Kann eine Bio-Brennstoffzelle eine Kläranlage zum Kraftwerk machen?

Forscher der TU Clausthal wollen in einer Kläranlage Strom aus Abwasser gewinnen. Für ihren innovativen Ansatz erhielten sie vor sieben Jahren den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Was ist seitdem daraus geworden?
Luftbild einer Kläranlage
Kläranlagen benötigen üblicherweise etwa ein Fünftel der kommunalen Stromerzeugung. Eine nicht mehr ganz neue Technik soll dies ändern und die Abwasserbehandlung zum Kraftwerk machen.Foto: DedMityay/iStock
Von 25. Oktober 2024

Eine Forschergruppe aus Clausthal hat eine Brennstoffzelle entwickelt, mit der sich aus Abwasser einer Kläranlage sauber erzeugter Strom gewinnen lässt. Dafür gab es im Jahr 2017 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Forschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Damals förderte das Ministerium das Projekt „BioBZ“. Dabei handelte es sich um eine bio-elektrochemische Brennstoffzelle als Baustein für eine Abwasserbehandlungsanlage zur Erzeugung von elektrischem Strom. Gewöhnlicherweise beanspruchen Kläranlagen laut Umweltbundesamt rund 20 Prozent des kommunalen Stromverbrauchs. Die Brennstoffzelle könnte also ein bedeutender energetischer Fortschritt sein.

Doch was ist seitdem daraus geworden? Gerade in Zeiten einer Energiekrise und bei gleichzeitiger Abschaltung von Kern- und Kohlekraftwerken wäre jede neue umweltfreundliche Kraftwerksart dringend vonnöten. Auch weil Deutschland seit über einem Jahr Nettostromimporteur ist, also deutlich mehr Strom aus dem Ausland importieren muss, als es exportieren kann.

Erprobungsphase läuft

Epoch Times fragte beim BMBF nach, was daraus geworden ist. Eine Sprecherin sagte, dass aktuell das Anschlussvorhaben „Demo-BioBZ“ läuft. Das Konzept werde also „im technischen Maßstab“ weiterentwickelt und erprobt. „Im laufenden Jahr wird zu diesem Zweck auf dem Gelände der Kläranlage Goslar eine Demonstrationsanlage errichtet“, so die Sprecherin.

Das Projekt begann Anfang 2020 und soll Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Ein Ziel des Projektes ist, den Nachweis einer energieproduzierenden Abwasserbehandlung mit vollständiger Kohlenstoff- und Stickstoffelimination im technischen Maßstab für 300 Einwohnerwerte (EW) zu erbringen.

300 EW ist dabei eine eher kleine Kläranlage auf kommunaler Ebene. Die Einheit gibt an, wie viel Material in der Anlage behandelt wird. Als Bezugsgröße werden die Abwässer einer Person – eines Einwohners – herangezogen. Werden lediglich Abwässer aus Industriegebieten behandelt, wird die Menge auf Einwohnerwerte umgerechnet. Der Versuch bezieht sich also auf eine Kläranlage, an die rund 150 Haushalte angeschlossen sind.

Nach Aussage von Prof. Michael Sievers, Abteilungsleiter für Abwasserverfahrenstechnik beim CUTEC Forschungszentrum der TU Clausthal, hat sich das Projekt verzögert. Er teilte der Epoch Times mit: „Die Zeitplanung für die Errichtung der Demo-Anlage war von vornherein auf vier Jahre festgelegt worden, weil nach wie vor ein hoher Entwicklungsbedarf für verschiedene Komponenten vorlag.“ Wegen der Corona-Pandemie und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Elektronikbauteilen habe sich der Bau der Demo-Anlage um ein Jahr verlängert.

Das BMBF betonte ebenso die verstärkte Reinigung des Wassers. Die Brennstoffzelle reduziert „die organische Fracht durch den mikrobiellen Abbau, sodass sich der Reinigungsaufwand in den nachfolgenden Stufen verringert“. „Forschungsgegenstand sind ferner die Elimination von Stickstoff sowie die Entfernung von Mikroschadstoffen“, erklärte das Ministerium.

Ablauf in der Kläranlage

Im Verfahrensprozess läuft das Abwasser zunächst durch eine Vorklärung. Laut Sievers kommen hier die üblichen Vorbehandlungsverfahren Rechen und Sandfang der technischen Kläranlage zum Einsatz. Das entferne Grobstoffe und Sand. „Das muss immer passieren, damit die Abwasseranlage, egal welche, vor Verstopfung und (Pumpen-)Verschleiß geschützt wird“, so der CUTEC-Abteilungsleiter.

Anschließend fließt das Abwasser weiter zur Bio-Brennstoffzelle, wo die Stromerzeugung erfolgt. „Das Abwasser nach der Bio-Brennstoffzelle wird biologisch nachbehandelt, weil die Bio-Brennstoffzelle nur einen Teil der organischen Schmutzstoffe abbaut“, erklärte Sievers.

Verfahrensfließbild der DEMO-BioBZ-Pilotanlage. Foto: CUTEC

Auch die Nachbehandlung benötigt Energie, jedoch deutlich weniger als üblich, erläutert Sievers. Im Ablauf der Brennstoffzelle sei das Abwasser nicht sauberer, im Ablauf der gesamten Brennstoffzellanlage dürfte es vergleichbar sauber sein, schätzte er. „Wir schicken das saubere Abwasser aber trotzdem zurück in die Kläranlage, weil aus genehmigungsrechtlichen Gründen keine Direkteinleitung erfolgen darf.“

Doch der Stromertrag wird zunächst nicht allzu hoch ausfallen. „Im günstigsten Fall erzeugen wir mit der Brennstoffzelle so viel Energie, wie Vor- und Nachbehandlung verbrauchen“, kalkulierte Sievers. „Das dürfte bei dieser Pionierarbeit einer ersten Anlage eher unwahrscheinlich sein. Durch die Verwertung des Schlamms über den Faulbehälter würde dann aber immer noch so viel Energie erzeugt, sodass die Kläranlage insgesamt mehr Energie erzeugen könnte, als sie verbraucht.“

Diese Brennstoffzelle ist speziell auf Abwasser ausgerichtet. Das bedeutet, dass sie mit sauberem Flusswasser nicht funktionieren würde. „Die Stromerzeugung in der Bio-Brennstoffzelle ist auf die chemisch gebundene Energie in den im Abwasser vorliegenden Schmutzstoffen angewiesen. Diese sollten bevorzugt in gelöster Form vorliegen, also auch kein Schlamm [sein]“, so Sievers.

Stromerzeugung mit der Bio-Brennstoffzelle

Die drei Hauptkomponenten der mikrobiellen Brennstoffzelle sind dieselben wie bei anderen Brennstoffzellen: Anode, Kathode (beides Elektroden) und Elektrolyt (jener Stoff, der in wässriger Lösung Strom leiten kann). Zwischen den beiden Elektroden entsteht ein Potenzialunterschied. So ermöglichen diese Komponenten die Stromerzeugung.

An der Anode siedeln sich elektroaktive Bakterien – also ein Biofilm aus Mikroorganismen – an. Diese wandeln organische Abwasserinhaltsstoffe unter anderem zu Kohlenstoffdioxid (CO₂), und Wasserstoff (H+)-Ionen um. Gleichzeitig geben sie Elektronen (e¯) an die Anode ab, die zur Kathode fließen. Bei der Kathode kommt es in der Regel zu einer chemischen Reaktion mit reinem Sauerstoff (O₂). Als Endprodukte dieses Verfahrens entstehen Wasser, H+-Ionen und Sauerstoff.

Die Anoden mit dem Biofilm sind dabei fest stehend zwischen rotierenden Kathoden, sogenannten Gasdiffusionselektroden, angeordnet. Die Forscher stellten fest, dass die Rotation der Kathoden vorteilhaft ist, unter anderem wegen einer besseren Versorgung der Kathoden mit Luft.

Verpackt ist die Brennstoffzelle in einem sogenannten Reaktor. Dieser enthält vier Anodenplatten, eine Antriebswelle, die die Kathoden dreht, einen Stromkollektor, die Luftversorgung sowie Substratzufuhr und -ablauf.

Schematischer Aufbau der Demonstrationsbrennstoffzelle und der drehbare Reaktor, durch dessen Achse das Abwasser zu- und abgeführt wird. Foto: CUTEC

Um das Projekt DEMO-BioBZ auf die nächste Stufe zu bringen, ist eine Vergrößerung der Anlage nötig. Diese soll in mehreren Schritten geschehen und letztlich die Reaktorfläche um den Faktor 850 erhöhen.

Wasserstoffgewinnung aus der Kläranlage

Energie aus dem Abwasser einer Kläranlage will auch das österreichische Abwasserreinigungsunternehmen VTA gewinnen. „Wir werden Energie in Hülle und Fülle haben“, sagte Dr. Ulrich Kubinger, Geschäftsführer von VTA. Die Firmengruppe reinigt mit ihren Produkten Wasser für 250 Millionen Menschen – jeden Tag.

Neben der Reinigung von Abwasser in Kläranlagen hat sich der Chemiker in den vergangenen Jahren auch einen Weg zur Energiegewinnung aus diesem Prozess überlegt. So haben Forscher des Unternehmens eine Anlage entwickelt, die bei der Reinigung von Abwasser Strom und Wasserstoff erzeugen kann. Somit sollen Kläranlagen auch hier, anstatt selbst Strom zu verbrauchen, zu Kraftwerken werden.

Wie funktioniert die Stromgewinnung?

Wie bei der Bio-Brennstoffzelle von CUTEC fließt das Abwasser in einer Kläranlage zunächst in die Vorklärung, wo es weitestgehend von Schlamm befreit wird. Die geschieht mit dem VTA Hydropower-System. VTA-Institutsleiter Andreas Gabriel teilte Epoch Times mit, dass die Anlage zudem Wasserstoff und Wärme erzeugt.

Der Wasserstoff kann anschließend von einer externen Brennstoffzelle oder auch von einem Blockheizkraftwerk oder einer Mikrogasturbine zur Energieproduktion genutzt werden. Bei diesem Verfahren gibt es keine Elektrolyse. Stattdessen nutzt das System die chemische Reaktionsenergie ausgehend von Abwasser und einem VTA Nano-Booster inklusive Metall-Ionenkomplex, wie Gabriel erklärt.

Somit stehe reiner Wasserstoff zur Verfügung, der Sauerstoff aus dem Wasser wird laut Gabriel chemisch gebunden und ist Teil des Endproduktes – dem Fällmittel. Das bedeutet, dass der Sauerstoff nicht in die Luft entweicht. Das trage auch zur energetischen Optimierung der Kläranlage bei. „Dieses System ist absolut neuartig“, schilderte Gabriel.

Brennstoffzelle für Kläranlage

Demonstration des Hydropower-Systems durch VTA. Foto: Bildschirmfoto | YouTube | VTA Group

Durch den Gewinn von „grünem“ Wasserstoff mithilfe des Hydropower-Systems können nach Aussage des Institutsleiters aus einem Liter Abwasser inklusive VTA Nano-Booster 592 Liter Wasserstoff gewonnen werden.

Die Brennstoffzelle verwendet dafür die sogenannte Nano-Carbon-Technologie, bei der das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Der Wasserstoff dient als wertvoller Brennstoff, beschreibt Gabriel. Das habe den Vorteil, dass eine Energieneutralität im Abwassersektor entstehen könne, weil keine externe Energie zugeführt werden müsse.

Die Anlage soll laut Gabriel voraussichtlich zu Jahresende in den Probebetrieb bei einer weiteren mittelgroßen Kläranlage mit 10.000 EW gehen. Die Forscher wollen bei dieser Phase entsprechende Erfahrungswerte generieren und den Prozess weiter optimieren. Wie die Gesamtenergiebilanz der Anlage aussieht, ist daher noch unklar. Nach Abschluss dieser großtechnischen Versuchsreihen würden weitere Projekte realisiert, so Gabriel.

Kläranlage als mögliche Kraftwerksreserve

Mit dem im Klärwerk gewonnenen Wasserstoff soll direkt elektrische Energie erzeugt werden, wie Christian Lang, Biophysiker bei VTA, beschrieb. Das hat den Vorteil, dass der Wasserstoff nicht gespeichert werden müsste – das sei bisher sehr energieaufwendig und daher unwirtschaftlich. Wie hoch die Leistung eines solchen Kraftwerks dann sein wird, hängt laut dem Unternehmen individuell von den Bedürfnissen der Kläranlage ab.

Nach Aussage des BMBF könnten Kläranlagen mit Brennstoffzellen künftig Stromschwankungen im Netz durch die Bereitstellung von Regelenergie glätten. „Als Bestandteil von intelligenten, dezentralen Systemen könnten sie damit die Nutzung regenerativer Energien unterstützen“, sagte die Sprecherin des Ministeriums.

Mit dem gewonnenen Wasserstoff ließen sich beispielsweise auch Methanol oder Dimethylether herstellen. Diese können als Treibstoffe oder in der chemischen Industrie zum Einsatz kommen. Letztlich kommt es also darauf an, ob und wie vom Prozess der Stromerzeugung zur stofflichen Verwertung gewechselt werden kann.

Kostenfrage bleibt ungeklärt

Die Frage nach den Kosten für eine Anlage wie die in Goslar konnte das BMBF nicht beantworten. Da es sich bei dem gegenwärtigen Stand der Entwicklung um eine Einzelanfertigung handele, fehlten hierzu noch die nötigen Daten. Diese wolle man im Erprobungsprozess durch Wirtschaftlichkeitsanalysen noch sammeln.

Gleichzeitig würden die Forscher bezüglich der verwendeten Materialien nach Möglichkeiten zur Kostenoptimierung suchen. „Erste Abschätzungen werden im Zuge des Probebetriebs der Demonstrationsanlage möglich sein“, sagte die Sprecherin.

Ein Nachteil des Projektes ist laut BMBF hingegen, dass das Konzept der Brennstoffzelle technisch aufwendiger ist als bereits existierende Verfahren. Daher seien einige innovative technische Lösungen notwendig gewesen, um den Bau einer Demonstrationsanlage zu ermöglichen.

In der angestrebten Größenordnung gebe es diese bisher weltweit nirgendwo. Die Forscher arbeiteten dabei am Reaktorkonzept, der Materialoptimierung, der Steuerungsstrategien sowie an der möglichst verlustarmen „Stromernte und -speicherung“. Ob Kläranlagen eines Tages zu Kraftwerken werden und wann sie wirtschaftlich Strom erzeugen, bleibt – anders als die Abwässer – bislang ungeklärt.

Dieser Artikel wurde am 24. Oktober 2024 nach umfassender Überarbeitung aktualisiert, um Missverständnisse bezüglich der Verfahren auszuräumen.

 



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