Professorin: Warum Langeweile für Kinder „großartig“ sein kann

Das Sprichwort „Kommt Zeit, kommt Rat“ trifft auch auf Kinder zu und belohnt sie mit reichlich Fähigkeiten für das spätere Leben. Kindern Raum für Langeweile zu geben, erfordert jedoch Übung – sowohl für Eltern als auch den Nachwuchs, denn auch freie Zeit gilt es zu strukturieren.
Warum Langeweile gut für Kinder sein kann
Sich der Langeweile zu stellen, kann anfangs für Erwachsene und Kinder etwas unangenehm sein, aber letztlich Neugierde und Kreativität fördern.Foto: FamVeld/iStock
Von 9. September 2024

„Mir ist langweilig“ – ein Satz, den viele Eltern und Betreuer unermüdlich vermeiden wollen. Dabei kann Langeweile das Tor zur Kreativität eines Kindes, seiner sozialen Entwicklung und sogar seiner Lebenskompetenzen öffnen.

Jamie Jirout, außerordentliche Professorin an der University of Virginia, USA, erforscht, wie sich Neugierde auf das Lernen von Kindern auswirkt. Sie hat herausgefunden, dass die Schaffung von Raum und Zeit für die Entfaltung der kindlichen Neugier zu einer Steigerung der Kreativität führen kann.

Neugier entsteht, wenn ein Kind eine Wissenslücke entdeckt und diese es dazu motiviert, nach Informationen zu suchen, um seine Unklarheit zu beseitigen. Kreativität entsteht, wenn Kinder neuartige und nützliche Ideen oder Produkte entwickeln“, erklärt Jirout.

Nicht verplante und bildschirmfreie Zeit mag für Kinder und Erwachsene ein wenig leer klingen. Laut Jirout können aber gerade diese Abschnitte eine großartige Gelegenheit für Kinder sein, Neugier und Kreativität zu entwickeln und Lebenskompetenzen zu erwerben. Dabei sind nicht nur Ferien eine ideale Zeit, sondern auch gewöhnliche Wochenenden und freie Stunden innerhalb der Woche, um die Routine zu unterbrechen.

Planung der unstrukturierten Zeit

Um Kindern Raum für Langeweile zu geben, braucht es ein wenig Übung, denn auch die freie Zeit gilt es zu strukturieren. Anstatt von Kindern zu verlangen, dass sie sich zwei Stunden lang beschäftigen oder sich Bildschirmen widmen, wo Kinder passiv beschäftigt sind, bietet Jirout einige Strategien für Struktur an.

Wenn Kinder nicht wissen, womit sie anfangen sollen, können Erwachsene eine oder zwei Aktivitäten vorschlagen – etwa das Bauen einer Kissen-Festung, eines Hindernisparcours oder eines Märchengartens. Dabei sollten Eltern die Ideen jedoch so allgemein wie möglich formulieren, um den Kindern einen gewissen Spielraum für Kreativität zu geben.

Eltern sollten nicht vorschreiben, ob die Aktivität drinnen oder draußen stattfinden soll, welche Materialien zu verwenden sind oder wie es aussehen muss“, erklärt Jirout. „Aber sie sollten dem Kind ein paar Ideen für den Anfang geben.“

Mit etwas Langeweile kommen Kinder auf kreative Ideen

Mit etwas Langeweile kommen Kinder auf kreative Ideen. Foto: FamVeld/iStock

Wenn sie fertig sind und fragen: „Und nun?“, dann können die Eltern ihre Kinder fragen, wie sie es anders machen könnten als gerade eben.

Wenn sie die Langeweile unangenehm empfinden, fangen sie vielleicht an, darüber nachzudenken, wie sie eine aufgemalte Fahrradstrecke spannender gestalten können oder wie sie die Herausforderung erhöhen können“, so die Professorin.

Von Langeweile zur Motivation

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Kinder ihre eigene Planung für ein paar Stunden aufstellen. Die Erstellung eines Zeitplans ist ein Beispiel dafür, wie Kinder in Zeiten der Langeweile ein Gefühl der Kontrolle und Selbstgestaltung erlangen können, was ihnen an einem typischen Schultag fehlt.

„Im Allgemeinen haben Kinder nicht oft die Möglichkeit, Dinge zu tun, die sie selbst tun wollen“, so Jirout. „Dabei ist ein Mensch am motiviertesten, wenn er die Möglichkeit hat, etwas zu tun, was er selbst gern tun möchte. Daher sollten auch Kinder diese Möglichkeit bekommen.“

Auch wenn diese Momente vielleicht nicht so bereichernd erscheinen wie geplante Freizeitaktivitäten, lernen Kinder laut der Forscherin dadurch viel über Problemlösung und kreatives Denken.

Wenn Kinder die Möglichkeit haben, das zu tun, was sie wollen, werden sie motiviert sein, sich intensiv mit etwas zu beschäftigen“, so Jirout. „Diese Motivation bietet ihnen dann eine Menge Erfahrungen und Möglichkeiten, verschiedene Fähigkeiten zu entwickeln, die sie in der Schule oder bei Familienausflügen im Allgemeinen nicht bekommen […].“

Aufbau von Fertigkeiten

Eine weitere Möglichkeit für das Entfachen von Neugierde und Begeisterung ist, wenn Eltern als Vorbilder fungieren und ihre Kinder in kreative Projekte einbinden. So können sie gemeinsam kochen und backen, malen, rätseln oder ein Puzzle lösen. Außerdem können Mütter und Väter die Kinder beim Basteln von Dekorationen für das Haus oder beim handwerklichen Bauen einspannen.

Basteln hilft gegen Langeweile

Zu jeder Jahreszeit und zu jedem Fest können Eltern mit ihren Kindern Dekorationen für das Zuhause basteln. Foto: Kostikova/iStock

Wenn ihre Ideen sie nach draußen führen, haben sie zusätzliche Vorteile wie körperliche Bewegung oder die Nähe zur Natur. „Bauen Kinder draußen eine Festung, müssen sie vielleicht herausfinden, woher sie verschiedene Baumaterialien bekommen und wie sie beständige Dinge baut. Dabei sammeln sie alle möglichen räumlichen und physikalischen Erfahrungen“, so Jirout.

Außerdem könnten die Kinder mit Freunden zusammen spielen, planen und tüfteln, was gut für die allgemeine Zusammenarbeit ist. Dies komme ihnen später in der Schule und vor allem im Erwachsenenalter sehr zugute, da es die soziale Entwicklung fördert.

„Jeder hat wahrscheinlich andere Vorstellungen davon, was er tun möchte“, erklärt die Professorin. „Sie [die Kinder] werden wahrscheinlich Entscheidungen aushandeln, was und wie sie etwas tun wollen und wie sie zusammenarbeiten können. Sie werden sich auch die verschiedenen Ideen der anderen anhören und voneinander lernen. Diese sozialen Fähigkeiten sind sehr wichtig.“

Von Langeweile zum Piratenschiff

Mit etwas Kreativität können Kinder aus einem einfachen Karton ihr eigenes Piratenschiff basteln. Foto: Jacob Wackerhausen/iStock

Aber auch für ältere Kinder kann Langeweile praktische Lektionen in Lebenskunde beinhalten. „Sie können zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu einem nahe gelegenen Geschäft gehen, ein paar Zutaten kaufen und dann nach Hause kommen, um zu kochen“, so Jirout.

Sich der Langeweile zu stellen, ist anfangs wahrscheinlich sowohl für Erwachsene als auch für Kinder etwas unangenehm. Mit etwas Übung kann Langeweile jedoch die Neugierde und Kreativität über Jahre hinweg fördern.



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