Partei um Le Pen und Bardella will autarkes Stromnetz – was heißt das für Deutschland?

Die Partei um Marine Le Pen, der Rassemblement National, plant eine grundlegende Reform der französischen Energiepolitik. Ziel ist eine Loslösung Frankreichs vom europäischen Strommarkt. Was bedeutet das für die deutsche Stromversorgung?
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Jordan Bardella von der RN hofft auf eine Zukunft als Premierminister.Foto: Ludovica Marin/AFP via Getty Images
Von 1. Juli 2024

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In Frankreich könnte künftig auch eine Neuausrichtung der Energiepolitik bevorstehen. Spätestens seit der Europawahl ist klar, dass sich der Zuspruch der Bevölkerung im Nachbarland deutlich in Richtung oppositionelle Parteien verschoben hat, genauer gesagt in Richtung der Partei Rassemblement National (RN).

Eigenes Stromnetz und „französischer Strompreis“

Daher rücken nun Forderungen und Pläne der Partei um Marine Le Pen in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Bereich der Energiepolitik wollen die führenden Politiker der Partei einen deutlich nationalistischeren Weg einschlagen als bisher. Dieser führt weg vom Stromhandel mit anderen Ländern und hin zum eigenen Stromnetz.

Laut Jordan Bardella, Spitzenkandidat der RN, will sich seine Partei von den europäischen Strompreisregularien lösen und einen „französischen Strompreis“ haben. Demnach soll Frankreich in den kommenden Jahren seine eigene Stromversorgung weiter ausbauen und stabilisieren. Der RN setzt dabei auf noch mehr Kernenergie, Wasserkraft und Erdgas. Alternative Energiequellen wie Windkraft, Photovoltaik und Wasserstoff sollen weniger gefördert werden.

Diesen Weg befürwortet auch die Oppositionspartei Les Républicains (LR). Der Vorsitzende Éric Ciotti sagte vor Kurzem: „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, um wieder eine autonome Stromproduktion und günstigere Strompreise zu garantieren.“

„Der Ansatz ist nicht irrational“, schrieb der Bundespressesprecher der Bundesinitiative Vernunftkraft, Christoph Canne, auf X (früher Twitter). „Durch eine Entkopplung würden in Deutschland die Strompreise noch stärker steigen, als sie dies ohnehin schon tun werden. Dadurch wird auch die Attraktivität Frankreichs als Investitionsstandort zunehmen. Die dafür notwendigen Strommengen belässt man lieber im Inland.“

Als Nachteil für Frankreich sieht Canne jedoch die damit wegfallenden „hervorragenden“ Exporteinnahmen. Dann würde die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF finanzielle Mittel für Laufzeitverlängerung und KKW-Neubau benötigen. „Das wird dann über zusätzliche Schulden erfolgen müssen“, so Canne.

Le Pen

Das Kernkraftwerk in Fessenheim in Frankreich. Foto: Patrick Seeger/dpa

Gefahr für Europas Netzstabilität?

Einige Fachleute haben Bedenken zu diesem autarken Weg und der Einführung von Energiebarrieren. Catherine MacGregor, die Chefin des französischen Energieversorgers Engie, teilte hierzu mit: „Ohne einen europäischen Strommarkt würden wir uns noch stärkeren Preisschwankungen und sogar dem Risiko von Stromausfällen aussetzen.“

Die Stromversorgung in Europa besteht aus einem großen zusammenhängenden Netz – dem europäischen Verbundsystem. Das hat den Vorteil, dass die Länder untereinander Strom importieren, exportieren und verkaufen können. Die Netzbetreiber können dadurch auch mögliche Versorgungslücken oder Überproduktionen ausgleichen.

Eine größere Versorgungslücke hatte Frankreich vor allem im Jahr 2022. Damals mussten rund die Hälfte der Atommeiler wegen Korrosionsschäden und Wartungsarbeiten heruntergefahren werden. Das reduzierte die Stromerzeugung Frankreichs um 14,9 Prozent im Vergleich zum Jahr davor und das Land war auf Stromimporte angewiesen.

Frankreich setzt bei seinem Strommix überwiegend auf Kernenergie. Die Grande Nation betreibt derzeit 56 Druckwasserreaktoren an 18 Standorten. Schon im März hat der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire Kritik an den Klimazielen der EU geäußert, die den massiven Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen favorisiert.

Importe könnten wegfallen

Wenn der RN seine Ziele tatsächlich umsetzen könnte, kann Deutschland tendenziell nicht mehr mit Stromimporten aus Frankreich rechnen. Derzeit fließen regelmäßig rund 3,0 Gigawatt (GW) an Strom über die deutsch-französische Grenze in das deutsche Stromnetz. Zum Vergleich: Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke, die die Bundesregierung im April 2023 endgültig abschalten ließ, hatten insgesamt eine Leistung von rund 4,2 GW.

Mit den Importen aus Frankreich und anderen Nachbarländern gleichen die deutschen Netzbetreiber bereits jetzt regelmäßig auftretende Stromlücken in der inländischen Energieversorgung aus.

Im April 2023 ist Deutschland vom Nettostromexporteur zum -importeur geworden. Ein Wegfall des französischen Stroms würde eine weitere Herausforderung für die deutschen Netzbetreiber bedeuten.

Besonders groß war die Versorgungslücke zeitweise zu Ostern. So musste Deutschland am 31. März morgens und abends jeweils bis zu 18 GW Strom aus dem Ausland importieren. Ähnlich sah es am Abend des 27. März aus. Auch hier war eine Lücke von rund 18 GW, die die bestehenden deutschen Kraftwerke nicht schließen konnten. In diesem Zeitraum schaltete die Bundesregierung mehrere Kohlekraftwerke mit einer installierten Leistung von 3,1 GW endgültig ab.

Aber auch aktuell herrscht immer wieder eine Unterversorgung im deutschen Netz. Beim Blick auf die Daten von Energy Charts am frühen Samstagmorgen, 29. Juni, fehlten rund 12 GW. Auch hier mussten Stromimporte – auch die aus Frankreich – aushelfen.

Neben Frankreich könnte es auch bald nicht mehr so viel Strom aus Schweden geben. Vor rund zwei Wochen hat Schweden die Hansa PowerBridge, eine geplante Gleichstromleitung zwischen Deutschland und Schweden, abgelehnt. Die Begründung von Energieministerin Ebba Busch: Der Strommarkt von Deutschland „funktioniert heute nicht effizient“.

Das Unterseekabel, angesetzt mit rund 600 Millionen Euro, sollte erneuerbaren Strom aus den nordischen Ländern nach Deutschland importieren und gleichzeitig die Stromversorgung in Südschweden sichern. Als Grund wird zudem angegeben, dass der Import von teurerem deutschem Strom die Preise in Südschweden erhöhen könnte.

Deutsche Wirtschaft besorgt

Die deutsche Wirtschaft fürchtet negative Auswirkungen, falls in Frankreich eine der erwähnten Oppositionsparteien an die Macht gelangen sollte. „Bei der Analyse der wirtschaftspolitischen Ankündigungen der Rechten und der Linken kommen deutsche und französische Unternehmen zu demselben Schluss: Die Attraktivität Frankreichs würde darunter leiden“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, Patrick Brandmaier, in Paris.

Der Handelskammer-Präsident sagte, starke Erhöhungen der Staatsausgaben, die Rücknahme der in den vergangenen sieben Jahren durchgeführten Reformen sowie die sehr wahrscheinliche Erhöhung der Steuern würden die Unternehmen nicht optimistisch stimmen. „Ebenso wenig wie bestimmte Ankündigungen, sich von Europa zu entfernen oder Freihandelsabkommen infrage zu stellen.“

Die ohnehin schon hohe Staatsverschuldung Frankreichs würde wahrscheinlich noch weiter steigen. Steigende Zinsen für französische Staatsanleihen würden den ohnehin schon strapazierten französischen Staatshaushalt noch mehr belasten.

„Kurzfristig erwarten wir von den deutschen Unternehmen keine großen Veränderungen oder strukturierenden Entscheidungen: Es herrscht eine abwartende Haltung vor“, sagte der Handelskammer-Chef. „Sollten sich die Wettbewerbsbedingungen und die Konjunkturaussichten in Frankreich verschlechtern, würde sich dies mittel- bis langfristig auf Investitionen, Wachstum und Beschäftigung auswirken.“

Deutschland sei der größte europäische Investor in Frankreich und Frankreich der zweitwichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen. „Weniger günstige Rahmenbedingungen und eine Konjunkturabschwächung in Frankreich würden daher auch die deutschen Unternehmen belasten.“ Deutschland und Europa bräuchten ein wirtschaftlich, politisch und finanziell stabiles und starkes Frankreich, betonte Brandmaier.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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