Wirecard-Affäre: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen „gewerbsmäßigen Bandenbetrugs“ – Anleger fordern Aufklärung
Der Wirecard-Skandal zieht weiter Kreise. Eine Anlegergemeinschaft fordert nun, dass auch die Staatsanwaltschaft unter die Lupe genommen wird.

Die deutsche Generalbundesanwältin Anne Leiding gibt am 22. Juli 2020 im süddeutschen München eine Presseerklärung ab.
Foto: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images
Angesichts der Ausweitung des Wirecard-Skandals fordert die Anlegermeinschaft SdK rückhaltlose Aufklärung – inklusive der Rolle der Staatsanwaltschaft.
„Es ist dringend notwendig, dass der Sachverhalt und auch das Agieren der BaFin [Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht] und der Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren aufgearbeitet wird und einer externen Untersuchung unterzogen wird“, sagte der SdK-Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer auf Anfrage.
„Dass sich die Organe von Wirecard trotz der gravierenden Vorwürfe so leicht Zugang zu politischen Eliten im Lande verschaffen konnten, ist aus unserer Sicht beängstigend.“ Es müsse auch geklärt werden, ob eventuell auch von politischer Seite in der Vergangenheit Einfluss auf die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und auf die Staatsanwaltschaft genommen wurde.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte gestern bekannt gegeben, dass sie nun wegen „gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, der Untreue, der unrichtigen Darstellung, der Marktmanipulation“ gegen die ehemalige Konzernspitze ermittelt – faktisch der Vorwurf schwerer organisierter Kriminalität.
Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren, der womöglich größte Betrugsfall seit 1945 in Deutschland.
Scheingewinne seit 2015 vermutet
Bauers Kritik bezieht sich darauf, dass der mutmaßliche Milliardenbetrug eine jahrelange Vorgeschichte hat. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Wirecard-Vorstand seit 2015 Scheingewinne erfand. Ex-Vorstandschef Markus Braun, der frühere Finanzvorstand Burkhard Ley und zwei weitere Manager sitzen in Untersuchungshaft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte noch 2019 in China für den Markteintritt von Wirecard geworben, als der BaFin die Vorwürfe gegen Wirecard bereits bekannt waren. „Wir gehen davon aus, dass erst weniger als zwanzig Prozent des Ausmaßes des Wirecard-Skandals bekannt sind, und sind aufgrund der Indizienlage der festen Überzeugung, dass auch ein Blick in die Jahre vor 2015 lohnenswert sein wird“, sagte SdK-Vorstand Bauer.
FDP-Chef Christian Lindner sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Es ist für mich schier unvorstellbar, dass seit 2015 in dieser Größenordnung getrickst wird, ohne dass jemand Notiz davon nimmt.“ Die Affäre sei im Zentrum der Berliner Regierungspolitik angekommen. Lindner bekräftigte im Falle weiter unbeantworteter Fragen die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Dass die Bundeskanzlerin im Ausland für deutsche Unternehmen werbe, sei selbstverständlich. „Aber ich gehe davon aus, dass zuvor die Seriosität und Integrität geprüft wird, wenn sich die Kanzlerin für ein Unternehmen verwendet.“
Der Finanzausschuss des Bundestags widmet sich am Mittwoch kommender Woche in einer Sondersitzung dem Fall Wirecard. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen sich dabei den Fragen der Abgeordneten stellen. Die Linke forderte auch Auskunft von Merkel in der Sitzung.
Dazu wird es aber wohl nicht kommen. „Ich kann ihnen für die Kanzlerin von keiner Teilnahme berichten“, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer . Es sei bisher keine Einladung eingegangen, „aber ich nehme auch an, dass sie nicht daran teilnimmt“. (dpa/afp/sua)
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
Bitte einloggen, um einen Kommentar verfassen zu können
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.