Forschungen: Was beeinflusst die heutige Partnerwahl und welches Vorurteil ist falsch?

Ein Wischen nach rechts, ein Wischen nach links – nie zuvor schien es bei der Suche nach einem Partner fürs Leben mehr Möglichkeiten zu geben als heute, zumindest wenn man den Versprechen von Dating-Apps glaubt. Doch wie frei ist die Partnerwahl tatsächlich? Und wie frei die Entscheidungen, die wir später in einer Beziehung treffen?
Was beeinflusst unsere heutige Partnerwahl?
Einige Menschen bevorzugen bei der Partnersuche den direkten Kontakt mit Menschen, während andere zur Dating-App greifen.Foto: AntonioGuillem, grinvalds/iStock
Von 29. Januar 2025

Als Rose und Jack sich auf dem Deck der Titanic zum ersten Mal sehen, wissen die Zuschauer, was die beiden trennt. Sie, eine gebildete junge Frau aus der gehobenen Gesellschaft, und er, ein mittelloser Künstler. Gemeinsamkeiten? Fehlanzeige. Trotz dieser Unterschiede entzündet sich zwischen den beiden eine Liebe, die scheinbare Grenzen überwindet – auch wenn sie letztlich in einer Tragödie endet.

Die Literatur- und Filmgeschichte ist reich an Liebesbeziehungen über Standesgrenzen hinweg – viele enden tragisch. Ein Paradebeispiel ist Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“, wo die Beziehung zwischen dem adligen Ferdinand und der bürgerlichen Louise scheitert. Hätten Rose und Jack also trotz großer Liebe keine Chance gehabt?

In der Gesellschaftsordnung von 1912 wäre es für die beiden tatsächlich schwierig geworden. Auf der Suche nach einer Beziehung blieb Menschen kaum Wahlfreiheit. Außerhalb des eigenen Standes waren romantische Verbindungen kaum möglich.

Doch wie sieht es über 100 Jahre später aus? Hätten die beiden in der heutigen Gesellschaft eine höhere Chance auf das gemeinsame Glück? Reiner Zufall ist es auch heute nicht, mit wem Menschen eine Beziehung eingehen, denkt Julia Leesch vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock.

„Es gibt klar erkennbare Faktoren, nach denen Personen Partnerschaften eingehen“, erklärt die Gesellschaftsforscherin. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, welche Muster bei der Partnerwahl zu beobachten sind. Ganz frei in der Entscheidung seien wir dennoch nicht. Weiter sagt sie:

Wir sind abhängig davon, welchen Menschen wir begegnen. Außerdem ist entscheidend, welche eigenen Präferenzen wir mitbringen und von welchen Personen unser Interesse letztlich erwidert wird. Das schränkt die Wahlfreiheit schon einmal bedeutend ein.“

Begrenzte Freiheit

Dank Dating-Portalen scheint es potenzielle Partner nicht nur zu Tausenden zu geben, sondern sie scheinen auch rund um die Uhr verfügbar zu sein. In einer Umfrage gab die Hälfte der befragten 25- bis 34-Jährigen an, schon einmal Dating-Apps genutzt zu haben. Bei den 45- bis 54-Jährigen sind es noch 30 Prozent. Eine Studie der Universität Wien zeigt zudem, dass Dating-Apps den meisten Nutzern das Gefühl gibt, jederzeit viele potenzielle Partner zur Auswahl zu haben. Kurz gesagt, Dating-Apps vermitteln eine freie und nahezu grenzenlose Partnerwahl, zumindest auf den ersten Blick.

Frei von der „Marktsituation“, eigenen Präferenzen und ob diese wechselseitig bestehen, sind Nutzer auch online nicht, erklärt Leesch. Denn auch wenn der Pool immer erweitert wird, können doch auch hier nicht alle ihrer Wunschvorstellung beliebig folgen.

„Forscher haben das Verhalten von Nutzern untersucht und entdeckt, dass Männer mit zunehmendem Alter bevorzugt jüngere Frauen anschreiben. In der Realität gibt es aber vergleichsweise wenige Beziehungen mit großem Altersunterschied zwischen den Partnern. Eine vermeintlich größere Auswahl führt in Sachen Partnerwahl daher nicht unbedingt ans Ziel“, so Leesch.

Bei der Partnerwahl ist Schönheit weniger wichtig

Welche Kriterien bei der Partnerwahl eine besonders wichtige Rolle spielen, untersuchte Tanya Horwitz aus den USA. Die Ergebnisse aus 199 Studien machen deutlich: Ob wir uns eine Beziehung mit einem anderen Menschen vorstellen können, entscheiden nicht etwa Ausstrahlung, Humor oder die schönen Augen des Gegenübers. Die größten Gemeinsamkeiten zeigten die untersuchten Paare vielmehr bei relativ unromantischen Faktoren. Ganz oben stehen dabei das IQ- und Bildungsniveau sowie das Trink- und Rauchverhalten.

Auf Persönlichkeitsmerkmale wie introvertiert oder extrovertiert kommt es anscheinend weitaus weniger an. Ein Ergebnis, das viele auf den ersten Blick überrascht, später aber häufig nachvollziehbar ist. Schließlich könnten Menschen stärker darauf achten, wie man in einer Beziehung gemeinsam Zeit verbringt und für welche Werte die andere Person steht. Unterschiede bei den Charakterzügen scheinen Paare eher auszugleichen.

Die zweite zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass die Liebesgeschichte von Jack und Rose auch in der heutigen Zeit vermutlich kein gutes Ende genommen hätte: Denn dass Gegensätze sich anziehen, scheint bei der Partnerwahl ein Mythos zu sein. Die überwältigende Mehrheit der untersuchten Paare zeige vielmehr eine große Bandbreite an Gemeinsamkeiten.

So gab es bei den Paaren kaum grundlegende Unterschiede – vor allem beim sozialen Status. Dies ist nicht überraschend, da viele Menschen in ihrem sozialen Umfeld agieren und dort vermehrt Personen treffen, die ihnen ähnlich sind.

Und die Bildung?

Wie dieser Faktor die Wahl des Partners beeinflusst, hat Julia Leesch untersucht. „Bildung ist auch ein Indikator für Dinge wie Einkommen, Werte oder Lebensstil und umfasst daher mehr als nur die Frage nach dem Bildungsabschluss“, so Leesch.

Sie hat irische Daten zu rund 100.000 in einer Partnerschaft lebenden Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren ausgewertet. Auch hier zeigte sich: Gleich und gleich gesellt sich gern. Im Jahr 2016 hatten etwa 60 Prozent der analysierten Frauen einen Partner mit demselben Bildungsstand. Experten sprechen bei diesem Phänomen von „Bildungshomogamie“.

Ist das reiner Zufall? „Vermutlich nicht“, sagt Leesch. Kombinierten die Forscher rein zufällig Personen aus dem Datensatz zu fiktiven Paaren, hatten nur noch 40 Prozent denselben Bildungsstand. Der Trend zur Bildungshomogamie lasse sich heute in vielen europäischen Ländern nachweisen. Dies sei vor allem durch die wachsende Anzahl von Personen mit höheren Abschlüssen zu erklären, so Leesch.

Es spielt eine große Rolle, wer bei der Partnerwahl überhaupt zur Verfügung steht. Wenn viele Menschen das gleiche Bildungsniveau haben, wird es auch viele Paare geben, bei denen beide den gleichen Bildungsgrad haben.“ Vielleicht spielt auch der gemeinsame Bildungs- oder Arbeitsort eine Rolle beim Kennenlernen des anderen.

Dass diese Ähnlichkeit innerhalb von Beziehungen eine wichtige Rolle spielt, zeigen Studien. „In der Vergangenheit war es so, dass Ehen, in denen die Frau eine höhere Bildung besaß als der Mann, ein größeres Scheidungsrisiko hatten“, so Leesch.

Hätten also Jack und Rose das Schiffsunglück beide überlebt und geheiratet, wäre die Wahrscheinlichkeit einer Scheidung wohl sehr hoch gewesen. Zumindest wären auf das Filmpaar zahlreiche sehr große Herausforderungen zugekommen. Denn die Bildung prägt auch weitere Entscheidungen über den Lebensweg massiv, zum Beispiel die Entscheidung, ob und wann ein Paar Kinder bekommt.

Spagat zwischen Geld und Kinderwunsch

Den Aspekt, wie die Partnerschaft weitere Lebensentscheidungen beeinflusst, untersuchte Nicole Hiekel, Leeschs Kollegin am MPI in Rostock. „Hochgebildete wollen in der Regel später Kinder […], auch weil ein Studium meist nicht mit einer Familiengründung kompatibel erscheint und sie erst in höherem Alter in den Arbeitsmarkt einsteigen“, so Hiekel.

Hierfür seien auch sich wandelnde gesellschaftliche Rahmenbedingungen verantwortlich. Denn vor allem für Frauen habe sich die Bedeutung von Partnerschaft, Kind und Familie grundlegend verändert. „In der Vergangenheit waren Frauen meistens von ihren Ehemännern finanziell abhängig. Aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen hinsichtlich der Geschlechterrollen konnten sie daran auch wenig ändern.“

Die Bildungs- und Arbeitssituation der Frauen hat dazu geführt, dass sie heute in Partnerschaften finanziell unabhängiger sind. „Frauen legen heute mehr in die Waagschale. Auch für Männer ist es heute wichtiger, dass die Partnerin zum Haushaltseinkommen beiträgt. In diesem Punkt sehen wir eine Angleichung der Geschlechter“, resümiert Hiekel.

Die wachsende finanzielle Unabhängigkeit beeinflusst nicht nur die Partnerwahl, sondern auch die Entscheidung, eine Beziehung zu beenden: Für die meisten Menschen ist eine Partnerschaft oder Ehe heute viel mehr als eine Versorgungsgemeinschaft.

Die Bedeutung der Beziehung für die persönliche Entfaltung ist wichtiger geworden“, stellt Hiekel fest.

Das verändert auch die Erwartungen an eine erfolgreiche Beziehung. Fühle ich mich meinem Partner nah? Spüre ich Wertschätzung? Insbesondere der Wunsch nach emotionaler Intimität hat heute einen deutlich höheren Stellenwert. Bleibt diese Erwartung unerfüllt, stehen die Zeichen für den Bestand einer Beziehung schlechter als in früheren Zeiten.

Anspruchsvoller als früher

Heute wollen freie Menschen stärker ihre Identität verwirklichen. Dies geht neben Partner- und Elternschaft vor allem auch in Hobbys oder Freundschaften. Dennoch sind ernsthafte und stabile Beziehungen für die meisten ein zentrales Lebensziel.

„Für viele hat die Vorstellung von emotionale Nähe zu einer Person immer noch einen hohen Stellenwert. Und auch dahinter steht heute eine Art von Selbstverwirklichung, die Menschen in der Vergangenheit nicht selbstverständlich zugestanden wurde“, so Hiekel.

Gleichzeitig schafft der neu gewonnene Gestaltungsspielraum aber auch neue Herausforderungen. „Freiheit heißt auch, dass jeder eine große Verantwortung übernimmt, die eigene Beziehung nachhaltig zu gestalten.“ Dazu gehöre auch, auf die Bedürfnisse und Wünsche des anderen zu achten und dafür brauche es allem voran Kommunikationsfähigkeit, erklärte Hiekel.

„Das ist anspruchsvoll, und da sind Menschen nicht mit den gleichen Kompetenzen ausgestattet.“

Wem ist eine feste Bindung wichtiger – Mann oder Frau?

Die meisten gehen vermutlich davon aus, dass romantische Beziehungen für Frauen wichtiger sind als für Männer. Jedenfalls sind Liebesbeziehungen in Frauenzeitschriften ein wesentlich beliebteres Thema als in Männerzeitschriften. Aber ist das in der Wirklichkeit auch so? Sind feste Beziehungen tatsächlich wichtiger für Frauen?

Iris Wahring von der Humboldt-Universität zu Berlin und ihre Kollegen haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Die Ergebnisse aus mehr als 50 Studien zu Geschlechterunterschieden in Beziehungen lieferten einige überraschende und unerwartete Einsichten.

Männer sind offenbar tendenziell stärker darauf fokussiert, feste Beziehungen einzugehen. Außerdem wirken sich diese Beziehungen bei Männern positiver auf Wohlbefinden und Gesundheit aus als bei Frauen. Selbst die Lebenserwartung von Männern hängt stärker davon ab, ob sie in einer festen Beziehung leben, als das bei Frauen der Fall ist“, sagt Iris Wahring.

Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass Männer in festen Beziehungen seltener die Trennung herbeiführen, danach mehr Einsamkeit empfinden und weniger dazu neigen, die positiven Seiten der Trennung zu sehen.

„Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass Frauen typischerweise mehr emotionale Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld erhalten als Männer. Daher sind Männer stärker von ihrer festen Partnerin abhängig, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen. Kurz gesagt, feste Beziehungen sind psychologisch wichtiger für Männer als für Frauen“, erklärte Wahring. Ohne eine Partnerin fehle es Männern daher oft an sozialen Kontakten, also Menschen, denen gegenüber sie sich öffnen können und die sie emotional unterstützen.

(Mit Material des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung)



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