Klimafreundliche Wasserstoffzüge mit Pannen im Depot – jetzt fahren Busse im Notfallfahrplan

Das als Prestigeobjekt gestartete Wasserstoffprojekt zwischen dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und dem französischen Zughersteller Alstom droht zu scheitern. Immer wiederkehrende technische Probleme und Lieferschwierigkeiten lassen RMV-Vertreter eine Vertragskündigung und eine Rückkehr zu Dieselfahrzeugen in den Blick nehmen.
Titelbild
Dieses am 6. September 2021 aufgenommene Foto zeigt den Coradia iLint-Zug von Alstom, den ersten mit Wasserstoff betriebenen Zug der Welt, bei seiner Einweihung auf den Gleisen des Eisenbahntestzentrums in Petite-Foret, Nordfrankreich.Foto: Francois Lo Presti/AFP über Getty Images
Von 4. Oktober 2024

Unter großem Medienrummel wurde im Dezember 2022 Deutschlands größte Wasserstoffflotte auf Schienen in Betrieb genommen. Im hessischen Taunus, auf Bahnstrecken, wo keine Oberleitungen bestehen, sollte Wasserstoff den Zugverkehr „klimafreundlicher“ machen. 27 Wasserstoffzüge schaffte der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) daher an, um die dort fahrenden Dieselfahrzeuge abzulösen.

Das 500-Millionen-Euro-Projekt „mit mehreren Superlativen“, so der Geschäftsführer des RMV, Knut Ringat, stimme nicht nur den Verkehrsverbund, sondern auch Bund und Land zuversichtlich, erklärte er damals. Damit bezog sich Ringat auf einen 500 Millionen Euro schweren und über 30 Jahre laufenden Vertrag zwischen RMV und Alstom zum Betrieb der Wasserstoffflotte.

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach damals vor Ort von Wasserstoff als dem „großen Hoffnungsträger“ für die Klimaziele im Verkehr. Und der Staatssekretär des hessischen Verkehrsministeriums, Jens Deutschendorf (Die Grünen), sah den Wasserstoffzug als „Schlüsselelement in der Energiewende“.

Landrat: Wasserstofftechnik „offenkundig grundlegend unzuverlässig“

Zwei Jahre später zeigen sich jedoch Enttäuschung und Verärgerung. So brachte der Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs (CDU), eine Kehrtwende zurück auf Dieselantrieb ins Spiel. Er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender beim RMV.

„Wir erwarten, dass Alstom sämtliche Kosten für Ausfälle, Ersatzverkehre und alternative Fahrzeuge trägt“, so der Landrat in einer Mitteilung. Halte die andauernde Nichtverfügbarkeit der Fahrzeuge an, komme auch eine Aufkündigung des Vertrags mit den Brennstoffzellenfahrzeugen in Betracht. Er hält die Wasserstofftechnik bei den Zügen für „offenkundig grundlegend unzuverlässig“.

RMV-Prokurist Kai Daubertshäuser zeigte sich gegenüber dem „Hessischen Rundfunk“ verärgert:

Wir sind selbst extrem erbost und mittlerweile sehr enttäuscht von dem, was Alstom uns da abliefert.“

Grundsätzlich gehe man davon aus, dass Wasserstoff alltagstauglich sei. „Wo uns mittlerweile natürlich schon berechtigterweise Zweifel kommen, ist an der Technik, die Alstom hier bislang umgesetzt hat.“

Großteil der Wasserstoffflotte im Depot

Aktuell stehe ein Großteil der Flotte wegen technischer Probleme im Depot, berichtet die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP). Dadurch sei ein planmäßiger Betrieb der Zuglinien im Taunus nicht möglich.

So gibt es auf der Linie der RB15 zwischen Frankfurt am Main und Brandoberndorf laut RMV bis mindestens Mitte Dezember einen Notfallfahrplan. Statt der hochmodernen Wasserstoffzüge verkehren auf einer Teilstrecke momentan nur Busse.

Für den Betreiber der Zuglinien, dem RMV, liegt das Problem beim Zughersteller Alstom. Der französische Konzern erklärte, er habe zusätzliches Werkstattpersonal eingestellt sowie Hard- und Software erneuert. Das Modernisierungsprogramm für die Flotte werde jedoch erst im nächsten Jahr abgeschlossen, gab Alstom bekannt.

Die Ausfälle hätten mit Materialengpässen bei den Ersatzteilen zu tun, aber auch mit einer „eingeschränkte(n) Funktionalität einzelner Brennstoffzellen“ und damit mit der Wasserstofftechnik selbst, meldet die FNP.

Dabei gab es bereits bei der Einführung der Züge Probleme. So lieferte Alstom die bestellte Flotte verzögert. Erst ein Jahr verspätet waren alle 27 Züge beim Verkehrsverbund eingetroffen. Danach fielen wegen Personalmangels und technischer Probleme mit den Zügen immer wieder Fahrten aus. Die Fahrgäste, oftmals Berufspendler, zeigten sich frustriert.

Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht jedoch nicht nur Alstom für die Verkehrsmisere in der Schuld, sondern auch den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) selbst. Denn er habe die Wasserstoffflotte schließlich bestellt und nicht unter realistischen Bedingungen getestet, so der Vorwurf.

Auch in Niedersachsen stehen die Züge still

Doch nicht nur die Wasserstoffflotte des RMV ist aktuell von Ausfällen betroffen, auch die nach eigenen Angaben erste Wasserstoffzugflotte der Welt, als RB33 zwischen Cuxhaven, Bremerhaven und Buxtehude unterwegs, liegt still. Sie wurde ebenfalls 2022 eingeführt.

Dort fährt seit einigen Wochen eine Ersatzflotte aus fünf Dieselzügen, teilten die Deutsche Bahn und die Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) mit. Dadurch fallen Fahrten aus.

Hintergrund seien Lieferschwierigkeiten beim Wasserstoff. Im September geriet ein Wasserstoff-Trailer der Firma Linde im Chemiepark in Leuna, Sachsen-Anhalt, in Brand. Jetzt werden umfassende Sicherheitschecks an der Transportinfrastruktur durchgeführt, bevor die Versorgung für Wasserstoffzüge und an Wasserstofftankstellen wieder aufgenommen werden kann.

Dabei zeigt sich sowohl in Hessen als auch in Niedersachsen, dass eine Rückkehr auf dieselbetriebene Züge nicht leicht fällt.

Selbst Ersatzfahrzeuge älteren Typs seien nicht leicht zu beschaffen, so der RMV. Er bemühe sich eigenen Angaben zufolge nach allen Kräften um Nachschub bei Dieselzügen, jedoch seien diese derzeit kaum zu bekommen. RMV-Prokurist Kai Daubertshäuser erklärt:

Es ist so, dass mittlerweile keiner der großen Hersteller mehr wirklich Fahrzeuge mit Diesel im Angebot hat.“



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