Ladesäule per Gesetz: Große Tankstellen sollen ab 2028 Strom anbieten
Die deutsche Bundesregierung will das Ladenetz für Elektrofahrzeuge massiv ausweiten. Jetzt hat sie dafür die bestehenden herkömmlichen Tankstellen ins Visier genommen. Zumindest für große Tankstellenketten soll es eine Versorgungsauflage geben.
Vor Kurzem brachte das Bundeskabinett eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg. Es betrifft voraussichtlich rund ein Dutzend Tankstellenkonzerne, die jeweils mindestens 200 Tankstellen in Deutschland betreiben, wie die „Tagesschau“ berichtet. Sie sollen ab Anfang 2028 an jeder ihrer Tankstellen mindestens einen öffentlichen Schnellladepunkt betreiben und Fahrern von E-Autos somit mehr Ladeflexibilität anbieten.
Ladeinfrastruktur ausweiten
Die Bundesregierung sieht in der Elektromobilität eine zentrale Rolle für den Klimaschutz. Mit der neuen gesetzlichen Verpflichtung erhofft sie sich rund 8.000 weitere Ladepunkte in Deutschland.
Nach Angaben des Ladesäulenregisters der Bundesnetzagentur gab es in der Bundesrepublik am 1. November 2023 genau 93.261 Normalladepunkte und 22.047 Schnellladepunkte. Ihre gesamte Ladeleistung beträgt knapp vier Gigawatt, also fast so viel, wie die drei letzten Atomkraftwerke, die im vergangenen Jahr vom Netz gingen.
Für viele Autofahrer ist die teils noch lückenhafte Ladeinfrastruktur ein häufig genanntes Argument gegen den Umstieg auf ein Elektroauto. Die meist geringere Reichweite der Stromer im Vergleich zu einem ähnlichen Verbrennermodell macht vor allem neue Routen zu einer ständigen Herausforderung für Fahrer von E-Autos. Rund 1,5 Millionen E-Autofahrern würde die Ausweitung der Ladeinfrastruktur laut dem Portal „Futurezone“ zugutekommen.
Die zur Pflicht werdenden frei zugänglichen Schnellladesäulen sollen dann eine Ladeleistung von jeweils mindestens 150 Kilowatt haben. Laut dem Tankstellenunternehmen Shell können diese Ladesäulen eine durchschnittliche Elektrofahrzeugbatterie auf 80 Prozent der Batteriekapazität in weniger als 30 Minuten aufladen.
Anzahl der Tankstellen in Deutschland nach Unternehmen | |
Aral | ca. 2.400 |
Shell | 1.947 |
Total | 1.157 |
ESSO | 933 |
AVIA | 897 |
JET | 815 |
Raiffeisen ohne BayWa | 718 |
ORLEN/star | 586 |
Eni/Agip | 474 |
Tamoil/HEM | 417 |
OMV | 270 |
Westfalen | 249 |
Hoyer | 241 |
Q1 Energie | 232 |
OIL! | 228 |
Die größten Tankstellenketten und die Anzahl ihrer Tankstellen in Deutschland (Stand: Mai 2023). Tabelle: mf/Epoch Times; Daten: Erich Doetsch Mineralölhandels KG, Aral
Geht die Rechnung auf?
Die Bundesregierung rechnet damit, dass sich die Anzahl aller E-Fahrzeuge in Deutschland bis 2030 auf 15 Millionen Zulassungen verzehnfachen wird, wie „Blackout News“ berichtet. Somit bestehe eine große Notwendigkeit, die Ladeinfrastruktur stark auszubauen. „Allerdings erfolgt dieser [Ausbau] bislang noch nicht flächendeckend und regional heterogen“, heißt es im Gesetzesentwurf. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies hierin auf eine noch bestehende Lücke im Ladenetz hin, die man schließen müsse.
Mit der gesetzlichen Verpflichtung für die Tankstellenketten will der Bund die Akzeptanz bei der Bevölkerung und die Verbreitung von E-Autos steigern. Die Maßnahme soll das Ladenetz dichter und besser erreichbar machen. Somit hofft die Regierung, dass die E-Autofahrer künftig nicht mehr auf verschiedene Apps zurückgreifen müssen, um die nächste Ladestation zu finden.
Doch bei genauerem Vergleich der Zahlen dürfte das Angebot an Ladesäulen auch künftig deutlich geringer bleiben als die Nachfrage. Denn diese Maßnahme an den Tankstellen bewirkt lediglich eine Steigerung der Schnellladestationen um 36,3 Prozent, also noch weit entfernt von einer Verdoppelung. Gleichzeitig soll sich die Anzahl der E-Fahrzeuge auf unseren Straßen wie bereits erwähnt verzehnfachen.
Somit könnte es künftig zwar insgesamt leichter sein, eine Schnellladestation zu finden, jedoch wäre viel Glück nötig, dass diese dann auch frei ist. Lange Warteschlangen wären nicht auszuschließen, was wiederum eine Steigerung der Akzeptanz infrage stellt. Für einen erfolgreichen Ausbau der Ladeinfrastruktur sind somit weitere begünstigende Umstände nötig.
Aral spricht von „Planwirtschaft“
Hinzu kommt, dass die Tankstellenkonzerne bereits Kritik an dem Beschluss der Bundesregierung üben. Achim Bothe, Vorstandschef von Aral, sagte:
Wir lehnen die geplante Versorgungsauflage ab. Das erinnert an Planwirtschaft und funktioniert nicht.“
Aral betreibt rund 2.400 Tankstellen in Deutschland und ist damit der größte Anbieter in Deutschland. Bothe ist der Ansicht, dass nicht jede Tankstelle in Deutschland eine Ladesäule bräuchte. Zudem teilte er mit, dass diese Art der Verpflichtung auch zu Fehlinvestitionen führe: „Wir sollten uns auf Standorte konzentrieren, an denen wir das größte Potenzial für Nachfrage und Nutzung sehen.“ Aral sei seiner Aussage bereit, an vielen der deutschen Aral-Tankstellen und weiteren Standorten solche Schnellladepunkte zu errichten. Allerdings sei sie an manchen Tankstellen nicht sinnvoll.
Kritik an dem Beschluss der Regierung äußerte auch der Hauptgeschäftsführer des en2x-Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie, Christian Küchen. Er teilte mit, dass die Tankstellenketten nur dort neue Ladestationen errichten wollten, wo es für E-Autofahrer sinnvoll sei. Das ist „nicht nur an Tankstellen, sondern auch an Supermärkten, am Straßenrand, zu Hause und am Arbeitsplatz.“ Aus Küchens Sicht ist der Zwang zur Ladesäule an Tankstellen lediglich „reine Symbolpolitik“.
Schon heute befänden sich laut Verbandsangaben bei zwei Dritteln aller deutschen Tankstellen eine Schnellladesäule im Radius von fünf Kilometern. Küchen ist der Ansicht, dass mehr Schnellladesäulen dort aufgestellt werden müssten, wo es absehbar eher wenig Nachfrage nach Ladestrom geben dürfte.
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