv, deshalb mehren sich die Stimmen, die den Stromhandel mit der EU dafür verantwortlich machen.

Vedum erklärte deshalb jüngst gegenüber Medien:

Wir halten es für falsch, der EU mehr Macht zu übertragen, und sind der Meinung, dass wir stattdessen den entgegengesetzten Weg einschlagen sollten.“

Norwegen ist hoch elektrifiziert. In zwei Drittel der Haushalte kommen Wärmepumpen zum Einsatz, der Anteil an Elektrofahrzeugen ist hoch. Allerdings hatte das auch damit zu tun, dass es gelang, die Preise für den Strom niedrig zu halten. Die EU will die länderübergreifenden Stromverbindungen ausbauen in der Hoffnung, dass die Preise damit sinken. Länder, in denen der Strompreis schon jetzt niedrig ist, befürchten Verschlechterungen.

Deutliche Verluste für beide Regierungsparteien zu erwarten

Umfragen zufolge müssen beide Regierungsparteien bei der Parlamentswahl mit deutlichen Stimmenverlusten rechnen. Die weit rechte Fortschrittspartei, die 2021 auf 11,6 Prozent der Stimmen abgestürzt war, würde sich nach aktuellen Zahlen mit 25,4 Prozent an die Spitze setzen. Die konservative Høyre käme auf 21,2 Prozent, was einem leichten Plus entspräche.

Die Sozialdemokraten würden demgegenüber von 26,3 auf 17,2 Prozent abstürzen, die Zentrumspartei von 13,5 auf nur noch 5,3. Mit Zugewinnen könnten auch die Sozialistische Linkspartei und das linksextreme Bündnis Rødt rechnen.



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