Bis zu 4,5 Billionen Euro Kosten – Ziele zum Klimaschutz dennoch verfehlt?
Klimaschutz hat bei der Europäischen Kommission hohe Priorität. Deswegen hat sie bis zum Jahr 2040 anvisiert, 90 Prozent des Treibhausgas-Emissionswertes gegenüber 1990 zu reduzieren. Dieses Ziel bedeutet umfassende Umgestaltungen verschiedener Systeme wie der Energieversorgung, dem Verkehrs- oder dem Gebäudesektor.
Das bedeutet auch hohe Kosten für Staat und Wirtschaft. Einen konkreten Betrag nennt jetzt eine von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) veröffentlichte Studie. Die Organisationen The Climate Desk und FutureCamp Climate haben sie erstellt.
Diese schätzt den Investitionsbedarf in den kommenden 16 Jahren für Deutschland auf bis zu 4,5 Billionen Euro, um alle diesbezüglichen systemischen Veränderungen zu realisieren. Als Zahl geschrieben wären das 4.500.000.000.000. Das sind Zusatzkosten von mehr als 281 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland des vergangenen Jahres lag bei 4,19 Billionen Euro.
Wie sich die Sektoren verändern müssten
Doch inwieweit müssen sich die verschiedenen Sektoren bis 2040 verändern, um eine Treibhausgasreduktion von 90 Prozent zu erreichen? Für den Stromsektor muss der Anteil der „erneuerbaren“ Energien an der Stromerzeugung laut der Studie auf 81 bis 87 Prozent ansteigen. Im ersten Halbjahr 2024 waren es durchschnittlich 61,5 Prozent.
Allerdings erzeugten die Erneuerbaren an einigen wind- und sonnenreichen Tagen einen Stromüberschuss, der mangels ausreichender Speicherkapazitäten zu Niedrig- oder Negativpreisen ans Ausland verkauft werden musste. Zu manchen Zeiten – bei der sogenannten Dunkelflaute – mussten hingegen nicht-wetterabhängige Kraftwerke aus dem In- und Ausland einspringen.
Im Verkehrssektor erwartet die Studie eine Elektrifizierungsrate von 75 Prozent. Zu Jahresbeginn gab es auf deutschen Straßen rund 1,4 Millionen E-Autos – so viele wie noch nie. Allerdings beträgt der Anteil der Stromer am deutschen Pkw-Bestand damit nur knapp drei Prozent. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach E-Autos seit einigen Monaten stark eingebrochen ist. Dies lässt an einem Erfolg der Verkehrswende zweifeln.
Große Erwartungen setzen die Studienautoren auch in den Gebäudesektor. Hier müsse der Energieverbrauch um 50 Prozent sinken. Zuletzt müsste die Industrie ihre Emissionen reduzieren. Das soll durch die zunehmende Verwendung von Wasserstoff und CCS (Carbon and Capture Storage) umgesetzt werden. Angesichts der Wasserstoffimportstrategie der Bundesregierung sind jedoch manche Fachleute skeptisch bis „fassungslos“.
2030er-Ziele werden wohl verfehlt
Für 2030 hat die EU als Zwischenziel eine 55-prozentige CO₂-Reduktion anvisiert. Die Studienautoren haben wenig Hoffnung, dass die Mitgliedsstaaten diesen Wert erreichen können. Laut aktuellen Emissionsprognosen würde dieses Ziel „deutlich verfehlt“. Somit wird es umso schwieriger, das vorgeschlagene Ziel für 2040 zu erreichen.
Dabei strebt die EU das Endziel „Netto-Null“ bis 2050 an. Das bedeutet, dass die Menge an neu entstehenden Treibhausgasen, die in die Atmosphäre gelangen, deren Konzentration nicht weiter erhöhen darf.
Aus Sicht der DIHK zeigt die Studie, dass das Klimaziel für 2040 auf optimistischen Annahmen beruht. So kalkuliere die EU etwa bessere Voraussetzungen bei den Bereichen Technologie, Fachkräfte, Rohstoffe und zur Verfügung stehende Finanzmittel mit ein, als es sie heute gibt.
Sollten sich diese optimistischen Rahmenbedingungen in Zukunft nicht erfüllen, könnte es aus Sicht von DIHK und VKU mehr Regulierungen geben. Zudem seien die EU-Staaten mit höheren Kosten konfrontiert und müssten politische und wirtschaftliche Verwerfungen befürchten.
DIHK und VKU: Mehr Realitätssinn nötig
Angesichts dieser Annahmen fordern die DIHK und VKU mehr Realitätssinn von den Entscheidungsträgern. Sie fragen sich, warum die EU-Kommission längerfristige Ziele verschärfen, wenn nicht einmal die kurzfristigen einzuhalten seien. Das sei kontraproduktiv. Die Auftraggeber der Studie empfehlen stattdessen, zunächst einen möglichst kostengünstigen und tragbaren Weg für das 2030er-Ziel zu finden.
Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sagte: „Die deutsche Wirtschaft hat beim betrieblichen Klimaschutz schon viel erreicht.“ Er wies darauf hin, dass die energieintensive Industrie in Europa in den letzten Jahren bereits viel unternommen hat, um deutlich weniger Kohlenstoffdioxid (CO₂) auszustoßen. „Allerdings vor allem bedingt durch kostenbedingte Einschränkungen der Produktion.“
Wenn Brüssel aber immer höhere Klimaziele definiert, führe dies „zu einer tiefen Verunsicherung in der Breite der Wirtschaft“, warnt Dercks. „Denn wir sehen schon jetzt, dass etwa die für 2030 formulierten Ziele nur schwer erreichbar sein werden. In vielen Unternehmen vergrößert sich die Sorge, dass die politischen Einsparziele zu noch mehr Regulierungen und weiteren Preiserhöhungen für Energie führen.“
Dercks wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Kosten für Strom und Gas schon heute „problematisch hoch“ sind. Gerade Deutschland hatte zuletzt im September mit knapp 40 Cent pro Kilowattstunde erneut den höchsten europäischen Strompreis für Endverbraucher. Beim Endverbraucherpreis für Erdgas sieht es besser aus. Mit 11,68 Cent pro Kilowattstunde lag Deutschland im Mittelfeld.
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