„Wir erleben die größte Naturzerstörung unseres Landes“: Ärztin besorgt über Infraschall
„Für Mensch und Umwelt“: Das ist der Leitspruch des Umweltbundesamtes (UBA). Die Umweltbehörde steht nach eigenen Angaben für den Schutz des Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Gleichzeitig befürwortet sie den Ausbau der Windkraft in Deutschland.
In den Augen von Dr. med. Ursula Bellut-Staeck passt das nicht mehr zusammen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Notfallmedizinerin und Wissenschaftsautorin mit den Schwerpunkten Mikrozirkulation und Stressmedizin sieht in großen Windkraftanlagen eine stark unterschätzte Gefahr für alle Organismen.
Zwar handelt das UBA mit dem Wissen, dass Windkraftanlagen außer Lärm auch Infraschall erzeugen. Dafür wendet das Amt die zuletzt 2017 aktualisierte „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm) an. Doch laut der Ärztin ist diese ungeeignet, um Infraschallemissionen großer Windräder und anderer technischer Emitter abzubilden. Tieffrequente Töne und Infraschall entstehen bei Windkraftanlagen vor allem durch die Unterbrechung von Luftmassen, wenn die Rotorblätter am Mast vorbeiziehen.
Das UBA geht jedoch laut eigener Aussage weiterhin davon aus, dass es keinen Zusammenhang zwischen Infraschall und gesundheitlichen Schädigungen gibt. Epoch Times sprach mit Dr. Bellut-Staeck über das Thema und den Konflikt der Deutschen Gesellschaft zum Schutz vor Schallerkrankungen für Mensch und Tier (DSGS) e.V. mit der Umweltbehörde.
Guten Tag Frau Dr. Bellut-Staeck. Wie sind sie als Ärztin zur Windkraft gekommen?
Guten Tag. Weil es in meiner Zweitheimat Schleswig-Holstein immer mehr und immer größere Windkraftanlagen gibt, erkannte ich in den Beschwerden von Menschen und Tieren die klinischen Zeichen von Störungen der Feindurchblutung. Ich habe in Münster und Tübingen Medizin studiert. Danach vier Jahre eine klinische Ausbildung in Intensivmedizin, Anästhesie und der Fachkunde Notfallmedizin absolviert. Aktuell bin ich wissenschaftlich tätig und als Notfallärztin auf Expeditionsschiffen, zudem blicke ich auf ein lebenslanges Engagement für Arten- und Naturschutz zurück.
Seit 2004 ist mein Schwerpunkt im wissenschaftlichen Bereich die Mikrozirkulation und die lebenswichtigen Endothelzellfunktionen von Organismen. Seit 2015 erforsche ich, wie und unter welchen Bedingungen Infraschall zum Stressfaktor auf der zellulären Ebene von Organismen werden könnte. In einem freien internationalen Wissenschaftskreis wurde über Jahre dazu diskutiert.
Zu dem Thema hat 2022 die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“ eine Ausarbeitung von mir veröffentlicht. Zu einer weiteren Veröffentlichung kam es im selben Jahr bei „Springer“ zum Wissensstand der Regulationen unserer Feindurchblutung. Im vergangenen Jahr veröffentlichte ich zur Frage der Ursache des sogenannten „Windturbinensyndroms“ die weltweit erste schlüssige Hypothese, den möglichen pathophysiologischen Weg, nach dem auch das UBA seit Jahren sucht. Sie berücksichtigt den Wissenschaftsstand, dass Schall und Vibration von allen Organismen über die Organebene wahrgenommen wird und dass die dafür hauptverantwortlichen Endothelzellen (Gefäßinnenwandzellen) lebenswichtige Funktionen regulieren.
Inwiefern unterscheiden sich beim Infraschall natürliche von technischen Quellen?
Sie unterscheiden sich in der Frequenz, in Zeit und Wirkprofil, in der Wellenform, in Schalldruck und der Dauer der Einwirkung. Ein Beispiel für eine natürliche Quelle von Infraschall ist ein Erdbeben. Das dauert meist nur einige Sekunden.
Wir haben alle schon einmal gehört, dass Elefanten vor einem Erdbeben auffällig unruhig werden. Für einen Elefanten sind Schallwellen nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern er nimmt im Fall eines Erdbebens Infraschallwellen als Vorboten eines Bebens wahr. Das passiert über die Aufnahme von Sensoren der Endothelzellen in Haut und Kapillaren. Endothelzellen bilden die Umrandung aller Blutgefäße, einem weitverzweigten dreidimensionalen Netzwerk. Die Informationen gelangen zum Gehirn des Tieres und es kommt zu Aufmerksamkeitserhöhung, Angst und Fluchtreaktion.
Manche Menschen befinden sich jedoch über längere Zeit hinweg unter dem Einfluss von Infraschallwellen. Auch hier werden die Zentren der emotionalen Kontrolle, der Angst sowie autonomer Regionen aktiviert. Diese führen nachweislich zu Veränderungen von Herzfrequenz und Atmung. Wir nehmen an, dass die massiven Schlafstörungen hierin mitbegründet sind.
Nach einem einmaligen Ereignis wie einem Erdbeben kann eine sofortige Erholung stattfinden. Lebt man aber nahe technischen Emittern wie Biogasanlagen, Wärmepumpen oder Windkraftanlagen, findet indes ein chronisch getaktetes Geschehen statt. Die Mikrozirkulation und damit der gesamte Organismus kann sich nicht erholen und erfährt nach einer individuellen Kompensationsphase Erschöpfung. Und nach einer Phase funktioneller Störungen kommt es zu Krankheit.
Wie ist der aktuelle Wissensstand um die Gefahren durch Infraschall?
Nach heute verfügbarem Wissen zu Endothelzellfunktionen sind vor allem zwei Punkte für die mögliche Beeinträchtigung wichtiger Lebensfunktionen durch Infraschall bedeutend:
- Eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen wie etwa das Wachstum, die Blutdruckregulation, die Embryonalentwicklung, die Blutgerinnung und Entzündungsabläufe werden im Wesentlichen durch die mechanischen Kräfte eines gleichmäßigen Flusses im Kapillarbett der Feindurchblutung gesteuert. Das ist Voraussetzung für einen ungestörten Ablauf dieser Funktionen.
- Wissenschaftlicher Stand seit mindestens 2021 – da gab es den Medizinnobelpreis für die Beschreibung der PIEZO-Kanäle – ist außerdem die Aufnahme von Schall und Vibration außerhalb des Ohres über die Endothelzellen. Eine Entdeckung mit großer Bedeutung für alle Organismen.
Ziel meiner Arbeit war es, zu untersuchen, ob Infraschall zu irregulären Informationen und damit Störung jener selbstregulierten Feindurchblutung führen könnte. Wenn ja, würde Infraschall unter anderem zu einer unangemessenen Bereitstellung des Stickstoffmonoxid (NO)-Moleküls führen. Dies wiederum würde zu Energiemangel sowie erheblich erhöhten oxidativen Stress und dem Anstieg freier Radikale führen.
Unsere Ausarbeitung ist die erste Peer-Review-Arbeit, die auf dem aktuellen Wissen zur endothelialen Kraftübertragung basiert.
Wie betrachtet das Umweltbundesamt Infraschall bei Windkraftanlagen?
Das UBA und andere offizielle Behörden gingen bisher fälschlicherweise von einer rein akustischen Schallaufnahme aus. Infraschallemission selbst haben sie nicht verneint. Gleichzeitig sehen sie bis heute keinerlei Beweis für Gesundheitsstörungen, da laut dem UBA „die Hörschwelle durch die Schallpegeldrücke, ergo die ‚Wirkschwelle‘ nicht erreicht würde“.
Dazu muss man allerdings sagen, dass das unwissenschaftlich ist. Man denke nur an das berühmte Beispiel starker Radioaktivität. Das nimmt der Mensch auch erst nicht wahr, aber es wirkt. Entscheidend ist: Das Ohr ist nachweislich nicht der alleinige Ort der Aufnahme von Schall und Vibration. Daher kann es auch keine Hörschwelle geben, die etwas zur Wirkung von Infraschall aussagen könnte. Gleichzeitig sagt das UBA sinngemäß: „Solange der pathophysiologische Weg wie Infraschall zur zellulären Auseinandersetzung führt, nicht bekannt ist, gehen wir von seiner Unschädlichkeit aus.“
Das können wir bestätigen. Erst kürzlich stellte die Epoch Times eine Anfrage zu diesem Thema an das UBA. Deren Aussage lautete: „Unser Kenntnisstand entspricht den Aussagen [des Faktenpapiers] aus Nordrhein-Westfalen. Wie von Windenergieanlagen ausgehender Infraschall auf Endothel-Zellen wirkt, ist bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen worden.“
Genau, doch das stimmt nur bedingt. Das Wissen über Mechano-Sensoren wurde bis heute nicht von den Behörden berücksichtigt. Spätestens jetzt kann das UBA den Wissensstand zur Aufnahme von Schall und Vibration nicht mehr ignorieren. Die definierten Hörschwellen müssen ersatzlos entfallen.
Das UBA ist eine staatliche Einrichtung. Die Regierung fördert die Energiewende. Gleichzeitig soll die Behörde das Wohl für Mensch und Tier bewahren. Besteht hier ein Interessenkonflikt?
Ja, und zwar für die aktuelle Form einer Energiewende auf Basis rein technischer Maßnahmen. Heutige Windkraftanlagen erzeugen Emissionen im gefährlichen tieffrequenten Bereich. Sie emittieren toxische Stoffe wie Bisphenol A und PFAS, die die Umwelt belasten und sie stehen teils in hochsensiblen und schützenswerten Regionen. All das beeinträchtigt Mensch und Umwelt in einem immer größer werdenden Ausmaß. Ein ganzer Strauß weiterer die Bilanz verschlechternder Faktoren wäre zu nennen wie die Zerstörungen anderer Ökosysteme für benötigte Ressourcen, die geringe Recyclebarkeit und vieles mehr.
Für die heute üblichen großen Windkraftanlagen und Freiflächen bedeckenden Solarflächen sehe ich eine zunehmend desaströse Bilanz. Das gilt insbesondere für Windkraftanlagen in Wäldern. Auch die Problematik des Mikroplastikabriebs mit Bisphenol A und Kontamination der Böden mit PFAS-haltigen Nanopartikeln kann keinesfalls mehr ignoriert werden.
Über die Gefährlichkeit dieser Stoffe ist man sich einig. PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, wurden jetzt gehäuft im Urin von Kindern beobachtet. Sie können sich an Proteine in Blut, Leber oder Niere binden und sich so im Körper anreichern. Wir hoffen, dass das geplante Verbot von PFAS durch die EU nicht aufgrund rein wirtschaftlichen Interesses scheitert.
Es besteht außerdem der dringende Verdacht, dass Vibrationen des Bodens zu einer schweren Schädigung allen Lebens darin führen. Das gleiche einem Angriff auf die Lebensgrundlage der Wälder.
Ist eine Energiewende möglich, ohne Mensch und Natur zu schädigen?
Eindeutig ja, mit einer neuen Werteordnung.
Wir brauchen Technologieoffenheit, aber insbesondere auch die weltweite Stützung der Kompensationsmechanismen der Natur, die gerade im CO₂-Bereich bekannt sind. Ein Ziel ist der Erhalt der Biodiversität. Durch den Anbau von Waldflächen, die etwa so groß wie die USA wären, könnten nachgewiesenermaßen 50 Prozent des CO₂ absorbiert werden.
Eine rein auf technische Maßnahmen gestützte Form der Energiewende ohne eine reelle ökologische Bilanzierung muss scheitern. Denn sie zerstört das, was wir gerade schützen wollen. Unsere Gesundheit und Überleben hängen wesentlich vom Erhalt einer intakten Natur ab. Dies erklärt sich auch aus dem Aufbau der Mikrozirkulation und der Verwobenheit von Körper und Seele, die ein Erleben von intakter Natur, von Tieren, Freude und Musik essenziell machen.
Was sind Ihre Forderungen an offizielle Stellen?
Das UBA, aber auch die Ministerien wurden von der DSGS über die Ergebnisse der Studie sowie die Kontamination schädlicher Stoffe in mehrfachem Schriftverkehr informiert. Sie wurden wiederholt aufgefordert, die Tieffrequenzen neu zu bewerten, beispielsweise durch eine geeignete Prüfung der Studie durch ein Fachgremium. Mit dem Wegfall der Hörschwellen fehlt aktuell jegliche Bewertungsgrundlage. Es stellen sich die Fragen: Kann eine Betriebserlaubnis für Windkraftanlagen überhaupt noch erteilt werden? Sind die Vorgaben für das Produkt-Sicherheitsgesetz noch erfüllt?
Aus Vorsorgegründen sollten zudem aufgrund der hohen Evidenz zur Gefährlichkeit von Tieffrequenzen bis zur wissenschaftlichen Klärung keine weiteren Genehmigungen und Installationen von Windkraftanlagen erfolgen. Das gibt es schon in Frankreich. Ein aktuelles Gerichtsurteil vom 9. März des französischen Staatsrates hat zur Annullierung aller Genehmigungen für neue Windkraftanlagen gesorgt. Der Grund sind ungültige Beurteilungen der Geräuschemissionen. Dieses Urteil schützt die Bürger und die Natur vor weiterem Schaden.
Mein Appell und der vieler anderer geht an alle Entscheidungsträger von ganz oben bis hinab auf kommunale Ebene. Wir fordern die Rückkehr zu dem im Grundgesetz, im Naturschutzgesetz und EU-Recht verankerten Natur-, Arten- und Landschaftsschutz. Tiere und Menschen sind überlebensnotwendig abhängig von einer intakten Natur.
Wir erleben augenblicklich die größte Naturzerstörung unseres Landes mit drohender, dauerhafter Zerstörung von Ökosystemen. Sollten wir jetzt nicht auf alle Folgen des Ausbaus der großen Emitter achten, haben wir ein Land, indem ein Leben in Gesundheit insbesondere auch für unsere Kinder nicht mehr möglich ist. Damit hat diese Form der Energiewende ein Ausmaß an Schädlichkeit erreicht, die im Sinne des Verfassungsgerichtsurteils nicht mehr mit den ursprünglichen Zielen und der angestrebten Nachhaltigkeit zu vereinbaren ist.
Einen wichtigen Beitrag für Aufklärung leistet hier die „Deutsche Schutz-Gemeinschaft-Schall für Mensch und Tier e. V.“. Der ehrenamtliche Verein ist bestrebt, den Schutz von Mensch und Tier gegen Krankheit auslösenden Schall zu fördern. Damit der Verein weiterhin Aufklärung und Beratung über Schallerkrankungen liefern kann, freut er sich auf Unterstützung, etwa durch Spenden unter dem Stichwort „Tieffrequenzen“.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Maurice Forgeng. (redaktionelle Bearbeitung ts)
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