Falun Gong: Der Mann, der Chinas Zensur durchbrach (Teil 1)
Er war der Verbindungsmann zwischen chinesischen Folteropfern und westlichen Korrespondenten: Mit Hilfe des Pekinger Informatikers Yu Chao wurden Interviews geführt, die niemals hätten stattfinden sollen. Reportagen des Wall Street Journal und der Washington Post wurden durch ihn möglich. Seinen Kampf für die Pressefreiheit bezahlte Yu mit zehn Jahren Gefängnis (ausführlich geschildert in Teil 2).
Sie verschlüsselten Emails, beobachteten Mc-Donalds-Filialen und entwarfen Taxi-Fluchtpläne: Was ein Grüppchen von sechs Pekinger Falun Gong-Praktizierenden unternahm, um Treffen zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Folteropfern zu arrangieren, klingt wie aus einem James Bond-Film.
Interviews mit politisch Verfolgten zu führen, war im kommunistischen China schon immer schwierig – und für alle Beteiligten gefährlich. Dementsprechend war es für westliche Medien fast unmöglich, nach Beginn der Verfolgung von Falun Gong im Jahr 1999 mit den betroffenen Chinesen zu kommunizieren.
Trotzdem gelang das Unmögliche. Von Juli 2000 bis August 2002 hatte Yu Chao aus Peking, damals Ende 20 und Informatiker einer internationalen Firma, mehr als zehn Interviews arrangiert: In der Anonymität der Millionenmetropole, mit der Lebensgefahr vor Augen. Das Ergebnis waren Reportagen, die den Opfern eine Stimme in der Weltöffentlichkeit gaben – unter anderem in der Washington Post und dem Wallstreet Journal.
Das Untergrund-Team für Presse-Freiheit
Yu Chao und der mit ihm befreundete Wang Weiyu hatten ein kleines Team gegründet, um die Informationsblockade des Regimes zu umgehen. Sie glaubten fest daran, dass Berichte ausländischer Medien der chinesischen Bevölkerung helfen könnten.
„Die Zusammenarbeit mit westlichen Journalisten war damals sehr gefährlich“, sagt Wang, „und in der Tat hatte ich große Angst. Es war sehr schwierig, weil die kommunistische Führung ausländische Journalisten, die in China lebten, ständig beschattete – besonders in den Jahren 2000 bis 2002.“ Wie also kommunizieren, ohne dass es aufflog?
Eine spezielle Behörde, das „13. Büro“, ist in China allein dafür zuständig, die Aufenthaltsorte ausländischer Journalisten im Auge zu behalten. Sobald ein Reporter in ein Hotel eincheckt, ruft der dortige Empfang sofort das „13.Büro“ an, um die Ankunft zu melden.
Auch das Abhören von Telefonen gehört zur Routine
„Chinesische Agenten folgten den Reportern auf Schritt und Tritt. Einige Reporter waren durch die offensive Beschattung sogar in ihrem Privatleben eingeschränkt“, so Dana Cheng, US-Bürgerin mit chinesischen Wurzeln. Von Amerika aus half sie, den Kontakt herzustellen zwischen Yus Team und den Korrespondenten.
Das Team dachte sich eine Strategie mit verschlüsselten E-Mails und Dateien aus. Yu half den Journalisten, Files in bis zu dreißig Einzelteile aufzuteilen und downzuloaden. Dies war ihr Hauptkommunikationsweg. Sie kontaktierten Medien wie das Time Magazine, die BBC, die Washington Post, Associated Press und das Wall Street Journal. Einige Reporter reisten extra nach China, um über die Verfolgung zu berichten. Viele hatten bereits ein Büro in Peking.
Handys kamen auch zum Einsatz, jedoch mit ständig wechselnden SIM-Cards. Immer 30 Minuten vor einem Telefonat wurde die SIM-Card gewechselt.
Riskante Begegnung bei Mc Donald´s
Wenn das Treffen näher rückte, wurde es ernst: Stets gab es zwei Orte, die von Wang mehrfach ausgekundschaftet und auf ihre Sicherheit überprüft worden waren.
Der erste Treffpunkt diente dazu, herauszufinden, ob der Journalist von Agenten verfolgt wurde – und wenn ja, von wie vielen. Mc Donald´s-Filialen waren hierfür wie geschaffen: Durch die großen Fenster konnte man gut die Straße überblicken und beobachten, wer ins Lokal kam. Leute, die länger davor standen ohne hinein zu gehen, waren verdächtig.
Der Journalist hatte die Anweisung, ohne Essen zu kaufen, direkt in die zweite Etage zu kommen, wo das Team wartete. Wäre ihm jemand direkt gefolgt, hätte er sich nicht zu erkennen gegeben. Oft trafen sie eine Vor-Ort-Entscheidung, ob das Meeting stattfand oder nicht.
Die Chancen erwischt und verhaftet zu werden waren hoch. Manchmal hatte ein einziger Journalist bis zu sechs Agenten-Gruppen an den Fersen. Dann fuhr er mit dem Taxi zu einer Stelle, wo er sein Gefolge abschütteln konnte – zum Beispiel stieg er in einer Sackgasse aus, die in einem Fußgängertunnel endete. Fahrzeuge hatten dann keine Chance, ihm weiter zu folgen. Am Ende des Tunnels wartete schon das nächste Taxi auf ihn.
Innerhalb von zwei Jahren arrangierten Yu und sein Team ein dutzend Gespräche zwischen Falun Gong-Praktizierenden und ausländischen Reportern. Rund 20 Folteropfer wurden interviewt – und immer lief es glatt und sicher für alle Beteiligten ab.
Sie bezahlten mit ihrer Freiheit
„Es waren nur ein paar von uns, die gegen den Staat und die Stasi arbeiteten“, sagte Yu. „Wir wussten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis wir alle verhaftet würden.“ Je mehr Informationen sie an die Journalisten herausgaben, desto riskanter wurde es. „Für uns war das ein Balance-Akt zwischen unserer persönlichen Sicherheit und dem Schutz der grundlegenden Menschenrechte“, sagt Yu, der damals schon eine Frau und einen kleinen Sohn hatte.
Er war nie vor Ort, um einen Reporter zu treffen. Er organisierte das ganze nur per Email. Manche der chinesischen Interviewpartner wurden später festgenommen – einige davon, weil sie nicht aufhörten, öffentlich gegen die Verfolgung zu protestieren.
Im August 2002 wurden Yu, sein Mitstreiter Wang und ihre Ehefrauen festgenommen. Yu hatte es erwischt, weil er nicht nur der Kopf des „Teams für Pressefreiheit” gewesen war, sondern auch eine Untergrund-Druckerei betrieb, die 700.000 Flugblätter gegen die Verfolgung produziert hatte.
„Zwei meiner dortigen Mitstreiter wurden festgenommen und vielleicht haben sie meinen Namen genannt“, sagt Yu. Er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, Wang zu acht Jahren und sechs Monaten. Im Jahr 2013 gelang beiden Männern die Flucht in die USA. Dort erzählten sie erstmals von ihrer abenteuerlichen Arbeit – und den schrecklichen Jahren im Gefängnis.
Heute haben sich die Medienbeschränkungen in China nur geringfügig gelockert, zum Beispiel wurden die Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „Never Sorry“ über den Künstler Ai Weiwei erlaubt. Korrespondenten, die kritisch berichten, kämpfen jedoch weiterhin mit Visa-Ablehnungen und Restriktionen. Die noch immer andauernde Verfolgung von Falun Gong ist nach wie vor Tabuthema Nummer 1 und Informationen dazu werden mit allen Mitteln unterdrückt.
Falun Gong: Der Mann, der Chinas Zensur durchbrach (Teil 2)
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