Zum eigenen Vorteil: Viele EU-Abgeordnete lassen sich von Dritten bezahlen

EU-Abgeordnete verdienen gutes Geld. Das hält viele aber nicht davon ab, sich auf Reisen Hotels, Flüge oder andere Dinge von Interessensvertretern oder Drittstaaten spendieren zu lassen.
Zum eigenen Vorteil: Viele EU-Abgeordnete schlampen bei Transparenz
Der Plenarsaal im Europäischen Parlament in Brüssel.Foto: iStock
Von 13. Februar 2023

Übernachtungen in Luxushotels, Interkontinentalflüge, Eintritt zu Fußballspielen: Deutsche Europaabgeordnete lassen sich auf ihren Reisen so manches von Dritten bezahlen. Dabei verstoßen zahlreiche Politiker gegen ihre Offenlegungspflichten, wie eine Auswertung der „Deutschen Presse-Agentur“ ergibt. Im Zuge des Korruptionsskandals um das EU-Parlament sind solche „Aufmerksamkeiten“ verstärkt in den Fokus geraten.

Am Freitagnachmittag (10. Februar) verhafteten die Behörden laut einem Bericht des ZDF in Brüssel den Belgier Marc Tarabella. Am selben Tag nahm auch die italienische Polizei Andrea Cozzolino in Neapel fest. Gegen beide Europaparlamentarier wurde Haftbefehl wegen Korruption, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche erlassen. Konkret geht es um mutmaßliche Versuche Katars und Marokkos, die Politik der EU mit Geldgeschenken zu beeinflussen.

Umfrage bei deutschen Abgeordneten

Die deutsche Nachrichtenagentur dpa nutzte die aktuellen Vorfälle in der EU, um alle EU-Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien zu fragen, ob sie von Dritten bezahlte Reisen sowie Veranstaltungen und Geschenke in der laufenden Legislatur den internen Regeln des Parlaments zufolge korrekt offengelegt haben.

Laut Parlamentsregeln müssen Abgeordnete von Dritten bezahlte Reisen und Geschenke, die sie in bestimmten Funktionen erhalten, spätestens zum Ende des Folgemonats melden und in einem öffentlichen Register publizieren.

Dabei gibt es jedoch verschiedene Ausnahmen, welche die Parlamentarier teilweise selbst nicht komplett durchdringen. Mehrere Abgeordnete teilten beispielsweise dpa mit, sie lassen derzeit vom Parlament prüfen, ob von örtlichen Behörden aus Sicherheitsgründen gestellte Fahrzeuge bei einer Ukraine-Reise unter die Meldepflicht fallen.

Was sie sich bezahlen lassen

Die Liste ist lang: Katarina Barley, eine der Vizepräsidentinnen des EU-Parlaments, hat sich den Unterlagen zufolge im November 2021 eine Nacht im Frankfurter Luxushotel Villa Kennedy bezahlen lassen, als sie auf einem Presseball war.

Wenige Monate zuvor hatte die SPD-Politikerin eine Übernachtung im Fünf-Sterne-Hotel Le Méridien in Hamburg von der Organisation Strasburger Kreise bezahlt bekommen. Laut Website der Organisation hat sie in diesem Rahmen den 72 geladenen Gästen in ihrer Rede einen schonungslosen Blick auf die Europäische Union gegeben. Zudem war sie im Oktober 2021 bei einem Spiel des 1. FC Köln, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Auf die Fragen zu den Reisen teilte Barley mit: „Ich habe insgesamt 13 Reisen angemeldet – unbeschadet der Tatsache, ob sie meldepflichtig sind oder nicht.“

Für Lena Düpont von der CDU sind unter anderem drei Nächte im Imperial Hotel New Delhi im Rahmen der „Indo-German Women’s Leadership Initiative“ vermerkt. Das Hotel beschreibt sich selbst als bestes Fünf-Sterne-Hotel im Finanzzentrum Neu-Delhis. Drei Nächte im Royal Beach Hotel in Tel Aviv meldete sie den Unterlagen zufolge rund zwei Wochen zu spät. Bezahlt wurden sie von einer Organisation, die die deutsch-israelischen Beziehungen fördern will.

Andreas Schwab (CDU) ließ sich ebenfalls zwei Nächte in diesem Hotel bezahlen, aber unter anderem auch einen Business-Class-Flug nach New York. Er teilte mit, alle Reisen hätten in engem Zusammenhang mit Informationsbedürfnissen für konkrete Gesetzgebungsprojekte gestanden. Bernhard Zimniok von der AfD verbrachte im Oktober 2019 auf Einladung zwei Nächte in einem Luxushotel in Indien.

Die meisten Reisen, die mindestens in Teilen von Dritten bezahlt wurden, hat der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer offengelegt, davon alle fristgerecht, meist bereits nach wenigen Tagen.

Aus den Dokumenten zu den mehr als 20 Reisen geht hervor, dass die australische Regierung unter anderem für fünf Business-Class-Flüge und sieben Nächte in Hotels aufgekommen ist. Hintergrund ist den Angaben zufolge ein „Individuelles Special Visitors Programm“ für Bütikofer. Wie aus weiteren Angaben des Abgeordneten hervorgeht, hatte er dort fast jeden Tag Treffen, etwa mit Universitäts-, Regierungs- und Wirtschaftsvertretern.

Rund jeder fünfte Abgeordnete weicht Fragen aus

Insgesamt wurden 85 Abgeordnete gefragt, 69 haben pünktlich geantwortet, was rund 80 Prozent entspricht. Die mit je fünf Parlamentariern kleinsten deutschen Delegationen von FDP und Die Linke antworteten als einzige vollzählig. Von den 16 SPD-Abgeordneten antworteten zwei nicht auf die gestellten Fragen.

Von den Grünen gab es ebenfalls von zwei der 21 Abgeordneten keine pünktliche Rückmeldung, ein Abgeordneter meldete sich verspätet. Am geringsten fiel der Rücklauf (in absoluten Zahlen) bei der Union aus: Von 29 Mandatsträgern beantworteten acht die Fragen nicht. Anteilsmäßig antworteten die Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) am häufigsten nicht. Hier waren es vier von neun.

Von den mehr als 30 Abgeordneten, die Reisen oder Geschenke offengelegt haben, haben nur zehn alle Fristen sicher eingehalten. Bei 20 war dies nicht der Fall. Zudem haben 14 erst nach der dpa-Anfrage Reisen oder Geschenke offengelegt, die bereits vorher hätten deklariert werden können. Hier gibt es keine großen Unterschiede zwischen den Parteien. Mit dabei sind sowohl Sozialdemokraten, Unionspolitiker, Grüne und Liberale. Lediglich Linke und AfD fallen nicht auf. Wenn sich die Abgeordneten zu ihren Fehlern äußern, wird angegeben, die Fristen aus Versehen oder aus Unkenntnis versäumt zu haben.

Kritik von Antikorruptionsorganisation

„Die Abgeordneten nehmen die Erklärungen nicht ernst“, bemängelt Raphael Kergueno von der Organisation Transparency International. Es sei nicht überraschend, dass viele Erklärungen zu spät kämen. „Es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit“, so Kergueno.

Vermutlich wird es für die Abgeordneten nicht viel Konsequenzen geben. Denn über Strafen entscheidet die Parlamentspräsidentin. Jüngst war Roberta Metsola erst selbst in die Kritik geraten. Sie hatte eine von einer Weinbruderschaft für sie und ihren Mann bezahlte Nacht in einem französischen Luxushotel ebenfalls zu spät gemeldet. Von Sanktionen dafür sprach allerdings bislang niemand.

(Mit Material von dpa)



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