Low-Fat: Fluch oder Segen? Eine Betrachtung aus der Praxis

Fettarm ist nicht gleich fettarm und Low-Fat damit nicht automatisch gesund. Wo die Unterschiede liegen und wo die guten Fette drinstecken, erklärt Gastautor und Heilpraktiker René Gräber in seiner wöchentlichen Kolumne bei Epoch Times.
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Das Beste für die eigene Gesundheit ist, selbst zu kochen.Foto: evgenyatamanenko/iStock
Von 7. März 2025

Fett. Kaum ein anderes Nahrungsmittel polarisiert so sehr. Jahrzehntelang wurde es als Feind erklärt, verantwortlich gemacht für Übergewicht, Herzinfarkte und Diabetes. Die Industrie reagierte mit fettfreien Produkten – oft mit fragwürdigem Erfolg. Denn was dem Fett entzogen wurde, ersetzte man großzügig durch Zucker und Zusatzstoffe. Das Ergebnis? Mehr Krankheiten, nicht weniger.

Heute hat sich das Blatt gewendet. Plötzlich feiern Diäten wie Keto oder Paleo das Fett als „Heilmittel“. Butter und Kokosöl sollen jetzt angeblich das leisten, was fettarme Ernährung nicht geschafft hat: uns gesund und schlank halten. Aber stimmt das wirklich? Ist Fett unser Freund oder unser Feind? Herzlich willkommen im großen Verwirrspiel.

Was bedeutet eigentlich Low-Fat?

In meiner Jugend war Low-Fat noch eine eindeutige Angelegenheit. Streng fettarme Kost bedeutete weniger als 10 Prozent der Kalorien aus Fett – eine Methode, die in der Medizin durchaus Erfolge zeigte. Dr. Walter Kempner behandelte damit Bluthochdruck, Dr. Caldwell Esselstyn konnte nachweislich Herzerkrankungen aufhalten.

Doch dann kam die Lebensmittelindustrie und verdrehte den Begriff. In den 1980er-Jahren wurde plötzlich eine Ernährung mit 30 Prozent Fett als „fettarm“ bezeichnet – eine Zahl, die in Wahrheit einer Mischkost entspricht. Viele der Studien, die die angebliche Wirkungslosigkeit von Low-Fat zeigen, basieren auf diesem aufgeweichten Konzept. Kein Wunder, dass sie zu ernüchternden Ergebnissen kamen.

Hier liegt das Problem: Low-Fat ist nicht gleich Low-Fat. Und eine pauschale Antwort auf die Frage, ob es gesund oder schädlich ist, gibt es nicht. Es kommt darauf an, von welcher Variante wir sprechen.

Ernährungspyramiden zeigen an, welche Lebensmittel häufiger oder seltener konsumiert werden sollten, um sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Foto: egal/iStock

Insulin, Fettverbrennung und das eigentliche Problem

Die größte Missinterpretation in der Ernährungsgeschichte ist die Annahme, dass Fett allein dick macht. Tatsächlich entscheidet ein anderes Hormon im Wesentlichen über unsere Fettpolster: Insulin.

Hohe Insulinspiegel blockieren den Fettabbau und fördern die Speicherung. Wer regelmäßig Zucker und raffinierte Kohlenhydrate zu sich nimmt, wie zum Beispiel Weißbrot, Softdrinks, Cornflakes, Süßigkeiten oder Ähnliches, hält seinen Insulinspiegel dauerhaft hoch und programmiert seinen Körper auf Fetteinlagerung.

Eine fettarme Ernährung kann dazu beitragen, den Insulinspiegel zu senken – aber nur, wenn sie nicht mit Zucker und verarbeiteten Kohlenhydraten aufgefüllt wird. Genau das passiert jedoch in den meisten modernen Low-Fat-Diäten. Fett wird herausgenommen, Zucker hinzugefügt und die Menschen wundern sich, warum sie zunehmen.

Versteckte Fette und die Darmflora

Nicht jedes Fett ist sichtbar. In meiner Praxis sehe ich oft Menschen, die nicht übergewichtig sind, aber trotzdem massive Stoffwechselprobleme haben. Der Grund ist ein unsichtbarer Feind: IMAT oder intermuskuläres Fett genannt.

IMAT lagert sich zwischen den Muskelfasern ab, reduziert die Insulinsensitivität und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es ist ein stiller Entzündungsherd im Körper, unabhängig vom Körpergewicht. Und was fördert es? Bewegungsmangel, übermäßiger Zuckerkonsum und minderwertige Fette wie Transfette und raffinierte Pflanzenöle.

Fastfood, Fertiggerichte und ultraverarbeitete Lebensmittel steigern das Risiko für intermuskuläres Fett. Foto: beats3/iStock

Man kann IMAT nicht im Spiegel sehen, aber man spürt es. Müdigkeit, schleichende Gewichtszunahme, Entzündungen – alles Warnsignale, die auf ein gestörtes Fettstoffwechselgleichgewicht hinweisen.

Vor einigen Jahren galt ein Bakterium namens Akkermansia muciniphila als Heilsbringer für die Darmgesundheit. Es sollte den Fettstoffwechsel optimieren, Entzündungen senken und Insulin regulieren. Doch wie so oft in der Wissenschaft: Die Wahrheit ist komplexer.

Es gibt nicht das eine Wunderbakterium. Entscheidend ist das Gleichgewicht der gesamten Darmflora. Wer sie stärken will, sollte sich auf eine Ernährung mit viel Gemüse, fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut und Kefir sowie präbiotischen Ballaststoffen konzentrieren. Wer stattdessen auf verarbeitete Kost und künstliche Süßstoffe setzt, zerstört seine mikrobiellen Helfer – und ruiniert langfristig seinen Stoffwechsel.

Gute Fette, schlechte Fette – und die große Avocadolüge

In meiner Praxis sehe ich immer wieder Menschen, die zwar „gesund“ essen, aber dabei nicht auf die Qualität ihrer Fette achten. Hier gibt es klare Unterschiede.

Problematisch sind:

  • Transfette aus Margarine, Fast Food und industriellem Gebäck
  • Hochraffinierte Pflanzenöle wie Sonnenblumen-, Soja- und Rapsöl
Low-Fat ist nicht gleich Low-Fat

Zu den schlechten Fetten gehören hochraffinierte Pflanzenöle wie Sonnenblumen-, Soja- und Rapsöl. Foto: nach rustamank, ddsign_stock, Maya23K/iStock

Gesundheitsfördernd sind hingegen:

  • Extra natives Olivenöl
  • Butter und Ghee aus Weidehaltung
  • Kokosöl (besonders hitzestabil)

Und was ist mit Avocados? Sie gelten als Superfood, doch ihr Anbau hat eine dunkle Seite: Raubbau an der Natur, Wasserverschwendung, mafiöse Strukturen in Lateinamerika. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Ähnlich problematisch ist Fisch. Die Ozeane sind überfischt, viele Sorten sind mit Schwermetallen und Mikroplastik belastet. Wer auf Omega-3 nicht verzichten will, kann auf Algenöl umsteigen – die umweltfreundlichere und sauberere Alternative.

Eier als unterschätzte Gesundheitswunder

Lange verteufelt, erleben Eier heute eine späte Rehabilitation – zu Recht. Sie sind eine der besten natürlichen Quellen für Cholin, eine Substanz, die den Fettstoffwechsel und die Lebergesundheit unterstützt.

Ein Cholinmangel fördert Fettleber, Gedächtnisprobleme und Muskelschwäche. Besonders in der Schwangerschaft ist Cholin unverzichtbar, da es die Gehirnentwicklung des Kindes fördert.

Natürlich macht auch hier die Qualität den Unterschied. Bioeier aus artgerechter Haltung enthalten mehr Omega-3-Fettsäuren als ihre konventionellen Gegenstücke, die mit Kraftfutter und Medikamentenrückständen belastet sind.

Trotz Low-Fat Diät können Eier gegessen

Eier enthalten Cholin, das den Fettstoffwechsel und die Lebergesundheit unterstützt. Foto: SherSor/iStock

Fazit: Qualität vor Quantität

Die große Fettdebatte ist letztlich eine Scheindebatte. Weder Low-Fat noch High-Fat sind per se gesund oder ungesund – entscheidend ist, welche Lebensmittel wir konsumieren.
Eine Ernährung voller Transfette, Zucker und raffinierter Pflanzenöle ist Gift für den Körper. Doch wer sich auf natürliche, unverarbeitete Fette konzentriert, kann sowohl mit wenig als auch mit viel Fett gesund bleiben.

Das eigentliche Problem ist nicht Fett. Das Problem sind schlechte Ernährungsgewohnheiten. Wer sich an echte Lebensmittel hält, der kann ganz unabhängig von der Makronährstoffverteilung langfristig gesund leben. Und genau hier liegt der Schlüssel: Weg von der Industrie, zurück zur Natur.

Über den Autor
René Gräber

René Gräber. Foto: privat

René Gräber studierte Pädagogik und Sportwissenschaften. Aufgewachsen in einer Ärztefamilie, kam er früh mit der Medizin in Kontakt – vor, unter und hinter dem Arzttisch. Bereits in seinen Zwanzigern war seine Krankenakte „so dick wie die mancher 70-Jährigen“.

Sein eigenes Leid führte ihn jenseits der klassischen Medizin schließlich zur Naturheilkunde. Die erfolgreiche Selbstbehandlung legte den Grundstein für seine seit 1998 bestehende Praxis mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Alternativmedizin.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker. Für Informationen zu Dosierung, Anwendung und unerwünschten Effekten von Heilpflanzen wird eine Beratung in der Apotheke empfohlen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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