Bundesnetzagentur: Industrie soll sich jetzt an schwankende Stromerzeugung anpassen

Die Bundesnetzagentur reagiert nun darauf, dass Strom aus Wind und Sonne in unregelmäßigen Mengen zur Verfügung steht. Sie plant deshalb Maßnahmen, mit denen die energieintensive Industrie ihren Strombedarf an das Stromangebot anpassen kann. Was bedeutet das für Unternehmen?
Industrie soll sich jetzt an schwankende Stromerzeugung anpassen
Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, versucht Angebot und Nachfrage im deutschen Stromnetz zu harmonisieren.Foto: Christian Charisius/dpa/Archiv
Von 12. August 2024

Deutschland stellt seine Energieversorgung mit der Priorisierung von Windkraft- und Solaranlagen zunehmend auf wetterabhängige Energiequellen um. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, plant jetzt deswegen, die Stromnachfrage möglichst dem schwankenden Stromangebot anzupassen.

Dazu fokussiert er sich, insbesondere auf stromintensive Betriebe aus Industrie und Gewerbe. Am 24. Juli schrieb er auf 𝕏:

Welche Anreize kann die Bundesnetzagentur für stromintensive Betriebe schaffen, um Strom flexibel abzunehmen, dynamisch auf aktuelle Erzeugungssituationen zu reagieren und damit einen systemdienlichen Beitrag zu leisten?“

Das Problem

Windkraft- und Photovoltaikanlagen (PV) haben schwankende Erzeugungsprofile, sprich: Sie liefern nicht zu jeder Zeit gleich viel Strom. Wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, produzieren die rund 30.000 Windräder an Land und 3,4 Millionen PV-Anlagen in Deutschland keinerlei Strom.

Hingegen generieren sie zu wind- und sonnenreichen Zeiten – zusammen mit allen anderen Kraftwerksarten im Land – oftmals deutlich mehr Strom, als gerade im Netz gebraucht wird. Gelegentlich schaffen es die erneuerbaren Energiequellen bereits alleine, den jeweiligen Strombedarf zu decken. Das war in der 30. Kalenderwoche an einem Tag für knapp vier Stunden um die Mittagszeit der Fall.

Strombedarf (Linie) im Verhältnis zur Erzeugung aus Sonne und Wind (an Land und vor der Küste) in Deutschland in der 30. Kalenderwoche im Jahr 2024. Foto: Bildschirmfoto/energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Zu vielen Tageszeiten – vorwiegend nachts – produzieren die Erneuerbaren jedoch nur einen Bruchteil der Netzlast. Dann müssen andere Kraftwerke, wie die Fossilen, einspringen. Wenn das auch nicht reicht, müssen die Netzbetreiber zusätzlichen Strom aus dem Ausland importieren, um die Nachfrage zu bedienen.

Auffällig wenig Strom produzieren die Erneuerbaren beispielsweise am frühen Morgen des 27. Juli. Zu dieser Zeit konnten sie insgesamt nur rund ein Gigawatt bereitstellen, während die Netzlast bei rund 38 Gigawatt lag. Kurz vor Sonnenaufgang war es über Deutschland offenbar weitestgehend windstill.

Die mögliche Lösung

Die Bundesnetzagentur plant deswegen nun, die Last in den Zeiten zu senken, wo die Erneuerbaren weniger Strom liefern. Dazu hat die Energiebehörde vor ein paar Wochen ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem sie „die Regelung zu den Netzentgelten für Industriekunden weiterentwickelt“. Das Netzentgelt ist der Preis für die Nutzung des Stromnetzes und im Gesamtstrompreis für alle Verbraucher enthalten.

Der vollständige Titel des Papiers lautet: „Eckpunktepapier zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich.“ Müller sagte dazu:

Die alten Netzentgeltrabatte entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist. Wir wollen zukünftig systemdienliches Verbrauchsverhalten der Industrie besonders anreizen.“

Demnach sollen Unternehmen aus Industrie und Gewerbe geringere Netzentgelte zahlen, wenn sie bei hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen. Ebenso seien die Netzentgelte reduziert, wenn sie bei Stromknappheit weniger Strom verbrauchen – also ihre Produktion drosseln oder pausieren.

Industrie

Die chemische Industrie ist besonders energieintensiv. Foto: Joerg Steber/iStock

Fehlende Einnahmen zahlen alle Stromkunden

„Wir schlagen einen Übergang von einem starren in ein flexibles System vor. Wir wollen das zukünftige System nun ausführlich mit allen Akteuren erörtern“, kündigte Müller an. Die Unternehmen sollen dabei Übergangsfristen bekommen, also Zeit zur Umstellung ihrer Produktion.

Laut der Bundesnetzagentur gibt es bereits Verbraucher, die auf diese Art Geld einsparen. Im Jahr 2024 seien das rund 400 große Stromkunden und rund 4.200 Netznutzer in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur gewesen. Diese Verbraucher würden dadurch insgesamt mehr als eine Milliarde Euro weniger an Netzentgelten bezahlen.

Diese Summe fehlt dann den Netzbetreibern. Um dies auszugleichen, wird das Defizit auf alle Stromkunden umgelegt. Für das laufende Jahr beträgt diese Umlage 0,643 Cent pro Kilowattstunde.

Thyssenkrupp: Wenig Spiel, aber gleiches Ziel

Die größten Stromverbraucher in der Industrie sind die Chemie- und die Stahlindustrie. Das Stahlunternehmen thyssenkrupp Steel Europe betreibt große Anlagen, die viel Strom verbrauchen.

Auf Anfrage der Epoch Times teilte die Pressesprecherin Christine Launert die Bedenken des Konzerns über das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur mit. Die vorgesehenen flexiblen Stromabnahmezeiten stehen im Widerspruch zu den „überwiegend gleichmäßigen Stromabnahmeprofilen“ ihrer Anlagen.

Dennoch strebe thyssenkrupp Steel innerhalb der technischen Rahmenbedingungen „selbstverständlich eine für den zukünftigen Netzbetrieb möglichst systemdienliche Fahrweise der Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen“ an. Das Unternehmen untersucht nach Auskunft von Launert bereits intensiv, inwieweit es sich an die künftigen Vorgaben anpassen kann.

„Aufgrund der zugrundeliegenden Produktionsprozesse sind die Freiheitsgrade aber begrenzt“, gab Launert zu bedenken. Das bedeutet, das Stahlunternehmen hat nicht allzu viel Spielraum für die Umsetzung der neuen Pläne der Bundesnetzagentur.

Trotz dieser durch die Energiewende bedingten Umstellung hält thyssenkrupp Steel die Energiewende für eine „essenzielle Voraussetzung für die grüne Transformation der Industrie“. Launert erklärte: „Das Unternehmen setzt auf erneuerbare Energien für den Betrieb seiner Anlagen sowie zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, für den Betrieb der ersten wasserstoffbetriebenen Direktreduktionsanlage.“ Der Konzern strebe damit eine klimaneutrale Stahlproduktion an.

Standort weiterhin attraktiv …

Für thyssenkrupp Steel wird Deutschland – und insbesondere das Ruhrgebiet – als Wirtschaftsstandort weiterhin attraktiv bleiben. „Dies wird unter anderem durch die Anbindung an das aufkommende Wasserstoffnetzwerk unterstrichen“, sagte Launert. Ebenso sei die Nähe zu den Kunden im Umkreis von wenigen Hundert Kilometern für den Konzern „von unschätzbarem strategischem Wert“. Das unterstützt laut der Pressesprecherin ihre effiziente Lieferkette und schnelle Reaktionsfähigkeit auf Kundenbedürfnisse.

Die Epoch Times hat auch andere Unternehmen wie BASF, den Kunststoffkonzern Covestro und das Spezialchemieunternehmen Lanxess nach ihren Einschätzungen zu den Plänen der Energiebehörde gefragt. Da sich die Reform noch im Planungsstadium befinde, wollten sie sich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht äußern oder hatten wegen der Urlaubszeit keine Kapazitäten frei zum Antworten.

Die Bundesnetzagentur teilte mit, dass sie sich noch mit der Branche austauschen will, um die genannten Ziele zu erreichen. Die Beratung ist bis zum 18. September vorgesehen; ab 1. Januar 2026 soll die Reform dann in Kraft treten.

… aber nicht für alle

Solch eine starke Bindung wie thyssenkrupp Steel zum inländischen Standort haben längst nicht alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Eine aktuelle Unternehmensumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) hat ergeben, dass mindestens jedes sechste Unternehmen darüber nachdenkt, seine wirtschaftlichen Aktivitäten hierzulande zurückzufahren. Grund dafür sind vor allem die hohen Energiepreise.

Zwei Drittel der knapp 3.300 befragten Unternehmen sehen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes insgesamt in Gefahr. In der Industrie beklagen rund 60 Prozent der Betriebe, dass schrumpfende Investitionen zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland beitragen.

Diese Betriebe sehen demnach im Standort Deutschland eher einen Nachteil und überlegen immer öfter an eine Verlagerung ins Ausland. Das deckt sich auch mit den regelmäßigen Meldungen von Stellenstreichungen großer Unternehmen in Deutschland.



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