Fallen bald Frankreichs Stromexporte weg?
Erst kürzlich sorgte die rechte französische Partei Rassemblement National (RN) mit ihrer Ankündigung, aus dem europäischen Strommarkt aussteigen zu wollen, für Aufsehen. Vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag, 7. Juli, sah es noch so aus, als hätte RN gute Chancen auf einen Sieg.
Danach stellte sich allerdings heraus: Die Partei um Marine Le Pen konnte keine Regierungsmehrheit erreichen. Sie wurde nur drittstärkste Kraft. Stattdessen hat mit La France Insoumise das neue Linksbündnis gewonnen.
Ist damit die Frage um einen möglichen Ausstieg Frankreichs aus dem europäischen Strommarkt vom Tisch? Eindeutig nein. Denn auch die Linken denken ernsthaft über ein Ende des grenzüberschreitenden Stromhandels nach. Da Deutschland aber regelmäßig Strom von der Grande Nation importiert, wäre es direkt davon betroffen.
Abschaltungen nicht so einfach möglich
Zunächst einmal das Wichtigste: Auch wenn das Thema derzeit zur Debatte steht, kann Frankreich anderen Ländern – einschließlich Deutschland – nicht so einfach den Strom abstellen. Macron wird voraussichtlich bis 2027 das Amt des französischen Präsidenten auskleiden. Bisher hatte er sich selbst nicht zu dem Schritt eines möglichen Stromexportstopps geäußert.
Solch eine einschlägige Entscheidung, sofern sie getroffen würde, wird nicht von heute auf morgen umgesetzt. Das bestätigte auch der Kernenergietechniker Manfred Haferburg auf Anfrage der Epoch Times. Der ehemalige Oberschichtleiter des stillgelegten Kernkraftwerks (KKW) Greifswald lebt zurzeit in Frankreich.
„Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, sagte er. „Auch physikalisch ist das nicht ohne Weiteres möglich, da sich der Strom hier den Weg des geringsten Widerstandes sucht.“ Das bedeutet: Solange die bestehenden Leitungen vorhanden sind und nicht direkt getrennt werden, fließt der Strom dahin, wo Bedarf besteht.
Hinzu kommt, dass Frankreich an europäische Verträge zum Stromhandel gebunden ist. Stiege das Nachbarland kurzfristig komplett aus dem europäischen Strommarkt aus, bräche es diese Abkommen. Praktisch wäre das eigentlich nur möglich, wenn Frankreich die Verträge schlicht nicht mehr umsetzt. Dies würde Strafmaßnahmen durch Brüssel nach sich ziehen.
Ein Geben und Nehmen
Deutschland und Frankreich sind sogenannte Stromtransitländer innerhalb der EU. Das bedeutet: Es wird fortlaufend Strom importiert und exportiert und damit im Staatenbund gehandelt. Der gemeinsame Strommarkt in Europa soll durch die gewollte Zusammenarbeit mit den anderen Ländern ermöglichen, Geld einzusparen und Emissionen zu senken.
Konkrete Zahlen für Deutschland: Den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zufolge lieferte Deutschland in diesem Jahr bis zum 8. Juli rund 26,2 Terawattstunden (TWh) Strom an andere europäische Staaten. Andererseits erhielt die Bundesrepublik von ihren Nachbarn 38,3 TWh.
Zum Vergleich: Die öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland (also ohne die Eigenversorgung der Industrie) liegt im selben Zeitraum bei rund 234 TWh. Davon fallen im Saldo knapp fünf Prozent auf Stromimporte.
Allerdings ist Deutschland mit den wiederholten Abschaltungen von großen Kraftwerken immer mehr von Stromimporten aus dem Ausland angewiesen. Am Abend des 5. Juli 2024 lag die Differenz zwischen verbrauchtem und im Inland erzeugtem Strom bei mehr als elf Gigawatt. Das zeigen die ISE-Daten. Diese Versorgungslücke mussten die deutschen Netzbetreiber in Form von Stromimporten aus dem Ausland ausgleichen. Elf Gigawatt entspricht der Strommenge von rund 16 KKW.
Vorteil für beide Länder
Bei „Statista“ ist zu sehen, dass Deutschland zwischen September 2021 und April 2023 Frankreich regelmäßig mehr Strom lieferte als umgekehrt. Aber seit April vergangenen Jahres, dem Monat der Abschaltung der letzten deutschen KKW, ist Deutschland in jeder Monatsbilanz der größere Stromabnehmer im Handel zwischen den beiden Ländern. Zuletzt exportierte Deutschland im Juni 2024 rund 0,6 Terawattstunden (TWh) Strom nach Frankreich und importierte 1,8 TWh.
In Summe bis zum 8. Juli hat Deutschland in diesem Jahr deutlich mehr Strom aus Frankreich importiert als dorthin exportiert. Nach neuesten Daten des Fraunhofer-Instituts importierte Deutschland in diesem Zeitraum 8,44 TWh aus Frankreich und lieferte dorthin 1,62 TWh. Das macht Frankreich zu einem der größten, wenn auch nicht dem größten Stromexporteur nach Deutschland im laufenden Jahr.
Der Bundestag verwies auf die Zeit zwischen Ende November 2022 und Ende November 2023. Hier konnte Deutschland 14,2 TWh Strom nach Frankreich exportieren und bekam in umgekehrter Richtung 12 Terawattstunden. Das lag daran, dass Frankreich im vergangenen Jahr einige seiner KKW sanieren und dafür herunterfahren musste. Die Stromproduktion sank. Erst Ende 2023 waren 15 der 16 von Korrosionsschäden betroffenen KKW wieder in Betrieb.
Bardella will Ausnahme für Frankreich
Hauptsorge der Franzosen – und damit wichtigstes Thema im Wahlkampf – ist derzeit die Kaufkraft. Le Pens Partei RN ebenso wie das Bündnis La France Insoumise und die Kommunisten fordern daher regelmäßig einen Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt. Sie legen den Menschen nahe, Frankreich könne sich mit seinem Atomstrom und einem selbst festgelegten Tarif preiswerter versorgen – die Menschen hätten also mehr Geld im Portemonnaie.
Le Pen hatte auch gewettert, die europaweit abgestimmten Strompreise gingen zulasten von Frankreichs Industrie, die mehr bezahlen müsse, weil Deutschland wegen seines Atomausstiegs vor Versorgungsproblemen stehe.
Aktuell fordert der Chef des RN, Jordan Bardella, für Frankreich eine Ausnahme von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise. Dies würde jedoch nicht bedeuten, dass sich Frankreich von seinen europäischen Partnern abkoppelt.
Experten: Beim Ausstieg steigt der Strompreis
Tatsächlich ist Frankreich auf den ständigen Austausch von Strom im europäischen Netz angewiesen, auch wenn es unter dem Strich mehr exportiert als importiert. Das ist die Einschätzung von mehreren Experten, darunter der Präsident des Energiekonzerns Engie, Jean-Pierre Clamadieu, und der Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris-Dauphine, Patrice Geoffron. Bei einem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt drohten Stromausfälle und Frankreich müsste massiv in zusätzliche Kraftwerke investieren. Das wiederum treibe nach Aussage von Experten den Strompreis in die Höhe.
Allerdings verdient Frankreich derzeit mit den Stromexporten viel Geld. Haferburg teilte hierzu mit, dass gerade erst am Abend des 8. Juli gegen 21:00 Uhr der Stromhandelspreis bei rund 250 Euro pro Megawattstunde lag. Normal sei ein Preis von 50 bis 60 Euro. Zu diesem Zeitpunkt flossen von Frankreich nach Deutschland rund drei Gigawatt Strom. Somit wäre es für das Nachbarland aus finanzieller Sicht wenig sinnvoll, diese Handelsbeziehung zu beenden.
Eine Ausnahme von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise könnte Frankreich theoretisch mit der EU verhandeln. Für Portugal und Spanien gab es eine solche Ausnahme während der Energiekrise. Wegen der Bedeutung des europäischen Strommarkts für Frankreich halten Experten sie aber derzeit für kontraproduktiv.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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