Merz: VW-Krise zeigt „dieser Bundesregierung endgültig, wo wir stehen“

CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert die Bundesregierung: VW zeige ihr, „wo wir stehen“. Bei den Mitarbeitern geht die Angst um den Arbeitsplatzverlust um.
VW steuert auf einen neuen Konflikt mit dem Betriebsrat zu: Um die Kosten zu senken, will der Konzern Werksschließungen und Entlassungen nicht kehr ausschließen.
VW steuert auf einen neuen Konflikt mit dem Betriebsrat zu: Um die Kosten zu senken, will der Konzern Werksschließungen und Entlassungen nicht mehr ausschließen.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 3. September 2024

„Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug“, kommentierte CDU-Chef Friedrich Merz die Sparpläne von Volkswagen bei einer Veranstaltung seiner Partei in Osnabrück. Merz mutmaßt, dass es möglicherweise ein Fehler war, dass sich der Automobilhersteller auf die Elektromobilität festgelegt hat, schreibt die „Welt“.

Merz: Keine konjunkturelle Frage des Weltmarktes

Der CDU-Chef sieht in den Sparmaßnahmen einen wirtschaftspolitischen Weckruf, da inzwischen viele Bereiche der Industrie in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig seien. In der Krise sieht er auch Bereiche wie Maschinenbau oder Chemie. Der Grund dafür seien hauptsächlich die politischen Rahmenbedingungen. Die jüngste Entwicklung beim Autohersteller, den dessen Vorstand als „Sanierungsfall“ bezeichnet habe, zeige nun auch „dieser Bundesregierung endgültig, wo wir stehen. Das ist keine konjunkturelle Frage des Weltmarktes“, betonte Merz.

Aus Sicht des „Focus“ sind es vor allem „verkrustete Strukturen“, die das Unternehmen belasteten, und nicht etwa die zurückhaltende Nachfrage nach Elektroautos. Das Magazin sieht als hauptsächliche Probleme ein „ausuferndes Lohnniveau“ und Entwicklungskosten, über die sich die Konkurrenten – allen voran China – „amüsiert“. Der 2022 ausgeschiedene CEO Herbert Diess habe immer wieder angemahnt, dass es zu viele Produktionsstätten und mit mehr als 650.000 Menschen auch übermäßig viele Beschäftigte gebe. Doch seien Effizienzprogramme stets „torpediert“ worden.

Sachsens Wirtschaftsminister: Verkaufsprämie wieder einführen

Vor dem Hintergrund möglicher Werkschließungen hat sich inzwischen auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zu Wort gemeldet und seine Unterstützung für die Standorte im Freistaat angekündigt. „Die Botschaft aus Wolfsburg hat uns alarmiert und stark getroffen. Der Freistaat steht zu allen sächsischen Standorten und fest an der Seite der Kolleginnen und Kollegen in Zwickau, Chemnitz und Dresden“, zitiert ihn die „Welt“.

Sachsen befürworte auch die Wiedereinführung einer Verkaufsprämie für Elektrofahrzeuge, die bereits gefordert werde. Um den Verkauf von E-Autos wieder anzukurbeln, hatte die Bundesregierung ein erneutes Förderprogramm beschlossen. Es tritt 2025 in Kraft, ist aber nur für Unternehmen und Selbstständige gedacht.

Bei den VW-Mitarbeitern geht inzwischen die Angst um. Die „Hessenschau“ hat mit Mitarbeitern und Gewerkschaftsvertretern in Baunatal (Landkreis Kassel, Nordhessen) gesprochen. Während die Angestellten um ihre Jobs fürchten („Einige von uns wird es treffen. Da gibt es kein ‚Warum?’“) gibt sich die Arbeitnehmervertretung kämpferisch. Carsten Büchling, Betriebsratschef im Baunataler Werk, kündigte an, dass man sich gegen Werksschließungen wehren werde. Die Beschäftigten seien seit 30 Jahren vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Dies sei inzwischen in Gefahr, sagt er.

Betriebsräte und IG Metall kündigen Widerstand an

Als „unverantwortlichen Plan“ bezeichnete sowohl VW-Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo als auch die IG Metall die Entscheidung der Konzernleitung scharf. Sie kündigten „erbitterten“ Widerstand an. Cavallo betonte: „Mit uns wird es keine Standortschließungen geben.“

Auch IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger forderte vom Vorstand statt Sparplänen die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie. Diese müsse das Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig machen und Arbeitsplätze sichern. In dem Zusammenhang forderte er eine attraktivere Produktpalette und die Optimierung von Abläufen. „Wir brauchen keine kurzfristigen Rendite-Rambos. Das Missmanagement der vergangenen Jahre darf nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden.“

Dass das Werk in Emden, der größten Stadt Ostfrieslands, geschlossen wird, glaubt der dortige Oberbürgermeister (Tim Kruithoff) nicht, berichtet der „Norddeutsche Rundfunk“ (NDR). Das parteilose Stadtoberhaupt begründete das mit der Investition von 1,3 Milliarden Euro, die der Konzern für den Umbau in ein reines Elektroautowerk investiert habe.

Durch den VW ID7 habe die Produktion deutlich zugelegt, sagt Betriebsrat Manfred Wulff. 750 bis 800 Autos werden ihm zufolge dort pro Tag gebaut. Die Auftragsbücher seien auch für das nächste Jahr bereits voll.

Tim Kruithoff befürchtet dennoch den Verlust von Jobs. „Deutschland steckt in einer tiefen Wirtschafts- und Industriekrise“, so der Oberbürgermeister. Das zeige die Entwicklung in der Region: „Erst Enercon, dann die Meyer-Werft, jetzt VW. Da droht einer ganzen Region Wohlstandsverlust.“

Wirtschaftsweise warnt vor staatlichen Rettungsmaßnahmen

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm spricht sich gegen eventuelle staatliche Rettungsmaßnahmen für den kriselnden Autobauer aus. „Der Staat sollte sich da raushalten“, sagte Grimm der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe).

„Der Staat hat durchaus eine Rolle, wenn es darum geht, den Strukturwandel zu begleiten. Da geht es um Umschulung und Weiterbildung und um die Entwicklung von Standorten, an denen die Produktion etablierter Unternehmen zurückgefahren wird“, so das Mitglied im Wirtschaftssachverständigenrat der Bundesregierung. „Direkt die Automobilindustrie zu retten, halte ich aber nicht für den richtigen Weg.“

Es könne durchaus zu Werksschließungen kommen, sagte sie. „Die Automobilindustrie ist in einem Strukturwandel.“ Sie habe zu lange in Brüssel lobbyiert, um die Transformation hinauszuschieben, kritisiert die Ökonomin. „Auch die deutsche Politik hat hier lange Zeit nicht vorausschauend agiert und vielleicht übersehen, dass die Asiaten einen schneller überholen könnten, als man damals gedacht hat.“ Auch jetzt stehe man sich „mit zahlreichen regulatorischen Anforderungen und geringer Technologieoffenheit weiter im Weg“.



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