Der Zirkelschluss der Religion
Für meine katholische Oma war es schmerzlich, dass ihre Tochter, um meinen evangelischen Vater heiraten zu können, heimlich in dessen Kirche übertrat und ich evangelisch getauft wurde. Noch am Vorabend meiner Konfirmation erzählte sie mir, wie hart es für sie gewesen sei, dass ich kein Katholik war, sondern „Evangole“. Das klang wie Mongole und war für sie ähnlich weit entfernt.
Trotzdem aber war sie am nächsten Tage zwar nicht in der Kirche, nutzte die Zeit jedoch, um mein Elternhaus zu meinem Empfang festlich zu schmücken.
„Das Größte aber ist die Liebe!“, war stets ihr Losungswort. Mancher Frömmigkeit zum Trotze hatte sie an der Kirche viel zu kritisieren und ließ sie oft genug am Papst kein gutes Haar. Sie war sehr belesen und die abervielen Stunden, die ich mit ihr sinnierend zubrachte, haben mich tief geprägt.
Was aber brachte all der Streit um die Konfession? Zunächst einmal nur, dass ich weder der einen noch der anderen zugewandt war. Für wen hätte ich mich auch entscheiden sollen?
Wie viele Generationen hatten sich schon malträtiert um dieser einen Frage willen! Die Bauernkriege, die Bundschuhs, von denen ich welche im Stammbaum habe, wie solche aus der Zeit der Sachsenkriege und der Dreißigjährige Krieg hatten Deutschland komplett verheert. Wofür?
Die Antwort lautete damals: Cuius regio, eius religio. Wo mehrere Konfessionen zusammenlebten, blieben sie sich nicht grün und grenzten sich voneinander ab.
Es schmerzte mich, dass Deutsche sich bekämpften, nur weil sie unterschiedlich dachten. Und dasselbe sollte für alle Menschen gelten.
Aller Streit der Konfessionen widerlegt die Konfessionen selbst. Jesus predigte die Liebe und die Überwindung der Feindschaft. Seine Botschaft war, dass sich die Menschen gegenseitig achten, sich als eine Familie, als Kinder Gottes begreifen. Es ging nie um ein Ritual, sondern um Versöhnung. Selbst das Abendmahl nahm er mit seinen Verrätern ein. Erst recht ging es nicht um die Zahl der Gestalten, in denen Gott erscheine, denn in ihm ist alles eins, sind wir eins.
Ein Glaubensbekenntnis, das den rechten Glauben über die Einheit in Gott stellt, ist kein christliches. Es hat die Botschaft Christi nicht verstanden, es widerspricht sich selbst.
Und so ist es mit jedem weltlichen Glaubenssatz auch unserer Zeit, der immer etwas von einer Kirche hat. Der Sinn des Lebens ist es nicht, recht zu haben, sondern recht zu leben. Und recht zu leben, ist keine Sache eines Gesetzes, sondern eine Herzensangelegenheit. Das Größte aber ist die Liebe.
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