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Corona-Forschung: Drei Autoren von umstrittener Hydroxychloroquin-Studie ziehen Ergebnisse zurück

Nach massiver Kritik an einer Studie zur Wirksamkeit des Malaria-Mittels Hydroxychloroquin bei Coronavirus-Infektionen haben drei der vier Autoren ihren Rückzug aus der Studie erklärt. Als einziger Studienautor blieb am Donnerstag der Wissenschaftler Sapan Desai, der die weitgehend unbekannte Firma Surgisphere betreibt, bei dem Studienergebnis.

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Dosen des Medikaments Hydroxychloroquin von verschiedenen Herstellern.

Foto: Kevin E. Schmidt/Quad-City Times via ZUMA Wire/dpa/dpa

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Lesedauer: 4 Min.

Das Fachjournal „The Lancet“ hat eine Studie zum Einsatz von Chloroquin und Hydroxychloroquin gegen Corona zurückgezogen. Drei der vier Autoren verwiesen darauf, dass sie Zweifel an der Richtigkeit der von ihnen genutzten Daten nicht ausräumen können, wie das Journal mitteilte.
Die Wirksamkeit der bislang gegen Malaria eingesetzten Mittel gegen die Lungenerkrankung Covid-19 wird derzeit in zahlreichen Studien getestet. Bisherige Untersuchungen brachten keinen gesicherten Hinweis, dass sie bei Erkrankten die Symptome bessert oder die Erkrankungsdauer verkürzen.

Autoren setzen sich für eine unabhängige Überprüfung der Daten ein

Der Studienleiter Mandeep Mehra von der Harvard-Universität sowie die Ko-Autoren Frank Ruschitzka vom Universitätsklinikum Zürich und Amit Patel von der University of Utah sind die Wissenschaftler hinter der in der Kritik stehenden Studie. Sie teilten am Donnerstag mit, sie hätten sich für eine unabhängige Überprüfung der Daten eingesetzt – dies sei jedoch von der Firma Surgisphere, die die Daten geliefert hatte, abgelehnt worden. „Auf Grundlage dieser Entwicklung könnten wir nicht länger für die Richtigkeit der Primärdaten bürgen“, begründeten die Autoren ihren Rückzug. Bei den Redakteuren von „Lancet“ und den Lesern entschuldigten sich die Wissenschaftler.
Nach Angaben in der nun zurückgezogenen Studie sollten die beiden Wirkstoffe sich wahrscheinlich nicht zur Behandlung von Covid-19 eignen und sogar womöglich die Todesrate erhöhen und zu Herzrhythmusstörungen führen. Die Forscher aus den USA und der Schweiz um Mandeep Mehra von der Harvard Medical School hatten die Studie in „The Lancet“ vom 22. Mai veröffentlicht.

Ungereimtheiten zu Daten aus Australien und Afrika

Vor dem Zurückziehen der Studie hatte es an der Publikation erhebliche Zweifel gegeben. „Lancet“ selbst hatte bereits einen offiziellen Warnhinweis („Expression of Concern“) veröffentlicht. Es gebe „ernsthafte wissenschaftliche Fragen“ zu den von den Forschern angegebenen Daten.
Dem Science Media Center zufolge zählt zu den Ungereimtheiten, dass sich die Studie auf eine höhere Anzahl von im Krankenhaus verstorbenen Covid-19-Patienten in Australien bezieht als in Australien tatsächlich insgesamt gemeldet wurden. Zudem hätten die Autoren behauptet, in der Studie die Daten von 4.402 Patienten in Afrika verarbeitet zu haben – es sei Kritikern zufolge aber unwahrscheinlich, dass afrikanische Krankenhäuser detaillierte elektronische Gesundheitsakten für so viele Patienten zur Verfügung stellen konnten.
Für die Studie hatten die Forscher die Daten von 96.000 Patienten in hunderten Krankenhäusern weltweit ausgewertet. Die Daten stammten von Surgisphere, das nach eigenen Angaben auf die Analyse von Gesundheitsdaten spezialisiert ist. In ihrem offenen Brief kritisieren die Forscher unter anderem, dass andere Wissenschaftler keinen Zugang zu den Rohdaten erhielten. Auch werde nichts über die Länder und die Krankenhäuser gesagt, aus denen die Daten kommen.

Forscher: „Es gibt jede Menge Studien mit schlecht erhobenen oder unzureichenden Daten“

Die Datenerhebung geht nach „Lancet“-Angaben maßgeblich auf die in Chicago ansässige Firma Surgisphere zurück. Der Prozess des sogenannten Peer Review durch Gutachter sei weder dazu gedacht noch in der Lage, die Qualität zugrundeliegender Daten zu prüfen, sagte Ulrich Dirnagl, Direktor der Abteilung Experimentelle Neurologie an der Charité in Berlin, der nicht an der Studien beteiligt war.
„Häufig bleibt es bei einer Art „Reality Check“ der wissenschaftlichen Frage, der verwendeten Methodik und der Resultate.“ In Zeiten einer Pandemie, in der Forscher und Journale unter extremem Zeitdruck zu publizieren versuchten, sei der Review-Prozess noch weniger in der Lage, Fehler und Manipulationen zu erkennen. Es gebe momentan jede Menge Studien mit schlecht erhobenen oder unzureichenden Daten, kritisierte er.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits am Mittwoch mitgeteilt, dass ausgesetzte Tests mit Hydroxychloroquin bei Covid-19-Erkrankten wieder aufgenommen werden. Das Mittel ist Bestandteil einer von der WHO koordinierten Forschungsreihe mit mehr als 3.500 Patienten in 35 Ländern. Auch diese Versuche waren Ende Mai nach der „Lancet“-Studie vorübergehend ausgesetzt worden. (dpa/afp/er)
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