Schweiz: Zu großer Fokus auf Erneuerbare – was bei der Energiewende jetzt wichtig ist

Bei der Energiewende sei es ein Fehler, sich nur auf den Ausbau von erneuerbaren Energien zu fokussieren. Denn es brauche sehr viel mehr Kraftwerke, um die Versorgungssicherheit der Zukunft zu gewährleisten. Das geht aus einer neuen Studie der ETH Lausanne in der Schweiz hervor.
Schweizer Studie: Zu großer Fokus auf Erneuerbare – Was bei der Energiewende jetzt wichtig ist
Die Schweiz benötigt bis 2050 mehr Großkraftwerke für die Energiewende, so eine Studie.Foto: iStock
Von 17. Mai 2024

Wie Deutschland setzt auch die Schweiz bei der Energiewende verstärkt auf Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Eine neue Studie der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Lausanne zeigt allerdings, dass für eine stabile Energieversorgung auch andere Kraftwerksarten nötig sind.

Professor Andreas Züttel, Professor für Physikalische Chemie an der ETH Lausanne und Leiter des Laboratoriums für Materialien der erneuerbaren Energie, hat die Studie geleitet. Züttel betont dabei laut der Schweizer Zeitung „Tages-Anzeiger“:

Wenn wir 2050 in der Schweiz eine sichere Energieversorgung haben wollen, braucht es viel mehr, als die meisten Politiker und Behörden heute annehmen.“

Bis zu acht große Kraftwerke notwendig

In der am 5. Mai veröffentlichten Studie mit dem Titel „CO₂ Neutral Energy Security for Switzerland“ (CO₂-neutrale Energiesicherheit für die Schweiz) weist Züttel auf einen steigenden Strombedarf in der Zukunft hin. Bis 2050 werde dieser auf 80 bis 130 Terawattstunden pro Jahr ansteigen – abhängig von der Bevölkerungsentwicklung und der zukünftigen Reduktion des pro-Kopf-Energiebedarfs. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der Schweizer Strombedarf bei 56 Terawattstunden.

Züttel und drei weitere Forscher rechnen in ihrer Studie mit einer zunehmenden Bevölkerungsanzahl und zunehmendem Wohlstand, was die Gründe dafür seien, dass die Energienachfrage steigen wird. Die Studienautoren prognostizieren damit einen höheren künftigen Strombedarf als die Schweizer Regierung und ihre Forscher. Ebenso gehen die Autoren von einem höheren Stromspeicherbedarf in der Zukunft aus.

Der Physikprofessor wies darauf hin, dass die Energieversorgungssicherheit die ständige Verfügbarkeit von Energie auf Abruf erfordere. Darüber hinaus müssten stets Reserven von mindestens 25 Prozent des jährlichen Energiebedarfs bereitstehen. Aufgrund des künftig deutlich steigenden Strombedarfs müsste die Schweiz – je nach tatsächlicher Entwicklung – bis zu acht große Kraftwerke errichten. Zwei dieser Großkraftwerke würden dann als Reserve für die Energiesicherheit fungieren. Als Maßstab rechnet Züttel mit einem Gigawatt pro Großkraftwerk.

Jedes Land benötigt eigene Reserven

Um fossile Energieträger, wie von der Politik geplant, künftig zu ersetzen, benötige die Schweiz unbedingt erneuerbare Energien auf Abruf. Dazu seien zusätzliche Kraftwerksblöcke notwendig, die die schwankenden Energielieferungen der Erneuerbaren mit Stromspeicher kombinieren. Der Vorteil von fossilen Energieträgern – aber auch Biomasse und der in der Schweiz reichlich vorhandenen Wasserkraft – sei laut der Studie die Verfügbarkeit. Denn diese Energieformen könnten jederzeit auf Abruf zum Einsatz kommen.

Der grenzüberschreitende Stromhandel in Europa wird aus Sicht von Züttel in Zukunft noch wirtschaftlich interessant sein. Dennoch könne dieser weder die Reserven ersetzen noch die Energiesicherheit unterstützen. Der Grund: Alle europäischen Länder haben praktisch die gleichen Jahreszeiten. Wenn im Winter in der Schweiz kaum die Sonne scheint, ist das auch in den Nachbarländern der Fall.

Somit müsse jedes Land künftig seine eigenen Reserven aufbauen. Züttel empfiehlt hierfür die Speicherung von Energie in Form von synthetischem Öl. Diese sei bei Weitem die einfachste und wirtschaftlichste Lösung. Dieses synthetische Öl empfiehlt er auch als Kerosinersatz für den Flugverkehr. Eine solche Vorgehensweise mache zudem die Abscheidung von CO₂ aus der Atmosphäre überflüssig.

Stromspeicherung statt PV-Zubau

Nach Ansicht von Züttel dürfe sich die Energiepolitik nicht nur auf den ständigen Ausbau oder die Verstärkung des Netzes konzentrieren. Das könne die Speicherung der generierten und überschüssigen Energie nicht ersetzen. Der Nachteil an der Sache ist jedoch, dass die lokale Batteriespeicherung die Kosten der Stromproduktion erhöht, dafür aber die maximale Leistung reduziert.

Dabei hat die Schweiz in den vergangenen Jahren bereits eine enorme Spitzenleistung der Photovoltaik aufgebaut. Diese lag Ende 2023 laut „energate messenger“ bei 6,2 Gigawatt. Davon installierte das Alpenland allein im vergangenen Jahr rund 1,5 Gigawatt.

Eine flächendeckende lokale Batteriespeicherung des Stromüberschusses an sonnenreichen Tagen könne nachts Strom bereitstellen, ohne viel aus dem Netz beziehen zu müssen.

Wie der „Tages-Anzeiger“ berichtet, hatte Züttel bereits vor der Studie das Schweizer Solarpotenzial auf Gebäudedächern errechnet. Dieses liege bei 23 Terawattstunden. Andere Berechnungen gehen von höheren Werten aus. Bereits vor zwei Jahren erntete Züttel Kritik – insbesondere von Solarbefürwortern – für seine geringeren und konservativeren Annahmen. Dennoch hält er weiter an seinen Zahlen fest.

Der Physikprofessor erklärte hierzu: „Selbst wenn auf den Dächern etwas mehr Strom produziert wird, ändert das nichts an der Grundproblematik, dass Solarstrom nicht immer zur Verfügung steht und gespeichert werden muss.“



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