Hohe Kosten der Erneuerbaren: Vattenfall baut auf Meteorologen für bessere Planung
Der Anteil von Energie, die aus erneuerbaren Quellen in Deutschland erzeugt wird, steigt mit dem Ausbau von Windkraft und Solarenergie deutlich an. Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Mittwoch, 4. September, zufolge produzierten diese im ersten Halbjahr 2024 nicht weniger als 61,5 Prozent des eingespeisten Stroms in Deutschland. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 8,2 Prozentpunkten.
Für die Protagonisten der Energiewende in Deutschland ist das ein Meilenstein. Für Versorgungsunternehmen und Verbraucher ist es hingegen zunehmend eine Herausforderung. Zu denken gibt nicht nur, dass die gesamte Stromproduktion im Land verglichen zum Vergleichszeitraum des Vorjahres um 5,3 Prozent rückläufig war. Auch die Stromimporte stiegen um etwa 23 Prozent an, während die Exporte um etwa 15 Prozent zurückgingen.
Erneuerbare Energie deckt häufig nicht den exakten Bedarf des Marktes
Was bei Versorgungsunternehmen vor allem für Kopfzerbrechen sorgt, ist, dass es für sie zunehmend zum Glücksspiel wird, Strom auf dem Spotmarkt zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen oder zu verkaufen. Denn anders als bei den wetterunabhängig produzierenden Energieträgern wie Kohle oder Gas ist es bei erneuerbaren Energien nicht immer abschätzbar, wie viel davon am jeweiligen oder dem nächsten Tag vorhanden sein wird.
An manchen Tagen – vor allem an heißen Sommertagen – ist beispielsweise die Menge der erzeugten Energie aus Solaranlagen deutlich größer als die Nachfrage. Gleichzeitig fehlt es immer noch an Speichern für die überschüssigen Mengen.
An kalten, trüben und windstillen Tagen im Winter fehlt es dann wiederum häufig an Strom aus erneuerbaren Quellen. Solange auf Gas und Kohle zurückgegriffen werden kann, ist das keine unüberwindbare Herausforderung. Fallen diese Energieträger jedoch weg, wie es im Netto-Null-Konzept der Bundesregierung vorgesehen ist, muss die Nachfrage kurzfristig über die Spotmärkte gedeckt werden – an Tagen mit hohem Nachfrageüberschuss zu entsprechend höheren Preisen.
Ausgleichsenergie als potenzieller Preisträger
Wann immer die tatsächliche Stromerzeugung von der Nachfrage abweicht, kann es sein, dass zu viel Energie produziert wird, die nicht gespeichert wird und nicht immer Abnehmer findet. In diesem Fall entstehen negative Strompreise, bei denen die Netzbetreiber den Produzenten dennoch die Einspeisevergütungen bezahlen müssen. Notfalls muss sogar der Staat einspringen, um diesen die Differenz zwischen den Marktpreisen und den garantierten Preisen für die Erzeuger nach dem EEG zu ersetzen.
Steht hingegen zu wenig zur Verfügung, muss Ausgleichsenergie beschafft werden. Dies kann etwa dort, wo welche vorhanden sind, durch verhältnismäßig schnell mobilisierbare Gas- oder Pumpspeicherkraftwerke geschehen. Wo Batteriespeicher vorhanden sind, können dort vorhandene Überschüsse abgerufen werden. Fehlt es an dieser Infrastruktur jedoch – und das ist in Deutschland noch häufig der Fall – muss Strom importiert werden.
Wo immer die Netzbetreiber jedoch Reserven aktivieren müssen, um das Stromnetz zu stabilisieren, tragen sie die dafür aufzuwendenden Mehrkosten nicht selbst. Diese werden auf die Marktteilnehmer umgelegt, die entsprechend die Folgen volatiler Marktpreise zu bewältigen haben.
Meteorologe soll Energieerzeugung bei Vattenfall optimieren helfen
Energieversorger Vattenfall will die wetterbedingten Risiken für die Energieerzeugung minimieren. Falsche Prognosen können auf einem immer volatileren Markt immer höhere Kosten nach sich ziehen. Täglich um 12 Uhr melden alle Stromversorger an den entsprechenden Börsen jene Mengen an, die sie am darauffolgenden Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern wollen. Darauf werden anschließend die Gebote abgegeben – und so die Preise bestimmt.
Um Fehlkalkulationen zu vermeiden, beschäftigt Vattenfall Meteorologen im Bereich Energiehandel. Deren Aufgabe ist es, ihr Wissen und ihre Erfahrung einzusetzen. Dies soll helfen, das Wetter des angebrochenen und des folgenden Tages so präzise wie möglich einzuschätzen – inklusive möglicher Effekte von Wind, Wolkenbildungen oder Gewittern.
Wie es Malte Rieck, Vattenfall-Meteorologe im Energiehandel, in einer Presseerklärung betont, sind die Folgen seiner Vorhersagen „messbar in Euro“. Das Ziel lautet, den finanziellen Aufwand für Ausgleichsenergie so minimal wie möglich zu halten. Das Dispatch-Team, aber auch Künstliche Intelligenz oder automatisierte Systeme sollen ihn dabei unterstützen und Feedback geben.
Im Team „Vorhersage und Optimierung“ wird ihm in umfassender Weise zugearbeitet. Nutznießer treffsicherer Prognosen ist nicht nur Vattenfall selbst – auch die Stromkunden stehen besser da, weil die Netzentgelte geringer ausfallen.
„In einigen Fällen besser, Anlagen abzuschalten“
Die Aufgabe wird nicht anspruchsärmer. Die Zahl der Einzelstunden, innerhalb derer sich die Einspeiseleistung wetterbedingt um fünf Gigawatt oder mehr nach oben verändert hat, ist deutlich angestiegen. Im Jahr 2015 waren es noch 200 dieser Stunden, für das kommende Jahr werden 1.000 erwartet – verbunden mit entsprechenden Preissignalen.
Eine hundertprozentige, sichere Vorhersage könne es dabei nicht geben, macht Rieck deutlich. Aber es sei möglich, ein Gefühl für potenzielle Risiken aufzubauen und so zeitnah wie möglich zu reagieren. In einigen Fällen könne es sogar die günstigste Lösung sein, phasenweise gar nicht zu produzieren:
„In einigen Fällen kann es sogar sinnvoll sein, unsere Windenergieanlagen abzuschalten, um keine Kosten zu verursachen.“
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