Haferburg: „Die Energiewende ist gescheitert, Kernenergie rettet sie auch nicht mehr“

Wie stehen die Chancen, dass in Deutschland wieder Kernreaktoren Strom produzieren? Und wie könnte die Technologie der nächsten Jahrzehnte aussehen? Der Kernenergietechniker Manfred Haferburg steht der Epoch Times Rede und Antwort.
Haferburg: „Die Energiewende ist gescheitert, Kernenergie rettet sie auch nicht mehr“
Ein Bild aus der Vergangenheit: Wird in Deutschland jemals wieder Wasserdampf aus einem Kernkraftwerk entweichen?Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 12. April 2024

Deutschland ist mit dem Atomausstieg vor einem Jahr deutlich zum Stromimporteur geworden. Sprich: Die inländischen Kraftwerke können nicht zu jeder Zeit ausreichend Strom produzieren. Über Ostern mussten die Netzbetreiber mehrmals rund 18 Gigawatt aus den Nachbarländern einkaufen, um den Bedarf des Landes abdecken zu können. Das entspricht der Leistung von 13 großen Kernkraftwerken (KKW).

Im Gegensatz zu Deutschland setzen mehrere große Industriestaaten auf den Ausbau und die Weiterentwicklung der Kernenergie. Wird auch Deutschland irgendwann wieder zur Kernkraft zurückkehren? Und wie lange würde es dauern, bis solch ein Kraftwerk in Betrieb ist? Um diese Fragen zu beantworten, sprach Epoch Times mit dem Kernenergietechniker und ehemaligen Oberschichtleiter des KKW Greifswald, Manfred Haferburg.

Haferburg hat an der Technischen Universität Dresden Kernenergetik studiert. Anschließend arbeitete er in mehreren deutschen KKW und schaffte es schnell in Führungspositionen. Später war er für einen großen deutschen Energieversorger tätig und für 16 Jahre in einer Pariser Watchdog-Organisation für nukleare Sicherheit für KKW beschäftigt. Dabei hat er in mehr als 120 Kernkraftwerken weltweit gearbeitet, kennt also mehr Kernkraftwerke von innen als irgendjemand anderes.

Herr Haferburg, halten Sie es für wahrscheinlich, dass die Kernkraft in den kommenden Jahren in Deutschland zurückkehrt?

Wohl kaum. Der Fadenriss tritt mit dem Rückbau der letzten KKW ein. Die Behörden können bald keine Atomaufsicht mehr führen, da das qualifizierte Personal der Behörden sich anderweitig orientiert oder in den Ruhestand geht. Die Betreiber können keine Kernkraftwerke mehr fahren, da das lizenzierte Personal nicht mehr da ist.

Zudem sollen Ausbildungseinrichtungen wie KSG/GFS in Essen – die größte Simulatorschule der Welt mit 17 Simulatoren – aufgelöst werden. Die Ausbildung eines Schichtleiters dauert fünf Jahre; das sind die besten Technologen der Welt. Die Universitäten bilden keine Kerntechniker mehr aus, weil sich keine jungen Leute finden, die „tote Pferde“ – so Bundeskanzler Scholz – reiten wollen.

Derzeit gibt es noch acht Lehrstühle, die so etwas anbieten, aber es gibt 173 Genderlehrstühle. Die deutschen Hersteller – einst die Erbauer der weltbesten KKW – können schon keine Kernkraftwerke mehr bauen, weil die Kompetenz ausgewandert ist.

Wie lange dauert es bis zur Inbetriebnahme, ein KKW zu bauen? Laut einer Analyse mit Daten von KKW seit den 1950er-Jahren beträgt die Bauzeit sechs bis acht Jahre. Ist das realistisch?

In einer normalen Welt könnte man ein KKW in fünf bis sechs Jahren bauen. Die Chinesen, Russen und Koreaner können das, wie viele ihrer Projekte beweisen. Die Deutschen können das nicht mehr. Aber das hat wenig mit der Technologie KKW zu tun. Die Deutschen können ja auch keinen Bahnhof oder Flugplatz oder Opernhaus mehr zügig und kostengünstig bauen. Nicht einmal ein Kanzleramt.

Diese Projekte ersticken in einer sich völlig verselbstständigenden Bürokratie. Das ist nicht nur in Deutschland so. Beim Bau des KKW Olkiluoto 3 in Finnland wurden während der Bauphase fast 100 Projektänderungen verlangt, was solch ein Projekt unheimlich verzögert und teuer macht. Die Bürokraten sichern sich ab, indem sie, ohne jede Verantwortung übernehmen zu müssen, immer neue Forderungen in den Raum stellen. Diese müssen erst einmal erfüllt und bezahlt werden, weil sonst die Genehmigung nicht erteilt wird.

Wir konnten mal KKW in sechs Jahren bauen. Heute haben wir das verlernt. Das hängt auch damit zusammen, dass Schlüsselpositionen in den Behörden mit Grünen besetzt wurden.

Wenn Deutschland mal wieder ein KKW braucht, müssen wir es von den Koreanern, Russen oder Chinesen kaufen und womöglich auch betreiben lassen. Wir können dann aber die Betriebshandbücher vorbildlich gendern.

Wie lange dauert es, ein stillgelegtes KKW wieder produktiv hochzufahren?

Das hängt vom Status des Rückbaus ab. Durch das Dekontaminieren sind die Kraftwerke noch nicht kaputt. Erst wenn das Druckgefäß des Reaktors zersägt wird, geht es nicht mehr. Ich denke, für die zuletzt abgeschalteten Kraftwerke braucht es zwei bis drei Jahre, um sie wieder anzufahren.

Der kritische Weg sind die Fähigkeiten der Hersteller zum Wiederzusammenbauen und die Besetzung mit Personal. Das kostet vielleicht zwei oder drei Milliarden. Diese Summe steht aber in keinem Vergleich zu einem Neubau. Dafür könnten Isar 2 oder Emsland noch 30 Jahre billigsten Strom zu vier bis fünf Cent pro Kilowattstunde produzieren.

Wie ist die Lage in Deutschland? Bei welchen KKW lohnt es sich, diese wieder hochzufahren? Wie viel Gigawatt stünden uns dann zur Verfügung?

Nach meiner Einschätzung könnten die KKW Isar 2, Neckarwestheim, Philippsburg, Emsland, Grohnde, Brokdorf wieder repariert werden. Vielleicht auch Krümmel, der leistungsstärkste Siedewasserreaktor der Welt, der seit zehn Jahren auf seine Rückbaugenehmigung wartet. Das wären dann etwa zehn Gigawatt Leistung und könnte den Strompreis erheblich senken.

Aber ich sehe diese Chance politisch nicht realisierbar. Zu sehr sind die meisten Politiker, die das Sagen haben, von der jahrelangen Ausstiegspolitik kontaminiert. Dann müssten sie ja zugeben, dass sie einen gigantischen Fehler begangen haben und für die Vernichtung von Hunderten Milliarden an Steuermitteln verantwortlich sind. Ebenso müssten die meisten Medien und viele Mitwissenschaftler ihr Versagen eingestehen.

Jetzt kommen die Männer mit den Sägen und Trennschleifern in die letzten Kernkraftwerke. Das ist so, als ob sie einen topfitten Mittdreißiger zwangsweise in Rente schicken und ihm noch ein paar Zyankalipillen mit auf den Weg geben. Offenbar fahren die Geisterfahrer der Energiepolitik das Land lieber an die Wand, als ihre Ideologie aufzugeben. Die Deutschen machen eben alles gründlich, leider auch das Falsche.

Haferburg: „Die Energiewende ist gescheitert, Kernenergie rettet sie auch nicht mehr“

Am 23. Februar 2023 wurde ein Kühlturm des Kernkraftwerks in Biblis kontrolliert gesprengt. Foto: Daniel Roland/AFP via Getty Images

Derzeit importiert Deutschland viel Atomstrom unter anderem aus Frankreich. Ist importierter Atomstrom teurer als selbst produzierter? Wie groß ist die Differenz? Haben Sie dazu Zahlen?

Importierter Strom ist immer erheblich teurer als selbst produzierter – auch wenn der Marktpreis sehr schwankt. Wenn viel Wind und Sonne zur Verfügung stehen, dann wird der Marktpreis auch schon mal negativ. Es wurden schon 50 Euro pro Megawattstunde draufgezahlt, es kann aber auch mal null sein.

Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, gab es schon Preise von 500 Euro pro Megawattstunde (MWh). Normal wäre ein Preis um 60 Euro pro MWh auf dem Markt. Das liegt daran, dass Strom das verderblichste Gut der Welt ist. Er muss in der Sekunde erzeugt werden, in der er verbraucht wird, weil keine nennenswerten Großspeicher zur Verfügung stehen. Ein Preistreiber ist auch der Umstand, dass Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen ihren eingespeisten Strom immer vergütet bekommen – unabhängig vom Bedarf. Sie müssen keinerlei Verantwortung für die Netzstabilität übernehmen.

Der Dumme ist der Stromkunde und der Steuerzahler. Merken Sie was? Ja, das sind dieselben Leute. Eine Bilanz der Mehrkosten kann nur über den Jahresdurchschnitt ermittelt werden. Dies wird aber kaum jemand veröffentlichen, weil diese Information Teile der Bevölkerung verunsichern könnte.

Manche setzen ihre Hoffnung bezüglich der Kernenergie auf die Wahlen 2025 und eine konservative Mehrheit für Kernenergie. Doch wo soll die herkommen, solange die Brandmauer in den Köpfen von CDU, CSU und FDP existiert?

Denn unabhängig davon, was die Vertreter dieser Parteien sagen, haben diese Fraktionen im Dezember 2022, also vor der Abschaltung der letzten KKW, im Bundestag gegen einen Antrag der AfD für den Weiterbetrieb der letzten KKW gestimmt. Einige Tage später äußerten sie dann, dass die KKW weiter betrieben werden müssten. Diesen Leuten kann ich leider nicht vertrauen.

Was halten Sie von den Mini-Reaktoren (SMR)? Können Sie sich vorstellen, dass diese irgendwann in Deutschland gebaut werden?

Das ist die Technologie der nächsten 50 Jahre, egal ob Thorium-Flüssigsalz, Dual-Fluid- oder Pebble-Bed-Reaktoren [Anm. d. Red.: Kugelhaufenreaktor]. Aber die sind noch in der Lernkurve und werden erst in etwa zehn Jahren so richtig industriereif.

Dann können sie auch – wie der Dual-Fluid-Reaktor – den Atommüll der bisherigen Kernkraftwerke verbrennen und Deutschland mit dem, was in den Zwischenlagern herumsteht, für sehr viele Jahre mit Strom versorgen. Dort ist ja noch mehr als 90 Prozent des Energievorrates drin. Dann entstehen auch nur Rückstände, die nur die kurze Zeit von 300 Jahren endgelagert werden müssen. Und diese Mengen sind sehr klein. Wenn eine ganze Familie ein Leben lang mit Atomstrom versorgt wird, entsteht gerade mal ein Esslöffel hoch radioaktiver Abfall, der endgelagert werden muss.

Aber in Deutschland einen SMR bauen? Der müsste ja genehmigt werden. Wer soll denn das machen? Erst mal müssen die Universitäten Kerntechniker ausbilden, die dann in den Behörden wieder entsprechende Strukturen aufbauen. Das dauert.

Und die deutschen Erfinder des Dual-Fluid-Reaktors sind nach Kanada ausgewandert, weil die Situation in Deutschland so hoffnungslos ist.

Noch ein Wort zur Kernfusion, auf die alle Hoffnung gesetzt wird. Da gibt es die Haferburg’sche Fusionskonstante. Die lautet: „Es dauert noch genau 50 Jahre bis zur Industriereife der Kernfusion – unabhängig vom Zeitpunkt der Betrachtung.“

Doch Spaß beiseite. Die Energiewende ist gescheitert und kann nun auch nicht mehr durch die Kernenergie gerettet werden. Wie bestellt, so geliefert. Das Tal der Tränen wird lang und tief sein.

Vielen Dank für das Gespräch!


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