IZW-Chefin: „Bankrotterklärung“ des Bundes – Erneuerbare sind ein „totes Pferd“

Die deutsche Wirtschaft braucht bezahlbaren, jederzeit verfügbaren Strom und keine vom Wetter abhängige Energie. Die Initiative Zukunft Wirtschaft weist auf die Missstände der Energiepolitik hin und fordert die „schweigende Mehrheit“ auf, ihre Stimme zu erheben.
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Andrea Thoma-Böck, Präsidentin und Initiatorin der IZW, wirft der deutschen Energiepolitik Versagen vor.Foto: IZW – Initiative Zukunft Wirtschaft Deutschland e.V.
Von 9. September 2024

Die Wetterabhängigkeit der Windkraft- und Solaranlagen gilt als großes Problem der deutschen Energiewende. Andrea Thoma-Böck, Präsidentin der Initiative Zukunft Wirtschaft Deutschland e.V. (IZW) wirft der Bundesregierung vor, von der Wirtschaft Unmögliches zu verlangen. Ebenso habe sie die derzeitigen Probleme selbst verursacht.

Laut dem Entwurf des „Strommarktdesigns der Zukunft“ vom Bundeswirtschaftsministerium sollen alle Stromverbraucher – Unternehmen wie auch Haushalte – Strom künftig flexibler verbrauchen. Nur bei genügend Wind und Sonne kann demnach auf eine ausreichende Versorgung in Deutschland gehofft werden.

Thoma-Böck, die seit 27 Jahren in der Metallveredelungsindustrie tätig ist, sagte dazu:

Im Ergebnis ist das nunmehr ein Offenbarungseid und eine politische Bankrotterklärung. Es ist der Beleg für eklatantes Missmanagement und Realitätsferne der Bundesregierung.“

„Freiwilliger Lastverzicht“ von 13,6 GW

Aus Sicht der IZW ist es nun an der Wirtschaft, diesen „energiepolitischen Scherbenhaufen“ aufzuräumen. Die Unternehmen seien aufgefordert, ihre Produktion zu flexibilisieren. Sie sollten Strom nicht mehr nur dann verbrauchen dürfen, wenn er für ihre Arbeitsprozesse benötigt wird.

Stattdessen fordert der Bund von ihnen, dass sie ihre Produktion dem Stromangebot der erneuerbaren Energien – also dem Wetter – anpassen. Das soll künftig die Versorgungssicherheit im Kontext der Energiewende aufrechterhalten.

Die derzeitige Netzentgeltstruktur für Großverbraucher begünstigt laut dem Entwurf noch einen gleichmäßigen Stromverbrauch. Um die Akteure den Bedingungen der neuen Versorgungsstruktur anzupassen, ist jetzt eine tagesaktuelle Anpassung an das Angebot von Wind- und Sonnenenergie geplant. Unternehmen, die ihren Stromverbrauch entsprechend flexibler gestalten, sollen mit günstigen Strompreisen belohnt werden.

Der Bericht der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit aus 2023 hatte festgestellt, dass die Industrie bis 2030 insgesamt zu einem „freiwilligen Lastverzicht“ von 13,6 Gigawatt bereit sein müsse. Das entspricht der Leistung von knapp zehn Kernkraftwerken oder 27 Gaskraftwerken.

Im Durchschnitt verbraucht ganz Deutschland rund 55 GW. Davon benötigt die Industrie 43 Prozent, also 23,7 GW. Die Bundesregierung verlangt von der Industrie also, dass diese ihren Strombedarf bei Strommangel durch eine sogenannte Dunkelflaute um mehr als 57 Prozent reduziert.

IZW: Deutschland ist „orientierungslos“

Mit der Energiewende sollte die ökonomische und ökologische Transformation Deutschlands gelingen. Die Bundesregierung beabsichtigt, dadurch die internationalen Klimaziele umzusetzen und gleichzeitig eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft aufzubauen.

Bisher gibt es jedoch kein anderes Industrieland, das für die Energiewende gleichzeitig seine bestehenden Kern- und Kohlekraftwerke vom Netz nehmen will. Nach Aussage der IZW kann auch Deutschland nicht einzig auf die noch subventionierten erneuerbaren Energien setzen.

Der erforderliche Ausbau der Übertragungsnetze bis zu den Verteilernetzen wird Deutschland noch jahrzehntelang beschäftigen. „Bisher wissen wir auch nicht, was es am Ende kosten wird, nur dass es wahrscheinlich unbezahlbar wird“, so die IZW. Nach einer Schätzung der deutschen Energiewirtschaft betragen die Investitionen hierfür 1,2 Billionen Euro bis zum Jahr 2035.

Die IZW rechnet damit, dass es auch flexible Speicherkapazitäten in den erforderlichen Größenordnungen erst langfristig geben wird. „Eine Industrienation wie Deutschland hat immer noch keinen Business Case [Geschäftsszenario] für die einzigartige Energiewende, ist nach wie vor orientierungslos.“

Die „erzwungene angebotsgesteuerte Versorgung“ ist aus Sicht der Ende 2023 gegründeten Wirtschaftsinitiative „Mangelwirtschaft und Chaos“. Für die „ohnehin angeschlagene Wirtschaft“ sei dies der Dolchstoß. Sie würden zusammen mit ihren Lieferketten untergehen. Somit wirke das künftige Strommarktdesign der Bundesregierung „wie ein Beschleuniger für den aktuellen Flächenbrand der Deindustrialisierung und Abwanderung“.

Lastverzicht nicht überall umsetzbar

Nach den Plänen aus Berlin zum künftigen Lastmanagement der Industrie werden jene Unternehmen belohnt, die nur in Zeiten „guten Wetters“ Strom verbrauchen. Ebenso sollen sie belohnt werden, wenn sie ihre Produktion bei „schlechtem Wetter“ herunterfahren oder gar einstellen.

Bei zahlreichen Unternehmen werde es Flexibilisierungspotenziale geben, bei vielen Branchen und Unternehmen jedoch nicht, betont die IZW. Hier nannte sie die häufig erwähnte energieintensive Chemie- oder Stahlindustrie, aber auch:

  • Rechenzentren, KI, Batterieproduktion, Fertigung von Elektroautos oder Halbleitern,
  • alle Produktionen, die rohstoffgetrieben sind, etwa Frischeprodukte wie Rohmilch, oder alle Lieferketten im Just-in-time-Modus und
  • alle Unternehmen mit kapitalintensiven Anlagen, die eine lineare Fertigung rund um die Uhr und Auslastung benötigen.

Der Konzern thyssenkrupp Steel teilte kürzlich der Epoch Times mit, dass er künftig eine „möglichst systemdienliche Fahrweise der Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen“ anstrebt. Bleibt abzuwarten, ob das Unternehmen diesen Wandel tatsächlich vollziehen kann – und ob genügend weitere Unternehmen in den genannten Branchen diesen Schritt ebenfalls schaffen.

Der Wirtschaftsrat der CDU warnte Ende August in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, vor den Folgen der Strommarktreform. Das neue Strommarktdesign sei ein „verheerendes Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Es gefährde zudem Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Quo vadis deutsche Wirtschaft?

Nach Auffassung der Wirtschaftsinitiative entscheide sich das „Schicksal der deutschen Wirtschaft“ vor allem beim Thema Energie. Denn eine stete Stromversorgung und international wettbewerbsfähige Strompreise seien zentrale Grundlage jeder entwickelten Volkswirtschaft. Der durchschnittliche deutsche Strompreis für Endverbraucher ist weiterhin der höchste in ganz Europa. Im August lag dieser bei 39,29 Cent pro Kilowattstunde.

Tausende Unternehmen klagen bereits jetzt über die hohen und zunehmend volatilen Energiekosten und ihre unzureichende Wettbewerbsfähigkeit. Das hat auch die jüngste Unternehmensumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) gezeigt. Das damit verbundene Energiewendebarometer ist tief im roten Bereich. Ebenso befinden sich alle weiteren Branchenbarometerwerte „deutlich im Minus-Bereich“.

„Eine Produktion in Deutschland wäre für viele Unternehmen nicht mehr möglich. Zahlreiche Unternehmen mussten längst ihre Produktion herunterfahren. Investitionen finden anderswo statt“, warnte die IZW. Der Zwang, sich auf behördliche Vorgaben zur Abschaltung bei mangelndem Stromangebot vorbereiten zu müssen, würde diese Entwicklung nur noch weiter vorantreiben.

Thoma-Böck: „Es gehen sinnbildlich die Lichter aus“

Der „Urfehler der Energiewende“ sei, die fluktuierenden Erneuerbaren zur „Leitkultur“ zu machen, an die sich alles andere anzupassen habe. IZW-Präsidentin Thoma-Böck sagte: „Von einem toten Pferd sollte man absteigen und stattdessen die Energiewende an Realitäten ausrichten.“ Weiter sagte sie: „Es gehen sinnbildlich die Lichter aus.“

Deshalb brauche es laut der IZW ein klares Stoppsignal der Wirtschaft und der Gesellschaft. Thoma-Böck wendet sich an die schweigende Mehrheit: „Rede jetzt oder schweige für immer.“

(Mit Material von ots)



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