Aus der Traum vom grünen Wasserstoff? Laut Studie unrentabel für Deutschland
Erst vor zwei Wochen einigte sich die Bundesregierung auf eine neue nationale Wasserstoffstrategie. Damit will sie künftig den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland beschleunigen.
Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth teilte Ende Juli mit, dass er in der Umstellung auf grünen Wasserstoff große Chancen für die „starke, ingenieurgetriebene deutsche Wirtschaft“ sehe. Es seien Investitionen nötig, sagte er am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“, aber es gebe keine Alternative. Wasserstoff werde „enorme Kostenvorteile“ haben, „die sich im Augenblick noch nicht darstellen, aber auf längere Sicht wird das so sein“.
Unter „grünem Wasserstoff“ versteht man Wasserstoff, der aus Ökostrom und damit in direkter Form CO₂-neutral hergestellt ist. Die sogenannte Elektrolyse teilt dabei das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Das Produkt können die Betreiber dann ins Netz einspeisen oder direkt vor Ort nutzen.
Grüner Wasserstoff unrentabel
Jetzt stellt sich allerdings heraus, dass die „Kostenvorteile“ für Deutschland womöglich doch nicht so enorm sein könnten, wie Flasbarth sie einschätzte. Denn eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, die im Auftrag der EU-Kommission erarbeitet und am Dienstag veröffentlicht wurde, zeigt eher das Gegenteil.
Die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland werde sich finanziell nicht lohnen, so das Ergebnis der METIS3-Studie S5. Demnach würde bei kostenoptimaler Entwicklung bis zum Jahr 2050 keinerlei Elektrolysekapazität in Deutschland entstehen, berichtet der „Tagesspiegel“.
Die Forscher gingen dabei von zwei Szenarien aus: dem Elektrisierung-Szenario und dem Wasserstoff-Szenario. Die Wasserstoffnachfrage steigt im Elektrisierung-Szenario bis zum Jahr 2050 laut der Studie auf etwa 3.000 TWh. Im Wasserstoff-Szenario sind es rund 3.400 TWh. Das macht Wasserstoff zum zweitwichtigsten Energieträger nach Strom.
Null Gigawatt für Deutschland
Misst man die Entwicklung der Wasserstoffindustrie allein nach der Kosteneffizienz, dann hätte Deutschland bis 2050 null Gigawatt des grünen Wasserstoffs produziert – also nichts. Oder anders formuliert: Würde Deutschland 2050 tatsächlich Wasserstoff produzieren, müsste es bei diesem Geschäft Verluste machen. Diese würden dann möglicherweise durch Steuergelder ausgeglichen werden.
Das liegt laut der Studie an den Kosten für die lokale Produktion. In Deutschland, ebenso wie in Belgien, wären die Rohstoffe teurer als das Endprodukt (grüner Wasserstoff). Die Rohstoffe sind hierfür hauptsächlich der Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie die Industrieanlagen und die Energieinfrastruktur.
Einige Länder können Wasserstoff günstiger einkaufen, als sie ihn selbst herstellen. Weil diese Länder nahe den Orten seien, wo das Produkt günstiger erzeugt werde, sei es für sie rentabler, den Wasserstoff zu importieren, als ihn selbst zu produzieren.
Die meisten EU-Länder können grünen Wasserstoff kosteneffizient herstellen. Beispielsweise in Frankreich: Dort liege der optimale Produktionswert bei 130 Gigawatt (47 GW) und in Polen bei 47 GW.
Import vorprogrammiert?
Die Studie geht davon aus, dass bis 2050 rund 75 Prozent des Bedarfs an Wasserstoff vor allem in Nordeuropa anfallen werden. Dabei soll Deutschland mit 218 TWh der größte Verbraucher sein. Frankreich teilt sich den zweiten Platz mit den Niederlanden mit einem Bedarf von je 139 TWh. Anschließend folgen Belgien (94 TWh) und Großbritannien (87 TWh).
Das bedeutet, dass Deutschland – sofern es den begehrten Stoff nicht selbst ineffizient herstellt – seinen Bedarf künftig durch Importe aus dem Ausland decken muss. Somit wäre eine weitere Energieabhängigkeit von anderen Ländern vorprogrammiert.
Bund investiert dennoch in Entwicklung
Möglicherweise liegt der Bundesregierung die neue METIS3-Studie noch nicht vor. Denn im Rahmen des Klimafonds 2024 plant diese, die „grüne“ Transformation mehrerer Gesellschaftsbereiche mit insgesamt rund 57,6 Milliarden Euro zu fördern. Das berichten der „Spiegel“ sowie Nachrichtenagenturen. Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll im kommenden Jahr in dieser Höhe zur Verfügung stehen und die Energieversorgung, künftiges Wohnen und die Mobilität betreffen.
Der neue Entwurf stellt dem Bund rund 21,6 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als die Soll-Ausgaben des Jahres 2023 betragen. Das Kabinett könnte den KTF-Wirtschaftsplan demnach zeitnah beschließen.
Für den Aufbau der Wasserstoffindustrie stehen rund 3,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere zentrale Förderbereiche sind energieeffiziente Gebäude, die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Elektromobilität und die Halbleiterproduktion.
(Mit Material von AFP)
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