Mut zur Entdeckung nimmt bei Kindern ab, je unsicherer die Eltern sind
Den Mut, etwas Neues auszuprobieren, ist ein Risiko, das jedes Kind eingeht, wenn es die Welt erforscht und kennenlernt. Das Risiko kann zwar kostspielig sein, aber es kann sich auch in Form von Belohnungen oder Wissen auszahlen.
Die Forschung hat nun ergeben, dass Kinder ohne aktive Unterstützung ihrer Eltern in ihrem Leben weniger mutig sind, diese Risiken einzugehen – und zu diesen Erkenntnissen zu gelangen.
„Wenn sich Kinder in Sicherheit fühlen, weil es etwas zu essen gibt oder jemand zu Hause ist, der sie beschützt, werden sie neue Dinge ausprobieren“, erklärt Seth Pollak, US-amerikanischer Psychologieprofessor an der University of Wisconsin-Madison. „Und so entdecken Kinder die Welt und lernen sie kennen.“
Seine aktuelle Studie zeigte jedoch, dass dieser Mut zu Entdeckungen maßgeblich von den Eltern abhängt. So seien Kinder, „die nicht glauben, dass sie von verlässlichen Eltern unterstützt werden, weniger bereit, das Unbekannte zu wagen“. Und dies könnte sich sogar auf das Verhalten im späteren Erwachsenenalter auswirken.
„Was sich hinter einer Sache verbirgt, könnte Gold wert sein, aber man könnte auch in schlechte Situationen geraten“, so Pollak. „Du könntest am Ende ein schlechtes Essen bestellen oder etwas anfassen, das dich verletzt. Man könnte in einer schlechten Beziehung oder mit einer leeren Brieftasche enden. Wir dachten uns also, dass man sich nur dann trauen kann, etwas Neues auszuprobieren, wenn man das Gefühl hat, dass man unterstützt wird und relativ sicher ist.“ Oder mit anderen Worten: So erst
kann man es sich leisten, eine schlechte Entscheidung zu treffen.“
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Professor Pollak und Kollegen untersuchten die Entscheidungen von mehr als 150 Kindern im Alter von zehn bis 13 Jahren, indem sie bestimmte Spiele spielten. Diese Spiele wurden von Shawn Green, einem weiteren Psychologieprofessor der Universität, entwickelt. Sie boten den Kindern die Möglichkeit, gewisse Risiken einzugehen und nach möglichen Gewinnen zu suchen.
Bei einem der Spiele sollten die Kinder Äpfel in virtuellen Obstgärten sammeln. Je länger sie von ein und denselben Baum pflückten, desto mehr nahm der Gewinn ab. Waren die Kinder also – trotz der begrenzten Zeit, die sie hatten – mutig genug, neue Bäume mit unbekannter Belohnung zu suchen? Oder würden sie weiter den Baum abernten, den sie kannten?
Außerdem nahmen die Kinder und ihre Eltern an einer Reihe von Umfragen teil. Damit wollten die Forscher herausfinden, welchem Stress die Kinder ausgesetzt sind und wie wahrscheinlich sie von Scheidung oder Jobverlust der Eltern, Tod oder Krankheit in der Familie sowie Schul- und Wohnortwechsel betroffen sind.
Die Kinder sollten ebenfalls einschätzen, ob ihre Eltern vorhersehbar und zuverlässig sind oder nicht. Dabei ging es um Fragen wie: Wenn meine Eltern sagen, dass sie mich abholen, kann ich mich dann darauf verlassen? Halten sie ihre Versprechen ein? Und wussten die Kinder, wie ihre Eltern auf verschiedene Situationen reagieren würden?
Das Ergebnis war eindeutig. Je weniger verlässlich und vorhersehbar die Kinder ihre Eltern empfanden, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei ihren Spielen Risiken eingingen. Anstatt zu einem anderen Apfelbaum zu gehen, blieben sie also, wo sie waren.
Fehlender Mut bedeutet Stillstand statt Fortschritt
Insgesamt führten die Wissenschaftler das Experiment zweimal mit jeweils circa 80 Kindern durch. In beiden Fällen waren es die Kinder aus stabileren Verhältnissen, die in den Spielen mehr experimentierten.
„Sie nutzen das, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Dinge funktionieren, um vielleicht mehr Geld oder mehr Punkte zu bekommen“, sagt Pollak. Weiter sagte er:
Kinder aus instabilen Verhältnissen […] bleiben in einem engeren Bereich ihrer Möglichkeiten. Sie ziehen es vor, bei dem zu bleiben, was sie bereits wissen, auch wenn es begrenzt ist.“
Erstaunlicherweise scheinen jedoch lediglich die familiären Faktoren einen Einfluss auf Mut und Risikobereitschaft der Kinder zu haben. Ängste gegenüber dem Rest der Welt haben in der Studie dagegen keine Rolle gespielt.
„Ich denke, das ergibt Sinn“, sagt Pollak. „Ihre Gehirne tun genau das, was wir [Erwachsenen] von unseren Gehirnen erwarten, oder? Wenn man wirklich das Gefühl hat, dass die Dinge nicht vorhersehbar sind und man nicht weiß, wie sie ausgehen werden, hält man sich an das, was funktioniert und was man kennt. Man würde seine Ressourcen nicht für etwas verschwenden, das sich in Luft auflösen könnte.“
Offenheit für Entdeckungen sei nicht der einzige wichtige Aspekt der Kindheit, der durch Stabilität verbessert wird. So wurde bereits in früheren Untersuchungen gezeigt, dass eine stabile Kindheit auch für die Sprachentwicklung, Schlafqualität oder Stressregulierung wichtig ist.
Die Studie erschien am 27. November 2023 im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
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