Neue Dunkelflaute verärgert Deutschlands Stromhandelspartner

Keine Sonne, kaum Wind: Erneut gerät Deutschlands zunehmend wetterabhängige Stromversorgung ins Wanken. Diesmal hat die aktuelle Dunkelflaute auch Auswirkungen auf einige europäische Strompartner. Zwei Länder wettern gegen die deutsche Energiewende.
Dunkelflaute
Gerade in den Wintermonaten liefern Solaranlagen nur wenig Strom. Wenn dann auch noch der Wind fehlt, kommt das Stromnetz an seine Grenzen.Foto: Galeanu Mihai/iStock
Von 13. Dezember 2024

Nach dem 6. November erlebte Deutschland am Donnerstag, 12. Dezember, die nächste gravierende Dunkelflaute. Dabei kletterte dieses Mal der Börsenstrompreis auf ein Rekordniveau.

Am frühen Donnerstagabend ab 17:00 Uhr, als die Dezembersonne längst untergegangen ist, befand sich die Leistung aller Photovoltaikanlagen bei null. Zur gleichen Zeit herrschte auch weitestgehend Windstille über Mitteleuropa, weshalb die meisten deutschen Windkraftanlagen regungslos blieben.

Windmangel treibt den Strompreis

Lediglich 1,3 bis 1,5 Gigawatt (GW) konnten die rund 30.000 Windkraftanlagen mit einer installierten Gesamtleistung von knapp 72 GW zu dieser Zeit dem Stromnetz bereitstellen.

Der Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der Stromerzeugung sank auf den Tiefpunkt von knapp 17 Prozent. Hier sind neben Wind und Solar auch Wasser, Biomasse und Geothermiekraftwerke mit eingerechnet. In den vergangenen Wochen schwankte dieser Wert zwischen 25 und über 80 Prozent, je nach aktuellen Wetterbedingungen.

Nettostromerzeugung durch Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland vom 9. bis 13. Dezember 2024. Foto: Bildschirmfoto /energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Dieser Mangel an Licht und Wind hat den Strompreis an der Strombörse in die Höhe getrieben. Gut 936 Euro hat die Megawattstunde (MWh) gekostet. Das sind umgerechnet 0,936 Euro pro Kilowattstunde. Normal sind Preise um die 70 Euro für die MWh. Der Börsenstrompreis erhöht sich bei Stromknappheit deswegen, weil auch die Leistung von deutlich teureren Kraftwerken benötigt wird, die sonst nicht im Einsatz sind.

Industrie schaltet ab

So hoch wie an diesem Abend war der Börsenstrompreis nicht einmal vor gut zwei Jahren zur Energiekrise. Der Höchstwert lag am 29.08.2022 bei 871 Euro pro MWh.

Donnerstags Rekordpreis zwang einige Industrieunternehmen die Produktion in ihren Werken herunterzufahren. So etwa das Stahlwerk der Firma Feralpi in Sachsen. „Aufgrund hoher Strompreise im Spotmarkt mussten wir in diesem Jahr bereits mehrmals unsere Produktion im Elektrostahlwerk von Feralpi Stahl in Riesa stoppen“, erklärte Werksdirektor Uwe Reinecke gegenüber dem „Handelsblatt“. Auch in dieser Dunkelflaute-Woche stand die Produktion am Mittwoch und Donnerstag still. Dieser Produktionsstopp habe zu Kosten im höheren sechsstelligen Bereich geführt.

Doch dieser Verlust ist das kleinere Übel. Reinecke sagte: „Wir stoppen in solchen Phasen die Produktion im Stahlwerk, um uns vor noch größeren Verlusten zu schützen. Das geht klar zulasten von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Wir erreichen unsere Jahresproduktionsziele nicht.“ Der Werksdirektor sagte, er ärgere sich darüber, dass Deutschland selbst für solch hohe Strompreise gesorgt habe. Die Folgen für die energieintensive Industrie seien nicht beachtet worden.

Rettungsanker Import

Aufgrund des knappen inländischen Stromangebots von nur gut 51 GW konnten die deutschen Kraftwerke zusammengenommen nicht die Last in Höhe von gut 67 GW bedienen. Die fehlenden rund 16 GW mussten die Netzbetreiber größtenteils aus dem Ausland einkaufen, um auch das Netz stabil halten zu können.

Nettostromerzeugung aller Kraftwerksarten in Deutschland vom 09. bis 13. Dezember 2024. Foto: Bildschirmfoto /energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Die größten Stromgeberländer waren an diesem Abend die Schweiz mit knapp 3,5 GW und Frankreich mit gut 2,7 GW. Dabei war Frankreich offenbar an der Grenze des Möglichen. Der Energieexperte Herbert Saurugg teilte auf der Social-Media-Plattform 𝕏 mit: „In Frankreich wurde erwartet, dass aufgrund der enormen Preisunterschiede zu den Nachbarländern und den damit verbundenen Exporten keine Reserven für den Ausgleich mehr vorhanden sein würden.“

Aus Tschechien flossen rund 1,2 GW über die Grenze in die Bundesrepublik. Österreich schickte rund 1,9 GW über die Grenze. Auch die Nordländer mussten den deutschen Netzbetreibern unter die Arme greifen. So strömten rund 1,35 GW aus Norwegen, rund 1 GW aus Dänemark und rund 0,6 GW aus Schweden nach Deutschland. Weitere Importe kamen aus Belgien und Polen.

Somit erhielt Deutschland am frühen Donnerstagabend von fast jedem seiner Nachbarländer zeitgleich Strom – ein eher seltenes Szenario. Denn im Normalfall beliefert auch Deutschland einige seiner Nachbarn mit gewissen Strommengen

Doch an jenem Donnerstagabend war die Differenz zwischen inländischer Stromproduktion und der Last (Bedarf) noch nicht die höchste. Schlimmer sah es von diesem Aspekt her in dieser Woche einen Tag zuvor aus. Am Mittwochmorgen erzeugten die Kraftwerke hierzulande um 9:30 Uhr knapp 49,8 GW, während die Last bei 69 GW lag – eine Diskrepanz von mehr als 19 GW. Das entspricht der Leistung von fast 14 Kernkraftwerken.

Auch am Freitag lag die deutsche Stromproduktion deutlich hinter dem Bedarf. Im Zeitraum von 7:00 bis 8:00 Uhr verbrauchte das gesamte Land knapp 64 Gigawattstunden. Alle inländischen Kraftwerke kamen aber nur auf knapp 49 Gigawattstunden. Somit deckten erneut Importe aus dem Ausland rund ein Viertel des Stromverbrauchs ab.

Schweden „wütend“ auf Deutschland

Kritik über die deutsche Energiepolitik kommt derweil aus Schweden. So etwa von der stellvertretenden Ministerpräsidentin und Energieministerin Ebba Busch. Auf 𝕏 schrieb sie: „Die Achterbahnfahrt der Strompreise ist schlimm. […] Das ist eine Folge der Abschaltung der Kernkraftwerke. Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise, wie die deutschen Strompreise […] zeigen.“

Gegenüber der schwedischen Boulevardzeitung „Aftonbladet“ sagte Busch: „Ich bin wütend auf die Deutschen.“ Sie fordert die deutsche Regierung auf, im Norden eine Strompreiszone einzuführen. „Wir halten ein Riesenkabel nach Deutschland als Geisel, weil Deutschland sein Energiesystem nicht in Ordnung bringt. Wir sind indirekt noch abhängiger von fossilen Brennstoffen, nachdem sie ihre fossilfreie Atomkraft abgeschaltet haben.“

Auch kritisiert die schwedische Ministerin, dass das skandinavische Land von Deutschlands „himmelhohen Strompreisen betroffen“ ist. Tatsächlich spiegelt sich das in den durchschnittlichen Börsenstrompreisen der verschiedenen europäischen Strompreiszonen vom Donnerstag wider. Es scheint so, dass mit der Nähe zu Deutschland der jeweilige Börsenstrompreis zunimmt.

In den beiden nördlichen Zonen Schwedens lag der Strompreis bei günstigen etwa 10 Euro für die MWh. Die beiden südlichen Zonen lagen die Preise im dreistelligen Bereich; mit rund 310 Euro war er in der südlichsten Zone am höchsten. In Deutschland lag der Preis an diesem Tag bei rund 395 Euro.

Durchschnittlicher Börsenstrompreis der europäischen Strompreiszonen am 12.12.2024. Foto: Bildschirmfoto /energy-charts.info/Fraunhofer ISE

Norwegen überlegt, Leitungen abzuschalten

Ein ähnliches Bild ergibt sich in Norwegen. Während in der nördlichsten Strompreiszone die MWh gut 10 Euro kostete, verteuerte sich der Preis Richtung Süden deutlich bis auf gut 348 Euro.

Deswegen gibt es auch lautstarke Kritik von dort. Die jüngste mitteleuropäische Dunkelflaute in Kombination mit den vielen wetterabhängigen Erneuerbaren hat den norwegischen Energiepreis am Donnerstag auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2009 getrieben. Er lag mit umgerechnet 109 Euro pro MWh beim nahezu Zwanzigfachen des Niveaus der Vorwoche.

Norwegens Energieminister Terje Aasland äußerte sich gegenüber der „Financial Times“ mit einem Kraftausdruck: „Es ist eine absolut besch*****e Situation“.

Das könnte Konsequenzen für Deutschland haben: Das westskandinavische Land überlegt, die Leitungen abzuschalten. Ebenso soll es neue Verhandlungen mit Großbritannien und Deutschland geben. Auch gibt es in Norwegen Forderungen, den eigenen Strom zuerst selbst zu nutzen und weniger zu exportieren.

Mit jedem Land, dass sich dazu entscheidet, mit Deutschland keinen Stromhandel mehr zu betreiben, dürfte künftig die Netzstabilität Deutschlands weiter ins Wanken geraten. Und die Wahrscheinlichkeit von geplanten Stromabschaltungen – sogenannten Brownouts – bei einem Engpass steigt.



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