Deutschland erfüllt nicht vollständig die Minimalstandards zur Beseitigung von Menschenhandel
Das US-Außenministerium stellte heute seinen aktuellen Bericht zum Thema Menschenhandel vor – und stuft darin erstmals Deutschland nur noch in Rang 2 der Anstrengungen der Staaten bei der Bekämpfung von Menschenhandel ein.
Das größte Defizit sei, dass die deutsche Justiz für zu wenig Abschreckung sorge. Die USA bezieht sich auf die Zahlen des „Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2017“. Der gesamte Bericht des US-Außenministeriums umfasst 538 Seiten und enthält alle Länder, auf Deutschland wird ab Seite 205 eingegangen.
Dort heißt es: „Die Regierung von Deutschland erfüllt die Minimalstandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig. Aber sie macht bemerkenswerte Fortschritte.“
Und weiter: „Die Regierung unternahm im Berichtszeitraum erhebliche Anstrengungen, um die Mindeststandards einzuhalten, indem sie mehr Opfer von Menschenhandel ermittelte, umfangreiche Untersuchungen über Zwangsprostitution einleitete und die Mittel für Opferschutz und -unterstützung aufstockte.“
Im Allgemeinen gibt es Haftstrafen – aber nicht für alle Täter in Deutschland
Die Mindeststrafen schreiben im Allgemeinen eine Inhaftierung für verurteilte Menschenhändler vor.
Dieser Punkt wird in Deutschland nur unzureichend erfüllt. Nur 36 Prozent der 2017 wegen Zwangsprostitution verurteilten Straftäter verbüßten eine Haftstrafe. Ähnliches trifft auf Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung zu, wo die Straftäter lediglich Geldstrafen erhielten.
Die Daten der Strafverfolgungsbehörden zeigen auch, dass die Verurteilungen wegen Menschenhandels seit 2009 insgesamt mehrjährig zurückgegangen sind. Daher wurde Deutschland auf Ebene 2 herabgestuft.“
Verurteilungen, die der Schwere angemessen sind
- Vermutete Arbeits- und Sexhändler ermitteln und zu Strafen verurteilen, die der Schwere des Verbrechens angemessen sind.
- Beschaffung und Veröffentlichung aufgeschlüsselter Daten über Verurteilungen, bei denen Gerichte Angeklagte sowohl wegen Menschenhandels als auch wegen einer oder mehrerer anderer schwerer Straftaten verurteilen.
- Erweiterung der speziellen Unterstützungen, Dienstleistungen und Unterkünften für junge und männliche Opfer.
- Verbesserung der Verfügbarkeit von Schulungen für Richter über die Beurteilung von Fällen von Menschenhandel, sowohl durch gezielte Kurse über Menschenhandel als auch durch ähnliche Module in breiteren Schulungen.
- Schaffung eines nationalen Überweisungsmechanismus für Opfer in allen Staaten.
- Ausbau der Kapazitäten von Ermittlern, Staatsanwälten und Gerichten mit spezifischem Fachwissen über Fälle von Menschenhandel, um Verzögerungen bei der Einleitung von Verfahren zu minimieren.
- Ernennung eines nationalen Berichterstatters, der eine unabhängige Überprüfung der Bemühungen der Regierung sowohl gegen den Arbeits- als auch gegen den Sexhandel durchführt.
Den USA fiel auf, dass deutsche Behörden manchmal verdächtige Menschenhändler eher mit Straftaten belasten, die leichter nachzuweisen seien. Als Ursache sehen sie den komplexen Wortlaut und Anwendungsbereich im Strafgesetzbuch § 233, die Zuständigkeit liegt in Deutschland bei den staatlichen Gerichten. 2017 ermittelten die Landesregierungen 338 mal zum Thema Menschenhandel, im Jahr 2016 war es noch 375 mal.
Die Zahlen: In 40 Prozent der Ermittlungen wurden Minderjährige Opfer
Davon entfielen 327 auf Sexhandel (verglichen mit 363 im Jahr 2016) und 11 auf Menschenhandel (verglichen mit 12 im Jahr 2016). Von den Ermittlungen betrafen 157 (48 Prozent) zusätzliche schwere Verbrechen, darunter Vergewaltigung, Körperverletzung und Entführung. In 40 Prozent der Ermittlungen wurden Minderjährige Opfer. Die Polizei identifizierte 550 verdächtige Menschenhändler aus diesen Untersuchungen (523 für Sexhandel und 27 für Arbeitshandel), verglichen mit 551 verdächtigen Menschenhändlern im Jahr 2016.
Deutsche Bürger machten 25 Prozent der Verdächtigen aus, gefolgt von Bulgaren (22 Prozent) und Rumänen (18 Prozent). Die Zahl der nigerianischen Verdächtigen (acht Prozent) hat sich ab 2016 verdreifacht.
Die Bundesländer haben 2017 insgesamt 76 Angeklagte wegen Menschenhandels verfolgt, darunter 71 Angeklagte wegen Sexhandel und fünf wegen Menschenhandel. Die Zahl der Strafverfolgungsmaßnahmen sank von 90 im Jahr 2016 und 89 im Jahr 2015 und war die geringste seit 10 Jahren.
Die Gerichte verurteilten 50 Angeklagte, verglichen mit 72 im Jahr 2016 und 77 im Jahr 2015. Von diesen verurteilten die Gerichte 47 Angeklagte wegen Sexhandel und drei wegen Menschenhandel. Dies führte zu einem stetigen und signifikanten Rückgang der jährlichen Verurteilungen seit 2007. Während dieses Zeitraums reichten die Verurteilungen von 88 im Jahr 2014 bis 123 im Jahr 2007 und durchschnittlich 116 Verurteilungen wegen Menschenhandels pro Jahr.
Verurteilte Menschenhändler vermieden häufig Haftstrafen und erhielten Bewährungsstrafen oder Geldstrafen. Nach der deutschen Strafpraxis verhängen Richter in der Regel Bewährungsstrafen unter zwei Jahren, insbesondere für Ersttäter, für die meisten Verbrechen, einschließlich Verurteilungen wegen Menschenhandels.
Von den 50 Verurteilungen im Jahr 2017 führten 26 zu Bewährungsstrafen und Angeklagten, die keine Haftzeit verbüßten, sieben verurteilte Menschenhändler erhielten nur Geldstrafen, und 18 (oder 36 Prozent) erhielten und verbüßten Haftstrafen, ein leichter prozentualer Anstieg gegenüber 2016 (35 Prozent).
Von den 18 Angeklagten, die eine Freiheitsstrafe erhielten, reichten die Strafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, von denen 12 zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünf Jahren, einer fünf bis zehn Jahre und fünf weniger als zwei Jahre verurteilt wurden. Im Vergleich dazu saß ein höherer Prozentsatz der 2017 wegen Vergewaltigung verurteilten Angeklagten im Gefängnis (55 Prozent) und erhielt im Durchschnitt längere Haftzeiten.
2017 untersuchte die deutsche Polizei 12 Fälle von Menschenhandel, verglichen mit 19 im Jahr 2016. In diesen Fällen identifizierte die Polizei 27 Verdächtige, genau wie im Jahr 2016. Die Behörden haben fünf mutmaßliche Menschenhändler verfolgt, ein starker Rückgang von 19 im Jahr 2016 und 12 im Jahr 2015. Die Gerichte verurteilten drei Menschenhändler, darunter 12 im Jahr 2016 und fünf im Jahr 2015. Alle drei waren jünger als 21 Jahre und erhielten eine Geldstrafe.
Berlin zählt dabei als Drehscheibe des Menschenhandels, wie dieser aktuelle Fall mit vietnamesischen minderjährigen Sklavenarbeitern zeigt.
Auch Italien, Dänemark, Polen, Rumänien, die Slowakei und Aserbaidschan wurden zurückgestuft.
Bundesjustizministerium: Im Bericht des Europarates steht Deutschland besser da
Das Bundesjustizministerium entwickle seine Strategien „kontinuierlich weiter“, wie ein Sprecher der „Welt“ sagte. Das Ministerium veröffentlichte nahezu gleichzeitig den Bericht des Europarats zum Stand der Bekämpfung von Menschenhandel. Darin schneidet Deutschland deutlich besser ab.
Demnach habe Deutschland seine Gesetze zur Bekämpfung von Menschenhandel seit dem vorangegangenen Bericht im Jahr 2015 signifikant verbessert. Jedoch:
- In Deutschland gibt es noch keinen nationalen Aktionsplan und keine Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels.
- Deutschland fehlt es auch an Datenbanken, mit denen man überhaupt einen Überblick über die Ausmaße von Menschenhandel erhalten könne.
Der Bericht des Europarates fordert die deutschen Behörden auf, dafür zu sorgen, dass alle Opfer von Menschenhandel, unabhängig von der Form der Ausbeutung, effektiven Zugang zu Hilfe und Schutz haben. Und das unabhängig davon, ob sie mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten. Hilfe, einschließlich sicherer Unterkünfte, muss auch für männliche Opfer von Menschenhandel geleistet werden.
Deutschland müsse besser sicherstellen, dass unbegleitete und getrennte Kinder in den Genuss wirksamer Betreuungsregelungen kommen, einschließlich angemessener Unterkünfte, Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung, um den Menschenhandel zu verhindern.
Weitere Schritte sind laut dem Bericht des Europarates erforderlich, um den Zugang zur Entschädigung für Opfer von Menschenhandel zu erleichtern und zu gewährleisten. Die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfahren zur Entschädigung sollten wirksamer sein und es den Opfern ermöglichen, ihr Recht auf Entschädigung auszuüben, indem sie sie – in einer Sprache, die sie verstehen können – über das Recht auf Entschädigung und die anzuwendenden Verfahren informieren.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion