Greenpeace-Report: „CCS-Pläne der Bundesregierung sind ein Luftschloss“

Mit der Carbon-Capture-and-Storage-(CCS-)Methode will die Bundesregierung unvermeidbare CO₂-Emissionen aus der Industrie einfangen. Greenpeace übt derweil scharfe Kritik daran.
Greenpeace
Die Industrie verursacht einen Großteil der CO₂-Emissionen.Foto: kruwt/iStock
Von 28. September 2024

Die CCS-Pläne der Bundesregierung sind ein Luftschloss: unerprobt, störanfällig, teuer – und damit unrealistisch.“

Das sagte die Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters im Zusammenhang mit dem neu erschienenen Report „Irrweg CCS“ der Umweltorganisation. Damit kritisiert diese das Vorhaben der Bundesregierung, wonach in den kommenden fünf Jahren in Deutschland mindestens drei industrielle Großanlagen zur Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (CO₂) entstehen sollen.

Bei CCS (Carbon Capture and Storage) wird das CO₂ abgefangen, ehe es in die Erdatmosphäre entweichen kann. Anschließend wird es per Pipelines und/oder CO₂-Tankern aus dem Land geschafft und dann in unterirdischen Gesteinsformationen gespeichert. Ziel ist es, aus Klimaschutzgründen die CO₂-Emissionen aus menschlichen Prozessen zu reduzieren.

Laut dem Report, den das Forschungsbüro EnergyComment im Auftrag von Greenpeace verfasst hat, ist diese Maßnahme ineffektiv. Auch das Ziel der Klimaneutralität der deutschen Wirtschaft könne so nicht erreicht werden.

Probleme bei CCS-Projekten

Bereits mehrere Staaten wenden das CCS-Verfahren an. Weltweit gibt es 392 CCS-Anlagen in Planung und 41 im Betrieb, wie aus dem „Global Status of CCS 2023“-Bericht vom Global CCS Institute hervorgeht (Stand: 31.07.2023).

Laut Greenpeace funktionieren jedoch keine der weltweit umgesetzten Projekte reibungslos.

In Europa existieren nur die Projekte Sleipner und Snøhvit in Norwegen. Beide kämpften laut dem Report mit Problemen. Im Endlager Sleipner dringe das CO₂ in vorher unbekannte Erdschichten vor, die viel näher an der Erdoberfläche liegen als vorgesehen. Damit drohe das CO₂ wieder in die Erdatmosphäre zu gelangen.

Bei Snøhvit gebe es Probleme bei der Verpressung. Aufgrund zu schnell ansteigenden Drucks im Erdreich mussten die Projektteilnehmer die Versuche abbrechen.

Die Bundesregierung hingegen bezeichnet die Projekte in Norwegen als „erfolgreich“.

Auch im algerischen In Salah gab es ein CCS-Projekt. Dieses ist laut Greenpeace jedoch komplett gescheitert. Die Projektbetreiber pumpten CO₂ in die unterirdische Lagerstätte, wodurch sich der Druck extrem erhöhte. Als Folge hob sich der Boden über der Lagerstätte um mehrere Zentimeter. Gerade noch rechtzeitig stoppten die Projektverantwortlichen die Injektion und damit das gesamte Projekt.

Auch andere CCS-Projekte sind laut dem Report gescheitert.

Renaissance eines „erfolglosen Technologiepfads“

Die Organisation bezeichnet das CCS-Verfahren als „bisher weitgehend erfolglosen Technologiepfad“. So seien alle bisherigen CO₂-Deponien von Verzögerungen, unerwarteten Projektabbrüchen und geologischen Unsicherheiten geprägt. Zudem würden diese Projekte enorm viel Geld kosten.

Laut Greenpeace sollte CCS „nach zahllosen Fehlschlägen in der Vergangenheit eigentlich nicht mehr als ein Notnagel der Klimapolitik“ zum Einsatz kommen.

Jetzt soll dieser „Notnagel“ auf Wunsch der Bundesregierung eine Renaissance erleben. Aus Sicht von Greenpeace wird CCS mittelfristig ein milliardenschweres Geschäftsmodell. Profiteure seien die Öl- und Gaskonzerne. Diese würden dann neben dem Verkauf von Öl oder Gas auch bei der Entsorgung der dadurch entstandenen Emissionen verdienen. Zudem können diese Konzerne dadurch ihre derzeitigen Geschäfte mit Öl und Gas weiter betreiben.

Absicherung für das Erreichen der Klimaziele

Mitte September 2024 ging die sogenannte Carbon-Management-Strategie des Bundeswirtschaftsministeriums in die Ressortabstimmung. Darin sind Medienberichten zufolge drei großindustrielle Anlagen zur CO₂-Abscheidung vorgesehen. Bis 2030 soll jeweils mindestens ein solches Großprojekt in der Zement- und Kalkindustrie sowie an einer Müllverbrennungsanlage entstehen.

Die Bundesregierung setzt in ihrer Carbon-Management-Strategie auf CCS als auch auf CCU (Carbon Capture and Utilization). Bei CCU wird das abgeschiedene CO₂ in der Industrie wiederverwendet. Die Regierung sieht diese Methoden der Entnahme von CO₂ als notwendig, um die anvisierten Klimaziele wie die geplante Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen.

Zwar habe sowohl die Vermeidung des Ausstoßes von CO₂ als auch der Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie die Elektrifizierung von bisher fossil betriebenen Industrien oder Verkehrsträgern Priorität, allerdings sei der Umstieg aber nicht in allen Feldern möglich, weshalb kein Weg an CCS und CCU vorbeiführe.

Durch das Herausfiltern und Verwahren von CO₂ aus der Luft sollen so etwa unvermeidbare Emissionen in Teilen der Industrie (wie Zement und Kalk) und in der Abfallwirtschaft kompensiert werden. Zudem erhofft sich die Ampelregierung, ab dem Jahr 2050 negative Treibhausgasemissionen zu erreichen.

Ebenso befürwortet der Raffineriekonzern OMV mit Sitz in Wien sowohl CCS als auch CCU. Nach Aussage von OMV tragen CCS und CCU gemeinsam dazu bei, den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre zu senken und neue Ressourcen zu schaffen. Der Konzern bezeichnet diese Verfahren gar als „Must-have“, also als ein absolutes Muss zum Erreichen der Klimaziele von Paris.

OMV nennt darüber hinaus weitere mögliche Vorteile wie die Förderung des technischen Fortschritts oder die Umwandlung von CO₂ in hochwertige Produkte. Dies würde zu einem nachhaltigen industriellen Wachstum führen.

Entsorgung kostet Milliarden

Peters von Greenpeace kritisiert die Strategie der Entscheidungsträger und der Ölkonzerne. „Wer sich heute auf CCS fokussiert, verschiebt den klimaneutralen Umbau der Industrie damit weiter in die Zukunft“, kritisierte die Energieexpertin. „Echter Klimaschutz setzt beim Problem an und verhindert, dass Treibhausgase überhaupt entstehen. Den Kohlenstoffdioxid-Müll hinterher für Milliarden an Steuergeldern zu entsorgen, lenkt von dieser Kernaufgabe ab.“

Laut dem Report existiert bis heute kein tragfähiges Geschäftsmodell für CCS. Ohne massive staatliche Subventionen wären diese Projekte nicht umsetzbar. Die Gemeinschaft müsse die Entsorgung von Klimaemissionen in Form von Steuergeldern finanzieren. Zudem sei es nicht möglich, die hohen Kosten für CCS dauerhaft zu senken.

Auch für die technischen Verfahren kann es keine Standardlösung geben, da die geologischen Verhältnisse an jedem Standort individuell sind.

In welchem Bereich sich die Kosten konkret befinden werden, erwähnt Greenpeace in dem Report nicht. Bereits im Frühjahr schätzten Fachleute die kalkulierten Kosten auf 50 bis 90 Euro pro Tonne CO₂. Laut Christoph Canne, Diplom-Chemiker der Bundesinitiative Vernunftkraft, wird der CCS-Vorgang in Konkurrenz zum Kauf von CO₂-Zertifikaten stehen. Letztere kosten aktuell (23. September 2024) an der Börse 64 Euro pro Tonne. „Das Verfahren ist also derzeit kaum wirtschaftlich“, so Canne.

CO₂ als Klimagas umstritten

Sowohl die Bundesregierung, Greenpeace und andere Regierungen und Organisationen betrachten das CO₂ als stark klimabeeinflussendes Gas. Die Zunahme der CO₂-Konzentration in der Erdatmosphäre sei der Grund, warum die Temperatur auf der Erde in besorgniserregendem Maße zunehme.

Allerdings gibt es eine Vielzahl von Wissenschaftlern, die die Aussage vertreten, dass es keinen Klimanotstand gebe. Sie sehen keine Zunahme von extremen Unwettern im Laufe der letzten Jahrzehnte.

Sie argumentieren beispielsweise, dass CO₂ zu 96 Prozent auch von der Natur, also von Vulkanen und anderen natürlichen Quellen, emittiert wird. Ebenso weisen manche Fachleute auf den sogenannten Wärmeinseleffekt von Städten hin, der die Temperaturmessungen an vielen Orten der Welt verzerrt.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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