Luxemburg: Trotz kostenfreiem Nahverkehr – zweithöchste Autodichte in EU

„Der Kult ums Auto herrscht und es ist ziemlich schwierig die Autofahrer zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen“, sagt der Verkehrsexperte Merlin Gillard vom luxemburgischen Forschungsinstitut LISER.
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Eine Frau überquert am 11. März 2023 einen Straßenbahnsteig vor dem Hauptbahnhof Luxemburg in Luxemburg-Stadt.Foto: JOHN THYS/AFP via Getty Images
Epoch Times24. März 2023

„Die Deutschen bauen die Autos und die Luxemburger kaufen sie“, scherzt der luxemburgische Verkehrsminister François Bausch – und hat mit dieser Übertreibung nicht ganz unrecht. Obwohl das Großherzogtum viel in den öffentlichen Personenverkehr investiert und diesen seit drei Jahren kostenlos anbietet, können die Verkehrsbetriebe nicht mit dem Auto konkurrieren.

„Der Kult ums Auto herrscht und es ist ziemlich schwierig die Autofahrer zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu bewegen“, sagt der Verkehrsexperte Merlin Gillard vom luxemburgischen Forschungsinstitut LISER. Laut Eurostat landete Luxemburg im Jahr 2021 mit 681 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner auf Platz zwei der EU-Mitgliedstaaten mit der höchsten Auto-Dichte, nach Polen mit 687.

Um Fortschritte auf dem Weg zur sogenannten Klimaneutralität zu machen, investiert die Koalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen in Luxemburg 800 Millionen Euro im Jahr in die öffentlichen Verkehrsmittel. Mit dem kostenlosen öffentlichen Verkehr ist das Land Pionier in Europa. Außerdem hält es den EU-Rekord bei den Ausgaben für das Straßenbahnnetz: 500 Euro pro Einwohner im Jahr, die in „Ausbau und Qualität“ fließen, sagt Grünen-Minister Bausch.

Verkehrsexperte Gillard relativiert den Ausgabenrekord jedoch: „Luxemburg hatte viel nachzuholen“, betont er. „Jetzt werden Investitionen getätigt, die über Jahre vernachlässigt wurden.“

Zu Stoßzeiten weiterhin lange Staus

Von AFP befragte Fahrgäste wissen den von Grund auf renovierten Hauptbahnhof, die hochmoderne Standseilbahn, die Oberstadt mit dem Flussufer verbindet, und die neuen Bus- und Straßenbahnspuren durchaus zu schätzen. Dass der Transport dazu auch noch nichts kostet, „macht die Entscheidung zwischen öffentlichem Verkehr und dem Auto einfach“, sagt Edgar Bisenius, Geschäftsführer eines mittelständischen Finanzdienstleisters.

Der Französischlehrer Ben Dratwicki findet, dass öffentlicher Transport ein Grundrecht für die Einwohner ist. „Wenn wir das Recht haben zu arbeiten, müssen wir auch das Recht haben, zur Arbeit zu kommen, ohne viel zu bezahlen.“ Er wohnt in der Hauptstadt des Großherzogtums und bewegt sich dort hauptsächlich mit dem Fahrrad. Zur 20 Kilometer entfernten Schule nimmt er die Seilbahn und den Zug.

Dennoch bilden sich auf den Hauptverkehrswegen Luxemburgs zu den Stoßzeiten weiterhin lange Staus. Neben der Auto-Liebe der Luxemburger gibt es dafür einen weiteren Grund: 220.000 Menschen aus den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Belgien pendeln täglich über die Grenze, fast die Hälfte aller Arbeitskräfte in Luxemburg. Und diese Grenzgänger profitieren erst ab der Grenze von den kostenlosen öffentlichen Verkehrsmitteln und haben somit weniger Anreiz, auf das Auto zu verzichten.

„Mieten für viele unbezahlbar“

Für Merlin Gillard ist dies kombiniert mit dem gesättigten Immobilienmarkt ein schwerwiegender Nachteil des luxemburgischen Modells: Da die Mieten für viele unbezahlbar seien, könnten sich Grenzgänger nicht mehr dort ansiedeln, selbst wenn sie es wollten. Sie sind also doppelt bestraft: „Sie können sich keine Wohnung leisten und müssen auch noch fürs Pendeln bezahlen.“

Luxemburg will weiter daran arbeiten. Für die 120.000 französischen Pendler etwa hat die Regierung eingewilligt, sich an den Kosten für Parkplätze auf der französischen Seite der Grenze zu beteiligen. Minister Bausch hat auch einen neuen Zug zwischen Thionville und Luxemburg versprochen, der alle sieben Minuten fahren soll, „fast wie die Metro“. (afp)



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