„Brauch ich das?“ – der neue Trend vom Unterkonsum geht um

Die dritte schwarze Jeans, das 20. Paar Schuhe und eine neue Tasse im schon völlig überfüllten Küchenschrank: Bei vielen Dingen scheint die Frage nach der Notwendigkeit angebracht. Viele junge Menschen sagen inzwischen „Nein“ und wollen ihr Leben im Überfluss reduzieren.
Der neue Trend vom Unterkonsum geht um
Der neue Social-Media-Trend bietet die Möglichkeit, das Beste aus seinem Geld zu machen.Foto: Andrii Iemelyanenko/iStock
Von 26. August 2024

Viele junge Menschen in Europa und den USA fühlen sich überfordert und erschöpft: Was möchte ich werden? Wo sehe ich mich in zehn Jahren? Welche Speise soll ich im Restaurant bestellen? Und noch viel wichtiger: Wie soll ich meine Rechnungen bezahlen und die immer weiter steigenden Lebenshaltungskosten decken?

Bezüglich der letzten Frage geht ein neuer Trend in den sozialen Netzwerken – allen voran TikTok – um, wobei sich junge Erwachsene gegen Werbung und den ständigen Druck, etwas kaufen zu müssen, wehren.

Wenn man das Gefühl hat, dass einem in jedem Moment des Lebens etwas verkauft wird und der Preis für diesen Gegenstand ständig steigt, werden die Leute beim Geldausgeben ausbrennen“, sagte Kara Perez, eine Influencerin und Finanzpädagogin, gegenüber AFP.

Abkehr von Überfluss und Reichtum

In den sozialen Medien war lange Zeit nur Platz für perfekte Häuser, üppige Kleiderschränke und eine Fülle von Schönheitsprodukten. Doch ein neuer Trend geht in die andere Richtung: Er fordert dazu auf, Dinge wiederzuverwenden, einen sparsameren Lebensstil zu pflegen und Qualität über Quantität zu stellen.

Statt großer Mengen an Kleidung oder Make-up posten die Nutzer nun bescheidene Kleiderschränke und praktische, vielseitig genutzte Alltagsgegenstände. Der Trend ermutigt Menschen, Minimalismus und Genügsamkeit zu wählen und nur das zu kaufen, was wirklich gebraucht wird. Immer mehr Nutzer teilen ihre Vorstellungen von einem „normalen“ Konsum: gebrauchte Möbel, Dekorationen aus leeren Glasflaschen, übrige Speisen wiederverwenden und reduzierte Kosmetika.

Unter dem Begriff „Underconsumption Core“ („Kern des Unterkonsums“) werden ein nachhaltiger Lebensstil und die Nutzung dessen, was man hat, beworben. Es ist eine Art Abkehr vom Überfluss und Reichtum, die auf Instagram und TikTok vorherrschen. Diese beiden sozialen Netzwerke sind auch jene, auf denen die meiste Werbung geschaltet wird.

Wenn man auf TikTok 300 Videos von Leuten sieht, die 30 Stanley-Tassen haben, will man so viele haben, wie man sich leisten kann. Die Leute wollen dazugehören“, sagt Perez.

Ein Video mit über 100.000 Aufrufen auf TikTok kritisiert diese Tendenz zum übermäßigen Konsum, der in den sozialen Medien oft verstärkt und gefördert wird. Gleichzeitig gibt der Nutzer einen Einblick in seine persönlichen Erlebnisse: „Ich habe Geld ausgegeben, das ich nicht hatte, für Dinge, die ich nicht brauchte.“ Und glaubt man dem Internet, geht dieser Spruch noch weiter: „[…] um Menschen zu imponieren, die ich nicht kenne.“

Müde vom Kaufen

Trotz der finanziellen Nöte, die vor allem die Generation Z und die Millennials zu spüren bekommen, floriert die Wirtschaft. Viele große Kleidungs- und Kosmetikunternehmen erzielen Rekordgewinne, und die Preise der Produkte steigen weiter.

Laut der Kultur- und Verbrauchermarketinganalystin Tariro Makoni fühle sich dies für junge Erwachsene an, als würden sie gezielt ausgebrannt werden. Die von vielen jungen Erwachsenen genutzte Methode des „Kaufe jetzt, zahle später“ unterstütze die Situation. Die Folge: eine Verzerrung der Realität und eine andere Auffassung von Wohlstand.

Inzwischen sind einige junge Menschen zu der Erkenntnis gekommen, dass sie mit den Ausgabengewohnheiten derjenigen, die in ihren sozialen Medien zu sehen sind, nicht mithalten können. Das zeigen auch die digitalen Medien selbst. Obwohl Unterkonsum seit Langem in den Google-Suchergebnissen vertreten ist, schossen die Suchanfragen zu diesem Thema jüngst kräftig nach oben – zusammen mit Begriffen wie Überproduktion und Weltwirtschaftskrise.

Drang nach Zugehörigkeit

Viele junge Erwachsene haben ein „zwanghaftes Verhalten entwickelt, auch den letzten Cent für ein Kleidungsstück auszugeben“, so die britische Influencerin Andrea Cheong. Sie selbst ist Befürworterin des Unterkonsumtrends und gibt Workshops, wie man alte Kleidung wiederverwendet oder Kaputtes näht.

Es handelt sich bei vielen um eine Sucht. Diese ist mit dem Druck verbunden, sich über den Besitz auszudrücken“, so Cheong.

Im Gegensatz dazu bricht der neue Trend mit dem bislang vorherrschenden auf Verkauf ausgelegten Trend. Ständig neue Vorstellung von Mode und beliebte Saisonfarben blenden die Befürworter einfach aus. Jetzt werde Reparieren, Wiederverwenden und Konservieren cool, so Makoni.

„Der neue Social-Media-Trend vom Unterkonsum ist eine Möglichkeit für die Generation Z, das Beste aus ihrem Geld zu machen“, so Ashley Ross von der Bank of America.

Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt: Besonders die jüngeren Generationen plädierten immer wieder für mehr Nachhaltigkeit, was stark mit dem Faktor Geld verbunden sei. Laut Ross ist der Trend zum „Unterkonsum“ eine Möglichkeit zum Schonen der Umwelt.

„Seien wir ehrlich, niemand wird sein Bruttoinlandsprodukt für Nachhaltigkeit ändern. Wir leben nicht in dieser Welt. Die Motivation für die Menschen, diese Dinge zu tun, war immer, Geld zu sparen“, ergänzte Cheong.

Für diejenigen, die nachhaltig leben wollen, biete der Unterkonsum einen zugänglichen Ansatz. Die Botschaft, die mitschwingt: weniger kaufen, besser kaufen, Dinge wertschätzen und reparieren statt wegwerfen und neu kaufen.

Doch der Unterkonsum greift auch auf ältere Generationen über, vor allem auf Eltern mit Kindern im Schulalter. So nahm auch die 42-jährige Anjali Zielinski mit ihrer siebenjährigen Tochter am Näh-Workshop von Andrea Cheong teil. Die Mutter hofft, sich neue Fähigkeiten aneignen zu können und dass ihre Tochter nicht nur von der kreativen Arbeit angesteckt wird, sondern auch den „Wert vom eigenen Besitz und der Arbeit, die in ihnen steckt“, erkennt und lernt.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion