Täter von Hanau bestellte Tatwaffe im Online-Shop – Türkei beklagt „Rassismus und Faschismus“ in Europa
+++ Newsticker +++
Der mutmaßliche Terrorschütze von Hanau, Tobias R., hat die Tatwaffe 2014 in einem Internet-Shop gekauft. Das schreibt das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ unter Berufung auf Sicherheitskreise. Es handelt sich demnach um eine Pistole Glock 17, 9 Millimeter Luger.
Das ist derselbe Waffentyp, der 2016 bei dem rechtsextremistisch motivierten Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum verwendet wurde. Tobias R. soll den Angaben zufolge noch zwei weitere Waffen besessen haben. Dabei handelt es sich um eine Pistole vom Typ SIG Sauer, 9 Millimeter, sowie eine weitere Pistole des Typs Walther, ebenfalls 9 Millimeter, berichtet das RND.
Die SIG Sauer-Pistole hat der Tatverdächtige 2014 zusammen mit der Tatwaffe legal im selben Online-Shop erworben. Tobias R. verfügte seit Sommer 2013 über eine Waffenbesitzkarte. Die Kreisverwaltung des Main-Kinzig-Kreises in Gelnhausen hatte zuletzt vor einem Jahr die charakterliche Eignung des mutmaßlichen Terrorschützen von Hanau zum Führen von Waffen überprüft.
Fünf Türken unter Opfern
Unter den Todesopfern des mutmaßlich rechtsradikal motivierten Anschlags in Hanau sind nach türkischen Medienberichten auch fünf türkische Staatsbürger. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag unter Berufung auf den türkischen Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydin.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte in einer Ansprache, „unsere Behörden verfolgen die Angelegenheit genau“. „Wir sind zuversichtlich, dass die deutschen Behörden ihr Bestes geben werden, um alle Aspekte (des Anschlags) zu beleuchten.“
Der Sprecher von Erdogans Partei AKP, Omer Celik, sprach im Onlinedienst Twitter von einer „barbarischen Tat“, die Folge sei von „Rassismus und Faschismus, die Europa Schritt für Schritt übernehmen“. „Deutschland und Europa müssen diese Bedrohung sehr ernst nehmen“, fordert er. In ganz Europa würden täglich unsichtbare Mauern errichtet.
Schäuble beklagt „vergiftetes gesellschaftliches Klima“
Der mutmaßlich rechtsextremistisch motivierte Anschlag von Hanau ist nach den Worten von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Resultat eines „vergifteten gesellschaftlichen Klimas“.
Solche „Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum“, erklärte Schäuble am Donnerstag in Berlin. Sie „wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem auf übelste Weise Fremdenfeindlichkeit und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden, bis Minderheiten als Bedrohung empfunden werden und Diskriminierung in zügellosen Hass umkippt“.
Sich dem nicht zu beugen, „dafür tragen wir alle Verantwortung, Politik und gewählte Repräsentanten in besonderem Maße“, mahnte Schäuble weiter. Herausforderungen und damit einhergehende Konflikte dürften nicht beschwiegen werden. Zugleich bestimme die Art, „wie wir darüber politisch diskutieren, um Wege für ein menschliches Miteinander zu finden“, mit darüber, „solchen offensichtlich rassistischen Taten vorzubeugen“. Gelinge das nicht, „machen wir uns mitschuldig“, warnte der CDU-Politiker.
Merkel: „Rassismus ist ein Gift“
Der Täter von Hanau hat nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wahrscheinlich aus rechtsextremistischen Motiven gehandelt. Derzeit deute „vieles darauf hin, dass der Täter aus rechtsextremistischen, rassistischen Motiven gehandelt hat“, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin.
„Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen“, fügte die Kanzlerin hinzu.
Viele der Opfer mit Migrationshintergrund
Der Täter: ein 43-jähriger Deutscher
Nach Angaben des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter von Hanau um einen 43-jährigen Deutschen. Erste Hinweise deuteten auf ein fremdenfeindliches Motiv hin, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagvormittag im hessischen Landtag. Eine Internetseite des Verdächtigen werde aktuell ausgewertet.
Beuth gab unterdessen bekannt, bei der weiteren in der Wohnung gefundenen Leiche handele es sich um die 72-jährige Mutter des mutmaßlichen Schützen.
Die Bundesanwaltschaft habe den „Verdacht einer terroristischen Gewalttat“. Die Karlsruher Behörde hatte die Ermittlungen zuvor an sich gezogen.
Hessischer Landtag gedenkt der Opfer
„Wir gedenken der Opfer der schrecklichen und unfassbaren Gewalttat in Hanau und sind tief betroffen. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer. Heute ist nicht der Tag für politische Debatten, deswegen setzen wir die Sitzung des Hessischen Landtages nicht fort“, sagte Landtagspräsident Boris Rhein heute.
Die Sitzung des Hessischen Landtages wurde nach einer Gedenkminute für die Opfer und deren Angehörige und einer Erklärung des Ministers für Inneres, Peter Beuth, geschlossen. Die nächsten regulären Sitzungen des Hessischen Landtages finden vom 24.-27. März 2020 statt.
Täter veröffentlichte vor Tat Video mit „Botschaft an alle Amerikaner“
Der mutmaßliche Täter von Hanau hat nach Informationen aus Sicherheitskreisen wenige Tage vor der Tat ein Video bei Youtube veröffentlicht. In diesem Video spricht Tobias R. in fließendem Englisch von einer „persönlichen Botschaft an alle Amerikaner“.
Der Clip, der am Morgen weiter im Internet zu sehen war, wurde offensichtlich in einer Privatwohnung aufgenommen, ins Netz gestellt wurde er vor wenigen Tagen.
Darin sagt der Mann, in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden. Dort würde auch dem Teufel gehuldigt. Amerikanische Staatsbürger sollten aufwachen und gegen diese Zustände „jetzt kämpfen“.
Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen
Nach der tödlichen Gewalttat im hessischen Hanau hat der Generalbundesanwalt offenbar die Ermittlungen übernommen. Grund sei die besondere Bedeutung der Tat, berichten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR unter Berufung auf eigene Informationen. Die Entscheidung soll demnach bereits in den frühen Morgenstunden gefallen sein.
Ein Bekennerschreiben soll laut SZ, NDR und WDR auf eine fremden- und ausländerfeindliche Motivation hindeuten. Bei dem Täter soll es sich laut eines Berichts der „Bild“ um einen Deutschen namens Tobias R. handeln.
Die Sicherheitsbehörden selbst veröffentlichten zunächst keine Informationen zu der Identität der Opfer und des mutmaßlichen Täters. Bei der Gewalttat waren am Mittwochabend insgesamt elf Personen ums Leben gekommen.
Bekennerschreiben aufgetaucht
Nach der tödlichen Gewalttat im hessischen Hanau hat der mutmaßliche Täter offenbar ein Bekennerschreiben sowie ein Bekennervideo hinterlassen. Das berichtet am Donnerstagmorgen unter anderem die „Bild“ unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Bei der Gewalttat waren am Mittwochabend insgesamt elf Personen ums Leben gekommen. Neun Personen starben durch Schüsse an zwei Tatorten. An einer Wohnanschrift im Stadtteil Kesselstadt wurden später zwei weitere Leichen entdeckt – darunter auch der mutmaßliche Täter.
Hintergründe der Bluttaten unklar
Bei einem der Toten in der Wohnung „dürfte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Täter handeln“, erklärte die Polizei. Hinweise auf mögliche weitere Täter gebe es derzeit nicht. Die Hintergründe der Bluttaten waren weiterhin unklar. Die Ermittlungen zur Identität der Opfer und des mutmaßlichen Täters dauerten an, hieß es von der Polizei.
Die Polizei hatte nach den Schusswaffenvorfällen am Mittwochabend an zwei verschiedenen Orten in Hanau eine Großfahndung eingeleitet.
Der Hessische Rundfunk (HR) berichtete, die Schüsse seien in zwei Shisha-Bars gefallen. Zunächst sei eine Bar in der Innenstadt angegriffen worden, dort seien drei Menschen getötet worden. Danach seien der oder die Täter in den Stadtteil Kesselstadt weitergefahren. Dort seien dann in einer anderen Shisha-Bar fünf Menschen erschossen worden. Die Medienberichte, wonach die Schüsse in den Shisha-Bars abgefeuert worden sein sollen, bestätigte die Polizei weiterhin nicht.
Die Polizei bestätigte lediglich zwei Tatorte. Schüsse fielen demnach am Heumarkt im Zentrum der Kleinstadt bei Frankfurt am Main sowie in Kesselstadt. Die Taten ereigneten sich gegen 22.00 Uhr. Kenntnisse über weitere Tatorte gebe es nicht, sagte ein Polizeisprecher.
„Spekulationen helfen uns nicht weiter“
Die Polizei fahndete mit einem Großaufgebot nach dem Täter oder den Tätern. Dabei kam es zu vielen Straßenkontrollen. Die Polizei setzte dem Sprecher zufolge bei der Fahndung auch Hubschrauber ein.
Die Ermittler baten die Bevölkerung um Hinweise, warnten aber vor Spekulationen. Im Kurzbotschaftendienst Twitter rief die Polizei dazu auf, keine Videos oder Nachrichten aus unbekannten Quellen zu verbreiten. „Spekulationen helfen uns nicht weiter“, erklärte das Polizeipräsidium.
❗ #Update nach #Schießerei in #Hanau ❗
Mutmaßlicher Täter wurde leblos an seiner Wohnanschrift in #Hanau aufgefunden. Zudem entdeckten Spezialkräfte der Polizei dort eine weitere Leiche.
Die Ermittlungen dauern an.
Aktuell gibt es keine Hinweise auf weitere Täter.
— Polizei Südosthessen (@Polizei_soh) February 20, 2020
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zeigte sich erschüttert. Es sei ein Abend, „wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen kann“, sagte Kaminsky der „Bild“-Zeitung. Er sei „tief betroffen“. Die Hanauer CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert schrieb auf Twitter: „Es ist ein echtes Horrorszenario für uns alle.“ (afp/nh/dts/dpa/so)
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