Logo Epoch Times
Wenn das Netz der Speicher ist

EEG belastet Bundeshaushalt: Immer mehr Tage mit negativen Strompreisen

In Deutschland wird stetig mehr Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind erzeugt. Doch fehlende Speicherkapazitäten verhindern ein schnelles Marktgleichgewicht. Daher gibt es häufiger negative Strompreise, und das EEG macht dies für den Staat teuer.

top-article-image

Überlandleitung für Strom bei Bernburg, Sachsen-Anhalt.

Foto: Textbüro Freital

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 8 Min.

Der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland schreitet voran. Tageweise wird sogar mehr Strom aus Solaranlagen und Windkraft generiert, als überhaupt nachgefragt wird. Eine Folge davon sind negative Energiepreise – die auch dem Haushalt schaden, weil das EEG daran Konsequenzen knüpft.
Befürworter der Energiewende sehen dies als Indiz dafür, dass klimaneutrale Stromversorgung auch in einem modernen Industrieland flächendeckend möglich ist. Allerdings bedeutet dies nicht zwingend, dass die großen Mengen, die produziert werden, deshalb jedem Abnehmer exakt zu jener Zeit zur Verfügung stehen, zu der er sie benötigt.

EEG soll helfen, Anbieter erneuerbarer Energien von ungünstigen Marktlagen abzuschirmen

Die Probleme an einer ausschließlichen Versorgung aus erneuerbaren Energien sind weder neu noch unbekannt. Zum einen sind die Stromnetze nicht ausreichend ausgebaut, um regionale Versorgungsungleichgewichte auszugleichen. Diese bestehen beispielsweise zwischen dem Norden, wo regelmäßig ausreichend Wind vorhanden ist, um Energie aus Windkraft zu erzeugen, und dem Süden, wo dies seltener der Fall ist.
Zudem existieren nicht ausreichend Kapazitäten, um nicht benötigte Energie an Tagen mit ausreichend Wind und Sonne für Tage zu speichern, an denen beides nicht vorhanden ist.
Dies führt dazu, dass – frei nach einer Aussage der heutigen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock – nach wie vor „das Netz als Speicher“ fungieren muss. Das ist technisch unmöglich. Weil im Stromnetz Erzeugung und Verbrauch zu jedem Zeitpunkt in Waage stehen müssen, sind die Netzbetreiber daher gezwungen, an Tagen mit hoher Einspeisung und geringem Stromverbrauch nach zusätzlichen Abnehmern zu suchen – und notfalls dafür zu zahlen.
Abschalten von Kraftwerken oder Windparks ist in Zeiten des Angebotsüberschusses im Regelfall kein Thema. Dieser Schritt wäre regelmäßig teurer und komplizierter als der Weiterbetrieb bei negativen Preisen.

Im Ausland Geld verdienen durch Verbrauch von deutschem Strom

Die Netzbetreiber selbst bezahlen auch bei negativen Strompreisen weiterhin die Einspeisevergütungen an die Produzenten von erneuerbarer Energie. Nach dem EEG ist deren Höhe für die ersten 20 Jahre ab Inbetriebnahme einer Anlage garantiert. Ist der Marktpreis, zu dem der Strom verkauft wird, niedriger als der Garantiepreis, bezahlt der Staat die Differenz – aus Steuermitteln. Dies erfolgt über ein Konto, das im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eingerichtet worden war. Und auf diesem Wege können die Marktungleichgewichte auch auf den Bundeshaushalt eine belastende Wirkung entfalten.
Stromabnehmer sind dabei Unternehmen oder Akteure, die flexibel in ihrer Stromnutzung sind und den überschüssigen Strom abnehmen können. Meist sind das Stromgroßverbraucher in Industrie, Gewerbe oder Versorgungsbetrieben, die einen direkten Zugang zu Strombörsen haben. Aber auch ein Export ins Ausland kann in einer solchen Situation wirtschaftlich sein – mit dem Effekt, dass beispielsweise diese ihre eigenen Stromerzeugungsanlagen drosseln können.
Laut Frank Hennig, Fachmann für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, geht das so weit, dass österreichische Pumpspeicherwerke das Wasser aus den Oberbecken an der Turbine vorbeilaufen lassen, damit wieder Strom durch das Heraufpumpen verbraucht werden kann. Dank negativer Strompreise aus Deutschland verdienen sie dabei noch Geld.

Neuer Rekord an Tagen mit Auftreten negativer Strompreise

Negative Strompreise sind Teil eines üblichen Marktgeschehens. In der Vergangenheit sind sie maximal stundenweise aufgetreten, ehe sich Angebot und Nachfrage wieder eingependelt haben. Üblicherweise war dies an einzelnen Tagen der Fall – etwa Sonn- und Feiertagen mit geringerem Stromverbrauch.
Wie das „Handelsblatt“ unter Bezugnahme auf Daten der Bundesnetzagentur berichtet, war vom 9. bis zum 16. Mai in Deutschland jedoch eine neuartige Situation zu beobachten. So waren erstmals an acht aufeinanderfolgenden Tagen Stunden mit einem Marktpreis von null oder mit negativen Strompreisen aufgetreten. Der bisherige Rekord waren sechs Tage in Folge im Dezember 2023.
Je kurzfristiger die Strombörsen sind, umso häufiger treten Erscheinungen dieser Art auf. Aber je häufiger sie auftreten, umso belastender können sie potenziell für den Haushalt des Bundes sein.

Tage mit mehr Angebot als aktueller Marktnachfrage könnten sich mit Solarpaket I noch häufen

Grund dafür sind die Mechanismen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Diese sehen vor, dass der Staat die Produktion von Strom aus Wind und Sonne subventioniert. Um zu verhindern, dass die Erzeuger durch das Auftreten negativer Strompreise Schaden erleiden, steht diesen dafür ein Ausgleich zu.
Mittlerweile haben Einspeisungen aus Solar- und Windenergie an einigen Tagen ein Niveau erreicht, das zu unerwünschten Situationen an den Spotmärkten führt. Es kommt immer häufiger mehr Strom auf die kurzfristigen Märkte, als in der Kürze sinnvoll verbraucht werden kann.
Tendenziell dürfte es in den nächsten Jahren eher häufiger als seltener zu Situationen dieser Art kommen. Nicht nur der Ausbau von Windkraftanlagen wird voraussichtlich dazu beitragen. Das jüngst beschlossene Solarpaket I wird es auch für Normalbürger vereinfachen, Solarstrom vom eigenen Balkon aus zu erzeugen.
An sonnigen Sommertagen wird zwischen spätem Vormittag und Nachmittag der Preis von Strom an den kurzfristigen Märkten dadurch voraussichtlich häufig in den Keller stürzen. Je niedriger das Preisniveau insgesamt jedoch wird, umso stärker wird dies den Staatshaushalt belasten. Das EEG legt die Vergütungen für Betreiber von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien verbindlich fest.

Lindner rechnet mit zusätzlich erforderlichen Milliarden für Förderungen nach dem EEG

Eine Anpassung an ein verändertes Preisniveau ist nicht vorgesehen. Bereits jetzt hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) „Handlungsbedarf“ erkannt und erst am Donnerstag (16. Mai) anklingen lassen, dass möglicherweise bis zu neun Milliarden Euro mehr an Bundeszuschüssen über das EEG-Konto fließen müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte für 2024 ursprünglich zehn Milliarden Euro eingeplant.
Als kurzfristige Gegenmaßnahmen wären ein Bremsen des Photovoltaik-Ausbaus oder ein Unterbinden der Einspeisung von Solarstrom möglich. Ob dies politisch durchsetzbar wäre, ist fraglich, da Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien beharrt. Dieser stünde auch im Einklang mit Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz aus den Jahren 2021 und 2024.

„Agora Energiewende“ will mit flexiblen Stromtarifen gegensteuern

Simon Müller von der „Agora Energiewende“ will Batteriespeicher mobilisieren und mithilfe dieser dazu beitragen, Marktungleichgewichten entgegenzuwirken. Zudem solle es mehr Flexibilität und Dynamik in Stromtarifen und bei den Netzentgelten geben:
„Dadurch entstehen ökonomische Anreize, Flexibilität auch wirklich zu nutzen, weil Kunden Stromkosten sparen und gleichzeitig negative Preise seltener werden.“
Für den Verbraucher entsteht dadurch jedoch ein erhöhter Aufwand, um sich über eine optimale Stromnutzung zu informieren, die unliebsame Preisfolgen vermeiden hilft. In vielen Fällen würde das bedeuten, Stromverbrauch in nachfragearme Zeiten zu verlegen, etwa in frühe Morgenstunden.
Um den Ungleichgewichten von Angebot und Nachfrage gegenzusteuern, sehen Experten eine langfristige Umgestaltung des Stromsystems als unvermeidlich. Als mögliche Maßnahmen werden Sektorenkopplung, Abschaltungen unflexibler konventioneller Kraftwerke, mehr grenzüberschreitender Stromhandel, mehr Speicherkapazitäten und präzisere Prognosen für die Einspeisung von Wind und Photovoltaik genannt.
Dieser Artikel wurde am 23. Mai 2024 aktualisiert, um einen Fehler zu korrigieren und das Leseverständnis zu erhöhen.

Kommentare

Bitte einloggen, um einen Kommentar verfassen zu können

Manfred Thümlervor einem Jahr

Wenn mir der Staat die Abnahme zu einem Festpreis garantiert produziere ich soviel wie möglich - ob es gebraucht wird ist nicht mehr der Maßstab.

Wenn er mir keinen Festpreis gibt orientiere ich mich an den Bedarf.

Das erstere hat der Osten schon mal vor 40 Jahren probiert - es nannte sich Sozialismus.

Das die Grünen und die SPD das nicht kapieren verstehe ich - liegt wohl an der geringen Berufserfahrung.

Michael Abelvor einem Jahr

Konnte Keiner ahnen, hat auch Niemand gewusst oder gewollt. Immer wieder die Herren Keiner und Niemand.

Klaus Uttendorfvor einem Jahr

Wäre es nicht ein sinnvolleres Geschäftsprinzip, solchen "negativen Spotpreis" oder "Phantom-Strom" für die Erzeugung von stromintensivem Wasserstoff zu nutzen? (laut Bundesnetzagentur im ersten Halbjahr 2022 bereits 5.419 Gigawattstunden!)

Fördert darüber hinaus die Euphorie für den Ausbau von regenerativen Energien und damit die Verdrängung von Wärmekraftwerken nicht das Blackout-Risiko? Nur Wärmekraftwerke (Kohle, Atom) stabilisieren heute mit den gewaltigen Schwungmassen ihrer Turbinen und Generatoren die Stromnetze.

Zeitzeuge2vor einem Jahr

Nur zur Sache selbst: Der wirkliche Speicher ist die Kohle, im Winter nutzt die Schwungmasse wenig. Im übrigen wäre heute auch Gleichstrom eine Lösung (siehe HGÜ). Also bei aller berechtigter Kritik, man sollte auch nicht übertreiben: Die Aussage bezieht sich auf die Stabilität des Wechselstromnetzes. Im Hinblick auf Dunkelflauten ist dies jedoch unbedeutend, das Licht flackert etwas länger bis es ausgeht. Die Gasspeicher in der EU sind für ein Drittel das Jahresbedarfs ausgelegt, das ist die Dimension über die wir reden müssen, nicht über Turbinenschwungmassen. Diese DImnsion lässt aber auch den Wasserstoff alt aussehen.Es werden in dieser Diskussion leider soviele Seifenblasen in die Luft geblasen, dass der arme Betrachter das Platzen derselben nicht mehr beobachten kann, weil im die neu produzierten Seifenblasen das Blickfeld verstellen. Es ist höchste Zeit zu den Gesetzen der Physik zurückzukehrn.

loukvor einem Jahr

Richtiger wäre nicht der Freifahrtschein für die erneuerbare Erzeugung, sondern eine Regelung die festlegt, dass Strom bedarfsgerecht geliefert werden muss und schon wäre der Anreiz geschaffen, Speicher- und Backuplösungen zu implementieren und es würde dann noch etwas deutlich. Erneuerbarer Strom ist richtig teuer aber so will man es offensichtlich haben.