Der Deal mit Klimaaktivisten in Hannover breitet sich aus
Wenn du nicht auf meine Forderungen eingehst, dann mache ich mit meinen illegalen Aktionen weiter. So oder ähnlich könnte man den Dialog zwischen der Klimagruppe „Letzte Generation“ und dem grünen Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, verstehen. Mit dem Deal setzte Onay ein Startsignal an andere Städte Deutschlands, sich der Erpressung durch die Klimagruppe zu beugen. Die Gruppe machte sich mit diesem Schema sodann gleich an die nächste große Stadt heran: Köln.
Nach bundesweiter Kritik an dem Deal verteidigt Onay nun das Geschäft mit den Erpressern, das da wäre: Die hören auf, sich festzukleben, und ich unterstütze ihre Forderungen (9-Euro-Ticket, 100 auf der Autobahn, Gesellschaftsrat), inklusive Brief an die Bundestagsfraktionen.
Hannovers OB verteidigt seine Entscheidung
Der Widerstand von Oberbürgermeister Onay gegen die Erpressung der niedersächsischen Landeshauptstadt scheint überschaubar gewesen zu sein. Dass der OB damit aber ein Signal gesetzt habe, das andere Städte unter Druck setze, glaubt er indes nicht. „Ich erkenne nicht, dass mein Gespräch mit der ‚Letzten Generation‘ zu intensiveren Protesten andernorts führt.“ Er sei für die Landeshauptstadt Hannover zuständig, dass der Laden zusammenhalte „auch beim Klimaschutz, auch gesellschaftlich“, so der grüne Rathauschef.
Schließlich hätten die Protestaktionen der „Letzten Generation“ die Stadt polarisiert und für viel Unmut gesorgt. Das habe zu „konfrontativen, gesundheitsgefährdenden Situationen geführt“, erklärte Onay. Er habe als Oberbürgermeister die Verantwortung übernommen und „die Dinge in so einer Lage nicht einfach laufen lassen“.
LKW-Fahrer gesucht
Oberbürgermeister Onay stellt auf der einen Seite klar, dass er die Aktionsformen der Klimagruppe aus Konfrontation und Eskalation nicht teile. Seinen Angaben nach arbeite er am Klimaschutz, was sein Kerngeschäft seit drei Jahren sei: „Ich ziehe am selben Strang, in dieselbe Richtung“ – aber er klebe sich nicht fest.
„Es gibt in solchen Fällen zwei Optionen. Entweder man geht in den Dialog oder tritt mit voller Härte gegen diese Proteste auf – Beispiel München – mit der Gefahr, dass die Fronten sich verhärten und die Lage eskaliert.“
Nein, erzürnen wollte der Grünen-Politiker die Mitglieder einer aus Sicht von Experten apokalyptisch auftretenden Klimagruppe offenbar nicht. Ein Rathauschef muss auch vorausschauend die Sicherheit seiner Stadt und ihrer Menschen gewährleisten. Schließlich meinte vor wenigen Monaten auch Terrorismusexpertin Bettina Röhl, Autorin von „Die RAF hat euch lieb“ und Tochter der RAF-Gründerin Ulrike Meinhof, dass die „Letzte Generation“ bereits auf der „Ziellinie der RAF“ sei. „Auch die 68er-Bewegung begann mit Sabotage-Akten und Pudding-Attacken. Viele schrien dann nach mehr ‚Taten‘ und ‚Revolution‘. Bei den Klima-Aktivisten kann dieser hysterische ‚Kipppunkt‘ zu Gewalt und Terror sehr schnell erfolgen.“
Gefahr gebannt. Der Deal steht. Hannover hat nun Ruhe. Die Proteste der Klimagruppe ziehen weiter – in andere Städte. Auch die sollen sich den Forderungen der „Letzten Generation“ unterwerfen – der Rettung vor dem Untergang wegen. Heute diese Forderungen. Und morgen?
Ein Aufruf der Klimagruppe erging kürzlich an Menschen mit Lkw-Führerscheinen, die gewillt seien, ihre „Fähigkeiten für unser aller Überleben einzusetzen“. Dies löste bei Manuel Ostermann Besorgnis aus: „Ich ahne Schlimmes“, kommentierte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft und innenpolitische Sprecher der Jungen Union NRW.
🚚 Menschen mit LKW-Führerschein gesucht 🚒
Hat hier in der Leserschaft zufällig jemand einen Führerschein für größere Fahrzeuge und hätte Lust, die Fähigkeiten für unser aller Überleben einzusetzen?
Meldet euch gerne hier:
[email protected]Wir freuen uns!
— Letzte Generation (@AufstandLastGen) February 20, 2023
Der Zweck heiligt die Mittel?
Der Stadtchef Onay interviewende Korrespondent wies darauf hin, dass die „Letzte Generation“ in Berlin die Reaktion des Hannover-Stadtchefs nutze, um zu sagen: „Guckt euch an, wie Onay das gemacht hat. Wenn ihr den gleichen Weg geht, wenn ihr euch mit uns solidarisiert, lassen wir euch auch in Ruhe.“
Die Antwort des Grünen-Politikers im Hannover-Rathaus: „Wäre das denn falsch?“
Er stehe hinter den Inhalten des Briefes, den er an den Bundestag geschrieben habe. Für ihn sei es entscheidend, wie man eine Lösung gefunden habe, die Proteste zu beenden. „Und zwar indem ich einen Brief geschrieben habe, in dem ich Dinge formuliere, die ich hier tagtäglich umzusetzen versuche.“ Onay konnte auch keinen Hinweis auf eine Erpressung finden: „Erpressen lässt man sich aber nur, wenn man etwas gegen seinen Willen muss, zum eigenen Schaden oder zum Schaden der Stadt.“ Nichts davon sei der Fall.
Erfolg also auf allen Linien? Ärger weg, Klimabewusstsein erhöht, weiter so? Hätte Belit Onay auch ohne die „klebenden Hände“ der „Letzten Generation“ an den Bundestag geschrieben? Setzen die Aktionen der Klimaerpresser und der herausgeholte Klimadeal von Hannover die Rathauschefs anderer Städte in ihren Entscheidungen unter Druck – oder nicht? Wenige Tage nach Hannover: „Wir stören den Berufsverkehr, weil die Klimakatastrophe viel zu lange ignoriert wurde. Wir fordern Bürgermeisterin Henriette Reker auf, sich hinter unsere Forderungen zu stellen“, twitterte die Klimagruppe am 27. Februar in Richtung der Domstadt Köln. Am selben Tag fordert jemand in Hildesheim, dass auch dort der Bürgermeister einen Deal eingehen soll, denn die „Letzte Generation“ setzte sich für ihn, seine Kinder und Enkelkinder ein, meinte der Mann.
Kann das hier wer an Herrn Ingo Meyer weiterleiten? An den Bürgermeister von Hildesheim?pic.twitter.com/F3ApJ0p92o
— Jana Mestmäcker (@Jana_Mest) February 27, 2023
Gute und böse Erpressung?
Die „Welt“ machte die Probe aufs Exempel und fragte den Grünen-Politiker, was er machen würde, wenn Bewohner eines Stadtteils von Hannover sich auf die Straße setzten, den Verkehr blockierten und erklärten, dort bleiben zu wollen, bis die Flüchtlingsunterkunft dort verschwinde.
Die Antwort: Onay würde mit ihnen reden, eine klare (seine) Position vertreten. Allerdings sei die Ablehnung von Geflüchteten häufig mit Rassismus verbunden und kein Ziel „in Übereinstimmung mit unserer Verfassung (…) oder mit der Pflicht zur Erfüllung internationaler Verträge“. Nein. Das würde Belit Onay auch nicht unterstützen, wie er sagte. „Beim Klimaschutz ist das anders.“
Die Rekrutierung der Klimakämpfer
Die Frankfurter Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh hatte sich inkognito bei einem fünfstündigen Onlineseminar der „Letzten Generation“ eingeschleust. Sie erhielt Einblick in interne Arbeitspapiere aus dem Führungszirkel: Kampagnen- und Trainingsmaterialien und Train-the-Trainer-Ausbildung. Insgesamt um die 250 Seiten Text und 20 Stunden Videomaterial, berichtete „t-online“.
Es gebe klare Anweisungen. Neue Aktive sollen beispielsweise mindestens einmal eine Straße blockieren und die Konsequenzen dafür selbst tragen. Konsequenzen seien Strafen wegen Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und ein Bußgeld. Das solle man aber nicht zahlen, da Haftstrafen sich medial besser verwerten ließen. „Es geht nur um die Bereitschaft, dass du dich an den Aktionen wie Straßenblockaden beteiligst“, so die Psychologin. Die „Letzte Generation“ wende „alle Mittel an, die man aus psychologischer Sicht für Verbindungen, Projektionen und Bereitschaft zu extremen Handlungen“ verwenden könne. Man arbeite sehr stark mit „Imaginationsverfahren“. Das Hineinversetzen in die Situation sei wie eine Art Meditation. Danach komme noch die individuelle Auseinandersetzung durch geleitete Fragen, die jeder beantworten müsse. Das schaffe eine „unglaubliche psychologische Nähe“, baue Hemmungen ab und sorgt für eine enge Bindung: „Wir sind ein Team.“
Was die Psychologin noch als wichtig erwähnte: Die Akteure müssten sich selbst hören, wie sie über sich in dieser neuen Rolle und Aufgabe sprechen würden. Es gibt einen Fachbegriff dafür: „Das nennt man Selbstüberredung.“
Doch wie könnte das dann in der Praxis aussehen? Ein neuer Straßenaktivist der in der Führungsebene streng hierarchisch ausgerichteten „Letzten Generation“ schrieb im Oktober 2022 auf Twitter: „Seit ich das mit dem Klimawandel verstanden habe, habe ich für vieles kein Verständnis mehr. Ich bin ständig gepisst, wenn Freund:innen für ein Wochenende nach London fliegen, wenn ich über den Potsdamer Platz laufe und die Autokolonnen sehe.“
Derselbige twitterte vier Monate später, am 20. Februar: „Ich hab an meiner ersten Letzte Generation-Blockade teilgenommen. Ein Auto hätte mich fast überfahren, aber dann gab es vor allem Leute, die Kaffee und Brezeln an uns verteilt und sich bedankt haben – hat irgendwie richtig Hoffnung gespendet.“ Aufgrund einer Multiplen Chemikaliensensibilität wollte sich der Aktivist jedoch nicht selbst festkleben, berichtet er.
Ich hab an meiner ersten #LetzteGeneration-Blockade teilgenommen. Ein Auto hätte mich fast überfahren, aber dann gab es vor allem Leute, die Kaffee und Brezeln an uns verteilt und sich bedankt haben – hat irgendwie richtig Hoffnung gespendet.
Mein Fazit: https://t.co/KmTgdmRL7P
— Raphael Thelen (@RaphaelThelen) February 20, 2023
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