EnBW-Finanzchef: Uns droht, die Akzeptanz für die Energiewende zu verlieren

Der süddeutsche Netzriese EnBW zieht Bilanz nach der Dunkelflaute der vergangenen Woche – und sendet einen Warnruf nach Berlin. Alle Kraftwerke seien am Netz gewesen. Deutschland benötige künftig mehr Reserve.
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Das EnBW-Kraftwerk Stuttgart-Münster. Der Finanzvorstand Thomas Kusterer fordert von der Politik „wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, statt den maximalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren“.Foto: Kostas Koufogiorgos/iStock
Von 22. Dezember 2024

Angesichts der kürzlichen beiden Dunkelflauten schickt der baden-württembergische Energieversorger EnBW einen eindringlichen Appell an die Bundespolitik in Berlin. Um künftig auf solch ein Strommangelszenario mit wenig bis kein Sonnenlicht und Wind besser vorbereitet zu sein, sollen mehr Reservekraftwerke in Deutschland entstehen.

„Aus der Kernenergie sind wir ausgestiegen, Kohle schalten wir ebenfalls ab“, sagte Finanzvorstand Thomas Kusterer am Donnerstag, 19. Dezember, dem Sender ntv. „Es bleiben zunehmend ältere Kraftwerke übrig.“ Er fügte hinzu: „Die werden aber nicht jünger, deren Effizienz und Verfügbarkeit nehmen ab.“

Weiter sagte Kusterer: „Wir als EnBW hatten vergangene Woche sämtliche verfügbare Kraftwerke am Netz, zusätzlich gab es Stromimporte aus dem Ausland. Der Markt hat genau das getan, was er tun soll. Aber die letzten Reservekraftwerke, die eingesetzt wurden, waren ineffizient und teuer.“ Das macht deutlich, wie knapp Deutschland an einem möglicherweise dramatischen Stromchaos vorbeigeschrammt ist.

Mini Leistung, Maxi Preis

In der vergangenen Woche am Mittwoch und Donnerstag, den 11. und 12. Dezember, brach die Stromerzeugung aus Sonne und Wind in Deutschland fast vollständig weg. Der Stromertrag aller inländischen Photovoltaik- und Windkraftanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von rund 163 Gigawatt (GW) lag im Zeitraum von 52 Stunden bei unter 4,4 GW. Das Minimum lag bei gut 1 GW. Der Stromverbrauch oder -bedarf lag jedoch bei bis zu 70 GW. Bei der Dunkelflaute Anfang November schafften Wind und Solar kurzzeitig sogar weniger als 0,1 GW.

Deswegen mussten die Netzbetreiber wie Kusterer erwähnte, alle verfügbaren Reservekraftwerke hochfahren – selbst Gas- und Ölkraftwerke, die im Normalfall nicht im Einsatz sind. Nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip sind diese Kraftwerksarten die teuersten. Da sich der Strompreis aber am teuersten Kraftwerk orientiert, das gerade in Betrieb ist, reagierte die Strombörse entsprechend.

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Selbst schmutzige Ölkraftwerke mussten die Netzbetreiber bei der Dunkelflaute hochfahren (Symbolbild). Foto: Mario Tama/Getty Images

So schnellte am 12. Dezember der Preis der sogenannten Day-Ahead-Auktion in die Höhe. Vorübergehend überschritten die Erzeugungspreise die Marke von 900 Euro pro Megawattstunde (MWh) und erreichten Rekordniveau. „Das war nur in einer Stunde so und es drohte auch kein Blackout. Aber man sieht: Das System ist im Grenzbereich unterwegs“, so der EnBW-Manager.

Hierbei ist zu erwähnen, dass der Strompreis am 12. Dezember von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr mit weit über 200 Euro pro MWh gehandelt wurde. Auch am Tag davor lag der Preis im gleichen Tageszeitraum bei über 200 Euro. Normal ist ein Preis von rund 70 Euro.

Einen Blackout, also großflächigen Stromausfall, gab es tatsächlich nicht. Das hat Deutschland aber wohl nur der Unterstützung in Form von Stromlieferungen von fast all seinen Nachbarländern zu verdanken. Zur Zeit des Höchstpreises fehlten an jenem Donnerstag rund 16 GW. Am Mittwochmorgen um 9:30 Uhr lag das Manko bei mehr als 19 GW. Das entspricht der Leistung von fast 14 Kernkraftwerken. Trotz des vermiedenen Blackout gab es mehrere Meldungen von lokalen Stromausfällen und Unterspannung im Netz.

Kusterer: „Verlieren die Akzeptanz“ für die Energiewende

Im Zuge dessen kritisiert Kusterer, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien bisher umgesetzt wurde. „Die Zielsetzung ist richtig, und 80 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 sind machbar“, sagte er. „Aber wir müssen uns über den sinnvollsten Weg dorthin unterhalten.“

Dem Finanzvorstand zufolge sind in den vergangenen Jahren zwei wichtige Aspekte aus dem Blick geraten, die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit. „Wenn wir den Umbau des Energiesystems nicht kosteneffizient umsetzen, verlieren wir die Akzeptanz“, sagte er weiter. „Aber ohne grundsätzliche gesellschaftliche Akzeptanz werden wir nicht erfolgreich sein.“

Die Forderung des Energieversorgers ist eindeutig: „Es ist jetzt wirklich Zeit, wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen, statt den maximalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren“, sagte Kusterer mit Blick auf weitere mögliche Dunkelflauten. In der Zeit um die Wintersonnenwende ist ohnehin mit kaum Leistung aus Photovoltaikanlagen zu rechnen. Wenn dann wieder der Wind schwächelt, droht der nächste Stresstest für die deutsche Stromversorgung.

EnBW will kein Atom-An

Leistungsstarke Grundlastkraftwerke wären auch Kernkraftwerke (KKW). Den Wiedereinstieg in diese hierzulande stillgelegte Kraftwerksart hat beispielsweise auch schon die Union gefordert.

Diese Option hat EnBW-Kernkraftchef Jörg Michels Anfang Dezember allerdings bereits ausgeschlossen. „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt.“ Das deutsche Atomgesetz sehe eindeutig vor, dass in den Reaktoren kein Strom mehr produziert werden dürfe, so Michels. Bei optimaler Zusammenarbeit mit Politik und Behörden würde der Bau mehr als zehn Jahre dauern, schätzte er.

Auch der Kernenergietechniker Manfred Haferburg hält ein Atom-An unter den aktuellen politischen Voraussetzungen für schwierig. Dennoch könnten seiner Aussage nach die KKW Isar 2, Neckarwestheim, Philippsburg, Emsland, Grohnde, Brokdorf und vielleicht auch Krümmel wieder repariert werden.

Derweil setzen rund 20 große Staaten auf die Kernenergie. Sie erklärten, dass sie die weltweite Kernenergiekapazität bis zum Jahr 2050 verdreifachen wollen. Die Finanzmittel dafür dürften in ausreichender Menge bereitstehen. Dieses Ziel unterstützen 14 der weltweit größten Banken.

(Mit Material von dts)



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