Das Finanzamt kann nicht rechnen

Etwa 150.000 Betriebsprüfungen gibt es in Deutschland jährlich, dabei etwas mehr als 10 Milliarden Euro Steuernachzahlungen. Bei näherem Hinsehen halten die Ergebnisse einer Betriebsprüfung oft einer Prüfung nicht stand. Ein Erfahrungsbericht von Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser.
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Auf vieles gilt es zu achten, wenn das Finanzamt eine Betriebsprüfung durchführt. Vor allem auf die richtige Rechenmethode.Foto: insta_photos/iStock
Von 21. März 2025

Wir kennen die Haltung der Politik und der Finanzverwaltung zur Steuerehrlichkeit der Bundesbürger. Da reitet gern einmal die Kavallerie und da werden gern Millionen Bürger unter Generalverdacht gestellt, obwohl die Abgabenordnung vorsieht, dass grundsätzlich von der Steuerehrlichkeit des Bürgers auszugehen ist.

Wenn es um seine Einnahmen geht, versteht der Staat keinen Spaß. Wer Steuern hinterzieht, wird gefühlt härter bestraft als Gewaltverbrecher.

Wir Bürger wissen, dass wir zu viele Steuern zahlen, denn das klagt bereits unser Geldbeutel. Was die meisten Bürger aber nicht wissen, ist, dass dies nicht nur an wahnwitzig ausufernden Steuergesetzen liegt, sondern auch an einer viel zu hohen Nachforderung von Steuern.

Betriebsprüfungen meist auf Grundlage von Schätzungen

100 Prozent der Betriebsprüfungen liefern falsche Ergebnisse und dies zu 100 Prozent. Dieser Satz ist kaum übertrieben. Das zeigt jedenfalls meine Erfahrung als Rechtsanwalt und Steuerberater in Betriebsprüfungen, in denen das Finanzamt kalkuliert.

Wenn das Finanzamt einen Betrieb prüft, sucht es zunächst nach Fehlern in der Buchführung, die es ihm erlauben, nachzurechnen und hinzuzuschätzen. Solche Fehler können schon in fehlenden Z-Berichten einer elektronischen Kasse liegen, in der nicht dokumentierten Programmierung der Kasse, aber auch in fehlenden Rechnungen, die durch Kontrollmitteilungen zum zuständigen Finanzamt gelangen.

Es gibt viele Möglichkeiten, eine Buchführung zu verwerfen. Umso anspruchsvoller ist es, die Buchführung so zu pflegen, dass sie vor Hinzuschätzungen schützt.

Hat das Finanzamt Gründe gefunden, die Buchführung zu verwerfen, dann hat es damit die Eintrittskarte, hinzuzuschätzen. Das freut den Betriebsprüfer, denn nun kann er Mehrergebnisse erzielen, die wiederum Voraussetzung für seine Beförderung sind.

Er wendet dabei verschiedene Kalkulationsmethoden an, um das angeblich tatsächlich erzielte Betriebsergebnis im Nachhinein festzustellen. Darunter fallen Verprobungsmethoden wie der Zeitreihenvergleich und Berechnungsmethoden wie die Ausbeutekalkulation oder bestimmte fachspezifische Kalkulationsmethoden, in der Gastronomie beispielsweise die Getränkekalkulation.

Die für diese Kalkulationen angewendeten Prüfmakros der Finanzverwaltung sind jedoch mathematisch unzureichend, denn sie basieren alle auf dem Dreisatz, mit dem man einen komplexen Betrieb nicht berechnen kann. Wegen dieser Einfachheit der Kalkulationsmittel berechnet das Finanzamt auch nicht den ganzen Betrieb, sondern nur einzelne Beispielprodukte und legt das Ergebnis auf den gesamten Betrieb um.

Solche Pi-mal-Daumen-mal-Pi-mal-Daumen-mal-Pi-mal-Daumen-Rechnungen liefern selbstverständlich keine exakten Ergebnisse.

Software für komplexe Zusammenhänge

Obendrein begeht jede Betriebsprüfung erfahrungsgemäß mannigfaltige Fehler in der Erfassung der für die Berechnung notwendigen Werte, vertauscht zum Beispiel die Maßeinheiten, die Produktgruppen oder differenziert sie nicht ordnungsgemäß, sodass selbst im eigenen System Fehler begangen werden, die ein Vielfaches des Berechnungsvolumens ausmachen können, wenn man die positiven und negativen Beträge aufsummiert.

Die so vom Finanzamt ermittelten falschen Resultate werden dann vom Finanzministerium in der sogenannten Richtsatzsammlung katalogisiert, einer Sammlung von Rohgewinnaufschlagsätzen. Wenn das Finanzamt es sich ganz einfach machen will, dann wendet es diese Rohgewinnaufschlagsätze auf die Betriebe an und standardisiert damit die falschen Berechnungen in die Breite.

Das können Sie sich schwer vorstellen? Das dachte ich auch, als ich mit meiner Tätigkeit vor etwa 20 Jahren begann. Damals begegnete ich aber Luca Gobbo, einem aus einer erfolgreichen Gastronomenfamilie stammenden passionierten Mathematiker, der eine eigene Software entwickelt hatte, die die Berechnungsmethoden des Finanzamtes auf völlig neue Füße stellte.

Statt eines Dreisatzes verwendet er die Diskrete Mathematik, die allein dazu in der Lage ist, komplexe Zusammenhänge zu analysieren und deshalb beispielsweise in Navigationssystemen zur Anwendung kommt.

Das war damals für einen Steuerberater etwas Ungeheuerliches. Ohne eigene bessere Berechnungsmöglichkeiten hatte ein Berater der Betriebsprüfung, wenn sie gerechnet hatte, nichts mehr entgegenzusetzen, außer dem sogenannten „Basar“ bei der Schlussbesprechung, auf dem man ein paar Prozent der Hinzuschätzung herunter verhandeln musste. Nennenswerte Preise waren dabei nicht zu gewinnen. Ich hatte also nichts zu verlieren, als ich damals Herrn Gobbo eine Chance gab, seine Kalkulationssoftware in der Praxis zu erproben.

Vorsintflutliche Prüfmakros

Es kam, wie es kommen musste. Wenn man einer Pi-mal-Daumen-Schätzung eine exakte Berechnung entgegenstellt, hat diese selbstverständlich höheren Beweiswert. Dann ist sie in der Lage, die horrenden Hinzuschätzungen der Betriebsprüfung abzuwehren.

So saßen wir gleich am Anfang mit der Oberfinanzdirektion Rheinland zusammen und rechneten gleich drei Betriebsprüfungen eines Mandanten, die bei der Betriebsprüfung, der Rechtsbehelfsstelle und dem Finanzgericht lagen, von jeweils sechsstelligen Hinzuschätzungen auf null herunter.

Seitdem haben wir eine Vielzahl von Fällen bearbeitet und immer wieder das gleiche Muster festgestellt. Im ersten Schritt analysieren wir immer die Fehler der Betriebsprüfung nach ihren eigenen Berechnungsmethoden.

Im zweiten Schritt legen wir eigene Kalkulationen vor und kommen immer wieder zu ähnlichen Ergebnissen. Uns freut das und die Mandanten auch. Schwindelig wird uns aber, wenn wir daran denken, wie viele Betriebe in Deutschland so viele Steuern ungerechtfertigt nachzahlen müssen und wie viele Insolvenzen das immer wieder zur Folge hat, obwohl die Hinzuschätzungen bei korrekter Berechnung nicht anfallen dürften.

Die Finanzbeamten Deutschlands sind grundsätzlich gut ausgebildet. Man kann ihnen nicht den Vorwurf machen, nicht zu wissen, was sie tun. Die ihnen zur Verfügung stehenden Prüfmakros sind aber vorsintflutlich. Es verwundert, wieso der Staat bei seinem derartig aggressiven Bedürfnis nach Steuereintreibung nicht seinerseits auf den Gedanken kommt, sich eine Software wie die unsere anzuschaffen, die es freilich auf dem Markt nur einmal gibt.

Sie sorgt jedenfalls für Steuergerechtigkeit – im Sinne der Steuerzahler. Vielleicht will der Staat eine solche Steuergerechtigkeit gar nicht?

Vor allem nicht einschüchtern lassen

Wir bilden unsererseits jedenfalls Steuerberater in Seminaren darin aus, die Kalkulation der Finanzämter abzuwehren und sorgen damit für Steuergerechtigkeit.

Liebe Kollegen, es gibt sehr vieles, worauf Sie bei einer Betriebsprüfung achten können und müssen, um Ihrem Mandanten Schutz zu gewähren, auch wenn Sie nicht über unsere Software verfügen. Sie können und müssen darauf achten, dass die Finanzverwaltung nach Lieferdatum erfasst und nicht nach Buchungsdatum. Sie müssen darauf achten, dass Gramm und Euro nicht vertauscht werden. Ja, das passiert tatsächlich häufig!

Sie müssen darauf achten, dass das Finanzamt beim Zeitreihenvergleich den 10-Wochen-Durchschnitt anwendet, der nach den Prüfmakros vorgeschrieben ist. Sie müssen darauf achten, dass das Finanzamt den Wareneinkauf bereinigt und nur diejenigen Einkäufe für die Kalkulation verwendet, die tatsächlich in die Produktion einfließen, nicht etwa Hilfs- und Betriebsstoffe.

Sie müssen darauf achten, dass das Finanzamt bei Getränkekalkulationen und bei der Aufteilung von Innerhaus- und Außerhausverkäufen nicht falsche Angaben des Mandanten vom Ortstermin am Anfang der Betriebsprüfung anwendet, sondern zutreffende Werte; und noch vieles mehr.

Lassen Sie sich vor allem nicht einschüchtern, wenn das Finanzamt gerechnet hat, denn auch die Berechnungen des Finanzamtes sind immer noch das, was sie rechtlich darstellen, nämlich Schätzungen – sehr grobe leider. Rechnen Sie lieber mit dem, womit das Finanzamt nicht rechnet! Der Mandant wird es Ihnen danken.

Über den Autor:

Rechtsanwalt und Steuerberater Christian Moser ist spezialisiert auf Betriebsprüfungen, Steuerstreitverfahren und Steuerstrafrecht. Seit zwei Jahrzehnten arbeitet er mit Fiscal Forensic zusammen, die eine eigene Software zur Kalkulation komplexer Betriebe entwickelt haben.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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