Knapp 800 Milliarden Euro für eine „sichere, lebenswerte und nachhaltige Zukunft“
Der Brückeneinsturz von Dresden stellt für manche Menschen in Deutschland symbolisch für den Zustand Deutschlands dar – nicht nur in der Verkehrsinfrastruktur. Auch in anderen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, innere und äußere Sicherheit oder der Dekarbonisierung gibt es Nachholbedarf.
Das Dezernat Zukunft hat sich dazu folgende Frage gestellt: „Was kostet eine sichere, lebenswerte und nachhaltige Zukunft?“ In der gleichnamigen Studie beleuchtete der Analyst Felix Heilmann und seine Kollegen, was es Bund, Länder und Kommunen kostet, Deutschland zu modernisieren.
Das Dezernat Zukunft ist ein unabhängiger Thinktank, der als SPD-nah gilt. Er gibt als Leitbild an, „Geld-, Finanz- und Wirtschaftspolitik verständlich zu erklären, einzuordnen und neu zu denken“.
Wie sich die Kosten zusammensetzen
Die Denkfabrik kam auf einen Gesamtbedarf von 782 Milliarden Euro für den Zeitraum 2025 bis einschließlich 2030. Ausgehend vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Jahres 2023 entspricht dieser Bedarf jährlich rund 3 Prozent des BIP. Daraus ergeben sich Mehrausgaben von rund 130 Milliarden Euro pro Jahr.
Mit diesen Finanzmitteln sollen laut Dezernat Zukunft „breit akzeptierte Ziele in elf ,Zukunftsfeldern‘“ erreicht werden. Diese sind Bildung, Dekarbonisierung, Forschung, Gesundheit, Verkehr, Wohnen, innere Sicherheit, Klimaanpassung, wirtschaftliche Resilienz, Verteidigung und zusätzliche Aspekte der äußeren Sicherheit.
Die Studienautoren sehen den größten Finanzierungsbedarf in der Dekarbonisierung des Landes. Von den 782 Milliarden Euro sind allein hierfür 207 Milliarden Euro vorgesehen. Die zweithöchste Priorität erhält die Verkehrssparte mit 166 Milliarden Euro. Anschließend folgen Bildung und Verteidigung.
Der Bund soll dabei als größter Geldgeber fungieren. Insgesamt 417 Milliarden Euro sollen von ihm kommen. Hier schlagen vorwiegend die Bereiche Dekarbonisierung und Verteidigung zu Buche. Weitere 218 Milliarden Euro müssten demnach die Kommunen beitragen, 147 Milliarden Euro die Länder.
Dekarbonisierung im Hauptfokus
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, spätestens bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Vor gut drei Jahren hat auch das Bundesverfassungsgericht Deutschland zum Klimaschutz und zur Herstellung der Klimaneutralität verpflichtet.
Das bedeutet grundlegende strukturelle Veränderungen unter anderem in der Energieversorgung inklusive des Ausbaus der Stromnetze oder bei Heizsystemen von Gebäuden. Solche einschneidenden Veränderungen sind teuer.
Das Dezernat Zukunft schätzt die öffentlichen Gesamtkosten der Dekarbonisierung auf 340 Milliarden Euro bis 2030. Demgegenüber stehen Einnahmen und Kompensationszahlungen wie die CO₂-Bepreisung, die derzeit 45 Euro pro Tonne CO₂ beträgt. Das Guthaben daraus wird auf rund 133 Milliarden Euro geschätzt. Demnach liegen die Kosten für die Dekarbonisierung Deutschlands bis 2030 bei 207 Milliarden Euro.
Sorgenkind Verkehr
Spätestens seit dem Brückeneinsturz am 11. September 2024 in Dresden wurde deutlich, dass die Zuständigen dringend mehr in die Aufrechterhaltung, aber auch in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur investieren müssen.
Wenn darüber hinaus auch die Verkehrswende – also der Umstieg vom Verbrennermotor auf die Elektromobilität – gelingen soll, werden noch mehr Ladesäulen benötigt. Ebenso muss der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebaut werden.
Angesichts der nötigen Veränderungen haben die Studienautoren für den Bereich Verkehr einen zusätzlichen Mindestbedarf von 167 Milliarden Euro ermittelt. Davon wären 62 Milliarden Euro für das Eisenbahnwesen und 65 Milliarden Euro für den Erhalt der Straßeninfrastruktur ohne Landstraßen vorgesehen. Weitere 38 Milliarden Euro kämen dem ÖPNV zugute.
Bildung: Mangelhaft
Bildung ist ein weiterer Fokus der Studie. Verschiedene Erhebungen wie die IQB-Bildungstrends und die PISA-Tests offenbarten in den vergangenen Jahren einen deutlichen Rückgang der Schulleistungen in Deutschland in zentralen Kompetenzbereichen.
Für ausreichende Finanzmittel im Bildungsbereich ermittelte die Denkfabrik einen Zusatzbedarf von mindestens 127 Milliarden Euro bis 2030. Davon existiere der größte Mehrbedarf bei allgemeinbildenden Schulen. 57,1 Milliarden Euro wären für Investitionen im Schulgebäude erforderlich.
Deutschland kämpft außerdem mit einem langjährigen Lehrermangel. Um die heutige Schüler-Lehrkräfte-Relation zu erhalten, wäre laut der Studie ein Zusatzbedarf von mindestens 15,5 Milliarden Euro nötig.
Wege zur Finanzierung
Doch wo sollen diese 782 Milliarden Euro für alle elf Sparten bei einem knapp bemessenen Bundeshaushalt herkommen? Dies hat der Thinktank mit Sitz in Berlin mit einer weiteren Studie, „Wie wir die Modernisierung Deutschlands finanzieren“, auch untersucht.
Einen Ausweg ohne Reform der Schuldenbremse sehen die Autoren der Studie in Finanztransaktionen. Damit sind Zahlungsvorgänge gemeint, die das Nettofinanzvermögen des Staates nicht verändern. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Staat Anleihen an eigene Unternehmen wie die Deutsche Bahn ausgibt, um Unternehmensbeteiligungen zu erwerben.
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Schuldenbremse so abzuändern, dass sie eine höhere Neuverschuldung erlaubt. Dadurch könnten Schulden in Bildung und Forschung finanziert werden. Allerdings müsste die Politik dann nachweisen, dass sich durch diese Investitionen in den Folgejahren die Wirtschaftskraft erhöht. So könnten gut 41 Milliarden Euro bereitstehen.
Das Dezernat Zukunft bring auch Steuererhöhungen ins Spiel. Auch könnte der Staat die Finanzierung verschiedener Projekte in anderen Ländern reduzieren oder beenden. Laut dem Entwicklungsministerium finanziert der Bund derzeit weltweit Tausende Projekte mit insgesamt knapp 57 Milliarden Euro.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, das Institut der deutschen Wirtschaft sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie haben auch die notwendigen finanziellen Aufwendungen in einigen der genannten gesellschaftlichen Bereiche berechnet. Sie kommen auf einen Mehrbedarf von 376 bis 596 Milliarden Euro.
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