Fritz Vahrenholt: Wie die Bundesregierung Flugreisen ver(s)teuert und der Wirtschaft schadet
Die seit 2023 ungewöhnlich starke Erwärmung der globalen Temperaturen geht im Oktober 2024 leicht zurück, liegt aber weiterhin über dem langfristigen Mittel. Mit den möglichen Ursachen habe ich mich in meinem letzten Newsletter befasst. In alle Kürze sind dies vor allem El Niño, Hunga Tonga – und der Klimaschutz.
Die Messergebnisse dieses Monats können indes nicht mehr mit denen der Vormonate verglichen werden, da das Team um Dr. Roy Spencer von der University of Alabama einen der Messsatelliten, der keine belastbaren Ergebnisse mehr lieferte, aus der Berechnung ausgesondert hat. Da dieser Fehler schon einige Monate andauerte, sind die Ergebnisse entsprechend korrigiert worden.
Das führt zu etwa 0,1 Grad Celsius niedrigeren Werten. Der langfristige Erwärmungstrend liegt somit (wieder) bei 0,15 Grad Celsius pro Dekade oder 1,5 Grad Celsius pro Jahrhundert. Die Temperaturen der unteren Troposphäre im Oktober 2024 lagen +0,73 °C über dem Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Im September 2024 betrug die korrigierte Abweichung +0,80 °C. Dr. Spencer erklärte dazu auf seiner Website:
Der ältere NOAA-19-Satellit ist inzwischen zu weit durch den Tageszyklus gedriftet. […] Daher haben wir beschlossen, die Datenverarbeitung abzubrechen. […] Durch diese Änderung […] stimmen unsere berechneten globalen Temperaturen besser mit den RSS- und NOAA-Satellitendatensätzen der letzten 2–3 Jahre überein.“
Bundesregierung kassiert bei Flugreisen doppelt
Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, sprach Mitte Oktober Klartext: „Ich mache mir große Sorgen um die Anbindung unseres Wirtschaftsstandortes. Die extrem gestiegenen staatlichen Kosten im Luftverkehr führen weiter zu einem schrumpfenden Angebot. Immer mehr Airlines meiden deutsche Flughäfen oder streichen wichtige Verbindungen.“
Einer seiner Kritikpunkte: die von der Bundesregierung beschlossene Anhebung der Luftverkehrssteuer – auch Ticketsteuer genannt. Die Luftverkehrssteuer wurde unter Angela Merkel im Jahre 2011 beschlossen, als es noch keine CO₂-Abgabe für den Luftverkehr gab. Sie sollte abgeschmolzen werden und am Ende ganz entfallen, wenn der Luftverkehr am europäischen CO₂-Emissionshandelssystem teilnimmt.
Und tatsächlich war es nach Einführung des europäischen Emissionshandelssystems für den Luftverkehr jahrelange Praxis, die Kosten aus den CO₂-Zertifikaten bei der Luftverkehrssteuer anzurechnen. Daher kam es nicht zu einer Doppelbelastung des Flugverkehrs, denn die Luftverkehrssteuer wurde um den entsprechenden Betrag der CO₂-Zertifikate abgesenkt.
Nun steigen seit 2024 aufgrund der EU-Vorschriften die Kosten für die CO₂-Zertifikate für Flugreisen. Für die rund 7,6 Millionen Tonnen CO₂, die von Deutschland abfliegende Maschinen (außer Fernreisen) ausstoßen, sind dieses Jahr 125 Millionen Euro aufzubringen. 2025 sind es bereits 250 Millionen Euro. 2026 werden es 500 Millionen Euro sein – ausgehend von Preisen von heute 67 Euro pro Tonne CO₂.
Weil daher der Kürzungsbetrag für die Luftverkehrssteuer immer größer wurde, hat die Bundesregierung am 1. Mai 2024 die Verrechnung abgeschafft. Gleichzeitig hat sie die Luftverkehrssteuer um 25 Prozent angehoben. Wenn man also den Luftverkehr in Deutschland nachhaltig beeinträchtigen will, dann belastet man die Flugreisen doppelt:
- Es wird die Verrechnung von Luftverkehrssteuer und CO₂-Abgabe gestrichen und
- wird zusätzlich die Luftverkehrsteuer von 1,5 Milliarden Euro auf rund 2 Milliarden Euro angehoben.
Traumreisen finanzieren Wasserstoffträume der Bundesregierung
Dieses Geld, das die Flugreisenden zu berappen haben, landet im Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung, aus dem Solar- und Windkraftbetreiber subventioniert werden, wenn der Strompreis an der Börse nicht genügend Einnahmen abwirft. Auch diejenigen Unternehmen bekommen aus diesem Topf Geld, die sich auf die Traumreise in die Wasserstoffwirtschaft machen.
Denken Sie daran, wenn Sie bei der nächsten Fernreise 70,83 Euro Ticketssteuer zu bezahlen haben. Man hätte ja auch so reagieren können wie die konservative Regierung in Schweden. Sie hat die steigenden CO₂-Preise für den Luftverkehr zum Anlass genommen, die Luftverkehrssteuer zum 1. Juli 2024 vollständig zu streichen.
Und der nächste Alleingang der deutschen Bundesregierung zur Rettung der Welt auf Kosten des Flugverkehrs steht vor der Tür. Die EU hat beschlossen, dass ab 2025 zwei Prozent „klimaneutraler Treibstoff“, sogenannte SAFs (Sustainable Aviation Fuels) eingesetzt werden müssen, ab 2030 bereits sechs Prozent, 2050 sollen es 70 Prozent sein.
Hierzu gibt es zwei Verfahren der Herstellung. Zum einen kann SAF CO₂-frei aus Biomasse hergestellt werden. Zum anderen kann er aufwendig auf Basis grünen Wasserstoffs produziert werden. Dazu muss zunächst Wasserstoff durch Elektrolyse mittels Solar- und Windstrom erzeugt und dieser in einem zweiten Schritt per Fischer-Tropsch-Synthese mit CO₂ zu Kerosin umgesetzt werden.
Da es noch keine Anlagen gibt, um genügend Kraftstoff aus grünem Wasserstoff herzustellen, hat die EU den Einsatz von wasserstoffbasiertem Kraftstoff erst ab 2030 mit einem Anteil von 1,2 Prozent vorgeschrieben. Die Bundesregierung hat hingegen schon für 2026 eine Quote von 0,5 Prozent für den wasserstoffbasierten SAF-Kraftstoff vorgeschrieben. Bei Nichterfüllung sind Strafzahlungen fällig.
Hartes Erwachen?
Carsten Spohr beklagte für die Lufthansa, dass es diese Kraftstoffe bislang nicht in ausreichender Menge gibt:
Wir bräuchten etwa die Hälfte des deutschen Stroms, um genügend Kraftstoffe zu erzeugen“. Und weiter: „Ich glaube nicht, dass Herr Habeck mir das geben wird.“
Der Gesamtkerosinverbrauch der bundesdeutschen Fluggesellschaften – im Wesentlichen Lufthansa und ihre Töchter – betrug im Jahr 2023 insgesamt 9.707.797 Kubikmeter. Das entspricht einem Energiegehalt von 86 Milliarden Kilowattstunden beziehungsweise 86 Terawattstunden (TWh). Der energetische Wirkungsgrad der Erzeugung von Kerosin durch Wasserstoffelektrolyse auf Basis von Solar- und Windstrom und anschließender Synthese des Wasserstoffs mit CO₂ hat nach Angaben des Umweltbundesamtes einen Wirkungsgrad von 41 Prozent.
Demnach benötigt man 210 TWh Strom für die Erzeugung des Lufthansa-Kerosins. Das ist mehr als die Gesamterzeugung aus Photovoltaik und Windenergie in Deutschland im Jahre 2023. Bezogen auf die Gesamterzeugung von 450 TWh sind das 47 Prozent. Die Kosten wären mit über 1,50 Euro pro Liter übrigens dreimal so hoch wie für herkömmliches Kerosin. Letzteres kostet derzeit etwa 0,60 €/l.
Nun könnte man einwerfen, SAF lässt sich doch auch aus Biokraftstoff machen, etwa aus Rapsöl oder Sonnenblumenöl. Theoretisch ja, das hat die EU aber verboten. SAF darf keine „Tank-Teller-Konkurrenz“ darstellen und daher nur aus biogenen Abfällen stammen. Um die SAF-Quote dennoch erfüllen zu können, kauft die Lufthansa zurzeit sämtliches Frittenfett auf, das die Airline bekommen kann.
In Deutschland fallen jährlich gut 200.000 Tonnen an, überwiegend aus der Gastronomie. Wenn deutsche Fluggesellschaften dieses restlos für SAF verwenden würden, kämen sie auf einen Anteil von etwa 2 Prozent ihres Gesamtkerosinverbrauchs. Eine Quote von 6 Prozent im Jahr 2030 zu erreichen, erscheint kaum erfüllbar.
China Airlines, Turkish Airlines oder Emirates unterliegen indes nur bedingt den EU-Regeln, die damit hauptsächlich den einheimischen Unternehmen schaden – abgesegnet mit den Stimmen von CDU, SPD, Grüne und FDP im Europaparlament und der Bundesregierung.
Weniger ist mehr (Teil 1) – Wirtschaft
Höhere Steuern und teurer Sprit sind indes nicht genug. So erhöhte der rot-grüne Hamburger Senat die Flughafengebühr im nächsten Jahr – einem Wahljahr – für die Passagiere um 15 Prozent. Eine Erhöhung um 2,30 Euro werde kaum einer merken, wird man sich gedacht haben, die Bürger haben einfach keine Alternative. Außerdem beschloss der Senat, die Erhöhung erst nach der Wahl im März in Kraft treten zu lassen. Aber die Airlines reagierten, weil der Senat keine Vorstellung über die geringen Margen der Fluggesellschaften hatte.
Wenn Fluggesellschaften nur noch 20-30 Euro pro Passagier erlösen, bringen 2,30 Euro das Fass zum Überlaufen. Ryanair, Eurowings und Condor kündigten umgehend an, das Angebot aus Hamburg massiv zusammenzustreichen und ihre Maschinen dort fliegen zu lassen, wo sie günstigere Bedingungen vorfinden.
Im Ergebnis werden die Fluggäste schon im nächsten Sommer höhere Preise wegen des geringeren Angebots zu zahlen haben und der Flughafen wird etwa 500.000 Passagiere – und deren Umsätze – verlieren. „Geht doch!“, titelte die TAZ daraufhin und sprach im Angesicht der schrumpfenden Wirtschaft von einem „Gewinn für den Klimaschutz“.
Prognosen sind schwierig, vor allem für die Zukunft …
Die übertrieben alarmistischen Szenarien des „Weltklimarates“ IPCC habe ich bereits mehrfach kritisiert. Nur mit einer unrealistischen Verdreifachung der CO₂-Emissionen können mithilfe umstrittener Klimamodelle Temperaturprognosen von angstmachenden 3-5 Grad Celsius mehr für das Jahr 2100 errechnet werden (Szenario 8.5). Vorher würde der Menschheit jedoch der Kohlenstoff zum Verbrennen ausgehen, um derartige Emissionen zu erreichen.
Für die realistische Entwicklung der CO₂-Emissionen (Szenario 4.5) nimmt selbst das IPCC lediglich eine Temperatursteigerung um insgesamt 2,7 Grad Celsius an.
Wir wissen zwar von der Unzulänglichkeit der Klimamodelle, die Effekte, wie die erhöhte direkte Solarstrahlung aufgrund sich verdünnender Wolken in den vergangenen Jahren, nicht wiedergeben können, aber wir nehmen für einen Augenblick an, die IPCC-Modellrechnungen seien realistisch. Selbst dann gibt es Anlass, die Ergebnisse deutlich nach unten zu korrigieren.
Weniger ist mehr (Teil 2) – Weltbevölkerung
So geht das IPCC von einer Bevölkerungsentwicklung der Welt mit einem Peak im Jahre 2080 von 10,13 Milliarden Menschen aus. Selbst im Jahr 2100 wird noch mit einer Bevölkerung der Welt von 9,88 Milliarden gerechnet – 1,7 Milliarden Menschen mehr als heute. Die neuesten Schätzungen zeichnen bereits ein gänzlich anderes Bild.
Das weltweit anerkannte Institut für Gesundheitsdaten und -auswertung IHME der Universität von Washington nennt zwei Szenarien: In einer oberen Schätzung geht man von einem Peak von 9,7 Milliarden Menschen im Jahr 2064 aus, in einer unteren Schätzung von einem Peak von rund neun Milliarden Menschen im Jahr 2054. Letztere Prognose wird von dem Demografieexperten Jesús Fernández-Villaverde von der Universität von Pennsylvania gestützt. 2100 würden demnach etwa 3,5 Milliarden Menschen weniger auf der Erde leben als das IPCC annimmt.
Die Ursache für den Bevölkerungsrückgang ist die weltweite – und mit Verzug auch in Afrika – zurückgehende Kinderzahl unter die Erhaltungszahl von 2,1. Diese Entwicklung beginnt bereits 2030.
Das hat gravierende Folgen für die CO₂-Emissionen: weniger Menschen – weniger CO₂-Emissionen. Roger Pielke, ehemaliger Professor an der Universität in Boulder, Colorado, hat die Folgen durchgerechnet und kommt zu einer um 0,6 Grad Celsius geringeren Erwärmung für 2100 als in den IPCC-Modellen: 2,07 Grad Celsius.
Wäre das nicht eine gute Nachricht für die Delegierten der 29. Weltklimakonferenz, die vom 11. bis 24. November in Baku stattfindet?
Wer sagt es der Bundesregierung?
Im Pariser Klimaabkommens heißt es in Artikel 2: „Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, […] nachhaltige Entwicklung und […] Bemühungen zur Beseitigung der Armut zu verstärken, indem unter anderem […] der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.“
Die von Pielke ermittelte Erwärmung würde damit gerade am oberen Rand liegen. Die Einhaltung des Pariser Klimaziels ist demnach sehr wahrscheinlich, wenn wir auf dem sehr wahrscheinlichen Pfad der Emissionsentwicklung weiter fortschreiten: nämlich dem eines leichten Anstiegs der Emissionen bis 2050 und danach eines sukzessiven Rückgangs bis 2100 auf etwa die Hälfte der Emissionen. Das wäre ohne Wohlstandsverluste erreichbar.
Die Frage ist: Welcher Klimaforscher wagt es, der Bundesregierung diese Realitäten nahezubringen und damit ihren Kurs der Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen dieses Landes zu korrigieren?
Wenn es die Wissenschaft nicht tut, müssen es die Bürger tun und Politiker wählen, die aufhören, den Bürgern Angst einzujagen; die aufhören, die Bürger und Unternehmen in eine CO₂-freie Politik zu gängeln und die beginnen, den Bürgern das zurückzugeben, was sie verdient haben: Freiheit, Wohlstand und eine gute Zukunft.
Über den Autor:
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.
Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net
Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Die Klimapolitik verteuert die Urlaubsreisen der Bürger“. (redaktionelle Bearbeitung ts/Epoch Times)
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