SPD fordert Spahns Rücktritt – Opposition erwartet Erklärung zu Maskenvorwürfen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht nach einem Medienbericht über fragwürdige Vorgänge rund um die massenhafte Beschaffung minderwertiger Corona-Schutzmasken weiter massiv in der Kritik.
Sowohl der Koalitionspartner SPD als auch die Opposition werfen dem Minister schweres Fehlverhalten vor. Der SPD-Ko-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans forderte CDU-Chef Armin Laschet auf, Spahn von seinem Posten zu entbinden. Grüne, FDP und Linke verlangten sofortige Aufklärung. Das Gesundheitsministerium verteidigte Spahns Vorgehen.
„Es ist unwürdig und menschenverachtend, wenn ein Gesundheitsminister Menschen in zwei Klassen einteilt, nämlich die mit Anspruch auf qualitätsgeprüfte Masken und die, für die absolut untaugliche Masken gut genug sind, um ihr Leben eben nicht zu schützen“, sagte Walter-Borjans der „Bild am Sonntag“. Er forderte Laschet auf, zu überdenken, ob dieses „skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist“.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, zu Berichten über die massenhafte Beschaffung minderwertiger Corona-Schutzmasken und deren geplante Verteilung an Obdachlose, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger Stellung zu beziehen.
„In der kommenden Woche erwarte ich eine Regierungserklärung zu diesem unfassbaren Vorgang und umgehend eine Positionierung der Bundeskanzlerin“, sagte Bartsch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben). „Es ist noch ihre Regierung.“
Bartsch bezeichnete angebliche Pläne im Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) als schwere Missachtung von Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Das Gesundheitsministerium hatte ein Fehlverhalten bereits am Wochenende zurückgewiesen.
Spahn sieht hinter Vorwürfen „wahltaktisches Kalkül“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Vorwurf zurückgewiesen, er habe Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern minderwertige Corona-Schutzmasken anbieten wollen, und gleichzeitig die SPD kritisiert.
„Für uns im Bundesministerium für Gesundheit hatte und hat die Sicherheit von Schutzmasken absolute Priorität“, erklärte Spahn am Sonntag.
Die Schutzmasken, um die es aktuell gehe, seien zusammen mit TÜV Nord und Dekra „intensiv geprüft“ worden. Auch ohne EU-Zertifikat hätten sie nachweislich alle Eigenschaften, die für den Infektionsschutz nötig seien.
„Dass einige nun bewusst Obdachlose und Menschen mit Behinderung verunsichern, um Stimmung zu machen, sagt mehr über den Zustand der SPD als über die Qualität der Masken aus“, teilte Spahn weiter mit. Es sei empörend, dass „aus wahltaktischem Kalkül“ der Vorwurf erhoben werde, „dass die Regierung so mit den vulnerablen Gruppen unserer Gesellschaft umginge.“
Obdachlosenvertreter reagieren empört auf Masken-Affäre
Obdachlosenvertreter haben mit Empörung und Unverständnis auf Medienberichte reagiert, nach denen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angeblich unzureichend getestete Masken an Obdachlose verteilen wollte. „Wohnungslose Menschen sind und waren in der Pandemie besonders gefährdet“, sagte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW), Werena Rosenke, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben). Sie lebten in eng belegten Gemeinschaftsunterkünften, das Leben auf der Straße mache krank, viele litten an Mehrfacherkrankungen.
„Diese Menschen hätten schnell mit sicheren Masken ausgestattet werden müssen“, so Rosenke. Mit der Verteilung schlecht geprüfter Masken wäre das Gegenteil passiert: „Man hätte wohnungslose Menschen und mit ihnen haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende in Hilfeangeboten wissentlich zusätzlich gefährdet. Denn mit diesen schadhaften Masken wäre ihnen eine falsche Sicherheit vorgegaukelt worden. Das ist verwerflich.“
FDP: „Änderung des Infektionsschutzgesetzes verhindern“
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer erklärte dazu, die SPD müsse nach den Rücktrittsforderungen nun auch die von Spahn „in einer Nacht- und Nebelaktion geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes verhindern“. Mangelhafte Masken dürfen nicht eingelagert werden.
Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte forderte Spahn auf, in der kommenden Sitzungswoche eine umfassende Regierungserklärung abzugeben. „Eigentlich ist auch die Kanzlerin gefragt, sich zu ihrem Skandalminister mal zu äußern.“
Göring-Eckardt erwartet von Spahn eine Erklärung
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt twitterte, sie erwarte von Spahn eine Erklärung und die umfängliche Aufklärung der Vorwürfe. „Dass ausgerechnet Menschen mit Behinderung, Obdachlose und Grundsicherungsempfänger mit unzulänglichen Masken beliefert werden sollten, erschüttert mich zutiefst“, schrieb sie.
Hintergrund ist ein „Spiegel“-Bericht vom Freitag. Demnach hatte das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2020 für schätzungsweise eine Milliarde Euro unbrauchbare Masken gekauft. Diese seien – auch nach damals geltenden Sonderregeln – nicht frei verkehrsfähig gewesen und hätten daher vor ihrem Einsatz im Labor überprüft werden müssen.
Das Gesundheitsministerium habe zwischenzeitlich vorgehabt, solche Masken an Obdachlose, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger zu verteilen, berichtete das Magazin weiter. Das für die Maskensicherheit zuständige Arbeitsministerium unter SPD-Führung habe dem seine Zustimmung verweigert.
Bundesgesundheitsministerium bemühte sich Vorwürfe zu zerstreuen
Das Bundesgesundheitsministerium bemühte sich nun, die Vorwürfe zu zerstreuen. Bei der kostenlosen Verteilung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe „stand jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund“, betonte das Ministerium am Samstag.
Bei der Beschaffung von medizinischem Material „in der damaligen Notlage“ sei „strikt auf Qualität geachtet“ worden. Soweit bei Testverfahren die „Mangelhaftigkeit“ festgestellt worden sei, habe das Ministerium die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt. Für Hartz-IV-Bezieher seien Masken über die Apotheken verteilt worden. „Diese wurden von den Apotheken beschafft, Bestände des Bundes wurden hierzu nicht genutzt und dies war auch nicht geplant.“
Zur angeblich geplanten Vernichtung der Masken erklärte das Ressort, Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen habe die Bundesregierung nicht getroffen. „Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt.“ (afp/dts)
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