„Ein echtes Armutszeugnis“: 11 Prozent der öffentlichen Ladevorgänge scheitern

Mindestens jeder zehnte Ladevorgang an deutschen öffentlichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge geht schief. Woran liegt das? Antworten gibt „Der große Lademarktreport 2024“ von elvah.
Manche Ladevorgänge gehen schief.
Ein E-Auto beim Laden.Foto: wallix/iStock
Von 14. September 2024

Stellen Sie sich vor, Sie machen einen größeren Ausflug mit Ihrem Auto über deutsche Straßen. Unterwegs müssten Sie Ihren Pkw ein oder mehrmals nachtanken. Sicherlich rechnen Sie nicht damit, dass beim Tankvorgang etwas schiefgeht.

Doch wenn Sie ein E-Auto besitzen und an einer öffentlichen Ladestation nachladen, liegt die Erfolgsquote nur bei 89 Prozent. Das bedeutet, dass mindestens jeder zehnte Ladevorgang nicht erfolgreich verläuft. Zu diesem Ergebnis kam „Der große Lademarkt-Report 2024“ von elvah, der der Epoch Times vorliegt.

Und das sei laut dem Bericht „nur die Spitze des Eisbergs“. Denn in der Statistik seien die Ladevorgänge, bei denen die Stationen überhaupt nicht reagieren, noch gar nicht berücksichtigt. Damit bleibe das Laden im Alltag ein „potenzielles Ärgernis“ für viele E-Auto-Fahrer.

Als erfolglos oder fehlgeschlagen hatte elvah Ladevorgänge gewertet, die gestartet wurden, aber von der Station innerhalb der ersten drei Minuten abgebrochen wurden. Die Ladedauer eines E-Autos ist von der Batteriekapazität und der Ladeleistung abhängig und dauert weitaus länger als das herkömmliche Tanken eines Benzin- oder Dieselfahrzeugs. Das erfolgreiche Laden an einer öffentlichen Ladestation einer fast leeren E-Auto-Batterie dauert zwischen 30 Minuten und vier Stunden.

Ladeerfolgsquote an Ladestationen im ersten Halbjahr 2024 in Deutschland. Foto: mf/Epoch Times, Daten: elvah

Verwunderung aus dem Fraunhofer-Institut

Der zum E.ON-Konzern gehörende Datendienstleister, der die Elektromobilität voranbringen will, kam zu dem Ergebnis, dass die Zuverlässigkeit der Ladeinfrastruktur „noch ausbaufähig“ sei. Für Till Gnann ist dieses Resultat „ein echtes Armutszeugnis“. Der Wirtschaftsingenieur koordiniert am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI das Thema Elektromobilität und trug zum Bericht bei. Er sagte:

Ich hätte gedacht, dass sich das mittlerweile deutlich gebessert hat. Hieran muss dringend gearbeitet werden, um nicht Wasser auf die Mühlen der Elektroauto-Skeptiker zu gießen.“

Robin Engelhardt, E-Auto-Tester und Reporter, bemängelt die Technik der Ladesäulen. „Die Autos sind dabei selten das Problem, viel öfter streikt die Säule. Selten ist es ein echter physikalischer Fehler, meistens hakt es irgendwo in der Software beim Bezahlen. Kontaktlose Bezahlung mit Kreditkarte, die nun vom Gesetzgeber vorgeschrieben wird, schafft hier Abhilfe.“

Wulf Schlachter, Geschäftsführer von DXBe Management, macht auf die positive Entwicklung seit 2017 aufmerksam. Vor sieben Jahren scheiterten seiner Aussage nach noch rund 25 Prozent der Ladevorgänge an öffentlichen Stationen.

Im ersten Halbjahr 2024 verzeichnete der deutsche Lademarkt rund 21 Millionen Ladevorgänge. Dabei flossen 482 Gigawattstunden (GWh) an Strom in die Elektrofahrzeuge. Das entspricht 115.000 Ladevorgängen pro Tag. Die eingesetzte Energiemenge könnte rund 160.000 deutsche Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen. Mit 90 GWh floss knapp ein Fünftel der verwendeten Ladeenergie bei öffentlichen Ladestationen an Autobahnen in die E-Fahrzeuge.

Ladestadt Hamburg

Beim Blick in die Daten der verschiedenen Bundesländer fällt auf, dass die meisten Ladevorgänge pro Einwohner im ersten Halbjahr in Hamburg getätigt wurden. Der Stadtstaat führt mit 0,43 Ladevorgängen pro Kopf vor Baden-Württemberg und Bayern.

Woran das liegt, erklärt der den Bericht unterstützende Experte Felix Hamer. „Infrastruktur überzeugt die Menschen“, so der Prozessmanager. „Seit Jahren ist Hamburg führend, wenn es um Ladestationen in den Innenstädten geht. Und das sieht man auch an der Zunahme der Elektroautos.“

In Berlin hingegen sei der Aufbau einer gewissen Ladeinfrastruktur erst in den vergangenen Jahren erfolgt. Daher habe die Anzahl der E-Autos in der Hauptstadt nur langsam zugenommen. Orientiert an der Anzahl registrierte elvah im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen die meisten Ladevorgänge: knapp 18 Millionen waren es hier, allerdings bei den Ladevorgängen pro Kopf mit rund 0,23 nur im Mittelfeld.

In der Liste der Pro-Kopf-Ladevorgänge bilden die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt die Schlusslichter.

Laut Engelhardt hat dies einen eindeutigen Grund: „Elektromobilität hat in ärmeren Regionen noch das altbekannte Henne-Ei-Problem. Viele Menschen können sich dort kein E-Fahrzeug leisten, also rechnet sich der Aufbau von Infrastruktur auch nicht.“

EnBW dominiert bei Gleichstrom

Fahrer von E-Autos können ihr Gefährt mit Gleichstrom (DC) oder Wechselstrom (AC) laden. Beim Gleichstrom dominiert klar der Energiekonzern EnBW den Markt. In jedem der 16 Bundesländer ist er Marktführer. Deutschlandweit liegt der DC-Marktanteil von EnBW bei 31 Prozent.

Schlachter geht davon aus, dass sich diese Dominanz schon bald abschwächen dürfte. „Ich vermisse aktuell noch E.ON Drive und Aral Pulse, denke aber, dass es erst 2025 zu Verschiebungen – vornehmlich durch die Realisierung der rund 900 Deutschland-Netz-Standorte mit rund 8.000 Chargern, sowie Aktivitäten im Bereich Truck Charging – kommen wird.“

Auf dem Wechselstrom-Lademarkt ist es hingegen deutlich gemischter. Hier hat der Anbieter Compleo mit 8,8 Prozent Marktanteil die Vormachtstellung und führt in vier Bundesländern den Markt an. In den restlichen zwölf Bundesländern dominieren zwölf weitere Anbieter.

Nach Einschätzung von Engelhardt liegt das daran, dass „bei AC die lokal verwurzelten Stadtwerke einen natürlichen Vorteil haben, weswegen sich hier auch in Zukunft kein überregionaler Anbieter in dem Maße durchsetzen wird, wie es bei DC der Fall ist“.

Sinkende Nachfrage

In den vergangenen Monaten erlebte die Elektromobilität einen Dämpfer. Mit dem Ende der staatlichen Prämie für E-Fahrzeuge tun sich die Händler weitaus schwerer, die Kunden vom Kauf eines eher teuren, mit Strom betriebenen Autos zu bewegen.

Deswegen wendeten sich in den vergangenen Monaten mehrere Konzerne von ihrer Strategie ab, in wenigen Jahren nur noch E-Autos zu produzieren. Neben Mercedes haben auch VW und BMW ihre Strategie revidiert.

Dennoch dürfen die Autobauer die Elektromobilität nicht vernachlässigen. Die Hersteller sind aufgrund der Rahmenbedingungen „gezwungen, die Fahrzeuge irgendwie in den Markt zu drücken, weil sie sonst Strafen zahlen müssen“, sagte der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest. Auf die deutsche Autoindustrie sieht er starke Umbrüche zukommen. Das geht offenbar nicht ohne Rückschläge, wie sich anhand der Krise beim VW-Konzern zeigt.



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