Schluss mit sozialen Medien: „Ich war nicht gefasst auf das, was danach kam“

Es war eine Offenbarung, mich vom Einfluss der sozialen Medien zu befreien.
Titelbild
Für die 27-jährige Anna Barren war das Verbannen der sozialen Medien aus ihrem Leben eine gute Entscheidung.Foto: iStock
Von 26. Februar 2024

Die Menschen sagten mir, dass ich so selten wie ein Einhorn sei: eine 27-Jährige ohne Konten in den sozialen Medien. Tatsächlich fühle ich mich eher wie ein Pferd, dem die Menschen ein Horn aufgesetzt haben und sagen: „Was? Das ist unmöglich!“

Keine sozialen Medien zu nutzen, ist heute leider gegen die Norm. Aber es ist nicht unmöglich. Es ist jetzt sechs Jahre her und man kann mir alles Geld der Welt bieten: ich würde mich trotzdem nie wieder dort anmelden.

Erster Schritt zur Entwöhnung

Alles begann mit einer schicksalhaften Fastenzeit während meines letzten Studienjahres. Als Katholikin folge ich der 40-tägigen Bußzeit vor Ostern, in der man sich gute Gewohnheiten aneignet und schlechte ablegt. In dem Jahr beschloss ich, die sozialen Medien aufzugeben.

Ich selbst betrachtete mich zwar als schwachen bis mäßigen Nutzer, aber ich war ein regelmäßiger Nutzer. Täglich schaute ich auf Instagram und Facebook vorbei: scrollte, likte und kommentierte. Ich hatte sie miteinander verknüpft, um auf beiden Plattformen gleichzeitig zu posten, und tat dies gelegentlich.

Ich dachte mir, dass der Verzicht von sozialen Medien mich zwar nerven, aber keine Schwierigkeit sein würde, und entfernte schließlich die Apps von meinem Handy. Völlig ahnungslos entdeckte ich dann, was für einen Suchtfaktor ich bereits in mir trug.

Nach den ersten paar Tagen der Buße saß ich in meinem Zimmer im Studentenwohnheim. Mein Bett war mit Unterlagen und Büchern bedeckt und ich arbeitete an einer der vielen Arbeiten, deren Abgabetermin näher rückte.

Ich war in produktiver Stimmung, als ich unterbewusst plötzlich nach meinem Handy griff und den Bildschirm entsperrte. Dabei ertappte ich mich, wie ich auf den leeren Ordner starrte, wo zuvor meine Instagram-App gewesen war. Es war erschreckend: Ich hatte nicht bewusst einen Moment der Langeweile in meinem Gehirn registriert, aber mein Körper verlangte bereits nach der App.

Sich aus dem Sog der sozialen Medien befreien

In diesem Moment wurde mir klar, welchen Einfluss die sozialen Medien auf mich hatten, obwohl ich mich für ziemlich unbeteiligt gehalten hatte. Die Konten von meinem Telefon zu entfernen, war die einzige Möglichkeit, um zu vermeiden, dass ich meine Profile überprüfte – nicht, weil die Versuchung so groß gewesen wäre, sondern weil die Reflexe, die Apps zu öffnen, viel schneller waren.

Die Fastenzeit kam und ging – ebenso Ostern – und am Ende hatte ich weniger Probleme, weniger schlechte Laune und mehr Freude ohne die sozialen Medien. Als ich wieder in die virtuelle Welt eintrat, wurde mir noch deutlicher bewusst, dass ich mich lieber von ihnen fernhalten wollte. Also beschloss ich, meine Finger vollständig und auf unbestimmte Zeit davon wegzulassen. Ich speicherte meine Fotos und deaktivierte meine Konten.

Falls jemand an der Manipulation der sozialen Medien zweifelt, sollte er den Selbstversuch wagen und sie aus seinem Leben verbannen. Doch schon das ist eine Hürde und fast unmöglich: Denn keiner der Schritte zur Kontolöschung war intuitiv oder benutzerfreundlich. Zunächst habe ich mich durch Seitenleisten und Einstellungen gewühlt – ohne Erfolg. Schließlich suchte ich in Google nach einer Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Nach der Deaktivierung versichern Instagram und Facebook, dass die Konten zunächst für 30 Tage geschlossen sind – für den Fall, dass sich der Benutzer umentscheide und sie wieder aktivieren möchte. Während dieser Zeit erhält der Benutzer regelmäßig E-Mails, die ihn daran erinnern, dass er jederzeit zurückkommen könne.

Vor Langeweile davonlaufen

Die Menschen sagen, dass sie aus vielen Gründen in den sozialen Medien sind. Ein häufiger, aber selten zugegebener Grund der Nutzung ist, dass man so versucht, der Langeweile zu entkommen. Der US-amerikanische Autor Walker Percy hat einmal das englische Wort „boredom“, also Langeweile, mit dem französischen Wort „bourrer“ in Verbindung gebracht, was „vollstopfen“ bedeutet.

Seit ich das gelesen habe, habe ich meine Einstellung zu dem, was ich tue, wenn mir langweilig ist, geändert. Jetzt sehe ich es so, dass ich versuche, mein Bewusstsein mit irgendetwas zu stopfen oder zu füllen. Genauso wie Essen ein Lebensstil ist, ist es auch unsere Auszeit.

Absurde, geistlose Unterhaltung anzuschauen, wenn wir uns entspannen, ist wie der Verzehr von Junkfood: Ist das gut für dich? Nein. Aber gelegentlich kann es genossen werden. Die sozialen Medien sind wie eine McDonald’s-Filiale im eigenen Haus – und sie steht jederzeit auf Abruf zur Verfügung.

Warum sollte man sich die Mühe machen, eine frische Mahlzeit zuzubereiten, wenn man sie umsonst und sofort bekommen kann? Ich kann es den Menschen wirklich nicht verübeln. Allerdings sind die sozialen Medien so gemacht, dass sie den Benutzer in den Abgrund des gedankenlosen Scrollens locken und gefangen nehmen.

Ohne soziale Medien muss ich, wenn ich etwas Sinnloses und Schwachsinniges sehen will, online danach suchen. Das allein schreckt mich schon davon ab, Junkfood-Unterhaltung einem selbst gekochten Essen vorzuziehen.

Mehr freie Zeit ohne die sozialen Medien

Heute nutze ich meine Freizeit viel besser als früher, als ich noch in den sozialen Medien unterwegs war. Ich lese, rufe Freunde an oder verbringe Zeit mit Hobbys. Wenn Sie jetzt denken, dass das zwar gut klingt, Sie aber keine Zeit dafür haben, stimme ich ihnen zu. So habe ich früher auch gedacht, aber seit ich von diesen Plattformen weg bin, habe ich tatsächlich mehr freie Zeit.

Wenn ich eine süchtig machende Ablenkung zur Hand habe, kann ich mich nicht mehr konzentrieren und brauche umso länger, um meine Aufgaben zu erledigen. Ohne diese bin ich nicht nur produktiver, sondern habe auch mehr Freizeit. Anstatt jede freie Minute mit Scrollen zu vergeuden, hebe ich sie für einen größeren Zeitabschnitt auf.

In der Langeweile werden Ideen geboren. Je länger ich mich von den sozialen Medien fernhalte, desto mehr werde ich zu einer Verfechterin der Pausen: diese kurzen Momente der Ruhe, des Raums zwischen den Aufgaben des täglichen Lebens, die so leicht durch das Scrollen des Telefons verschlungen werden. Sie sind die unbesungenen Heroen der menschlichen Seele.

Wir laufen vor ihnen davon, bekämpfen sie und fürchten sie, aber nie akzeptieren wir sie einfach. In einer Zeit, in der wir ständig aus der realen Welt in eine virtuelle Welt gerissen werden, sind Pausen Momente, in denen wir wirklich gegenwärtig sein können.

Eine kreative Blockade

Einer der Gründe, warum ich Instagram nicht löschte, war meine Angst, all die DIY- und How-to-Posts zu verlieren, die ich gespeichert hatte. Ich folgte Kunst-Profilen und speicherte kreative Techniken und tolle Ideen. Denn eines Tages, wenn ich etwas Zeit haben würde, wollte ich meinen Skizzenblock entstauben, meine Stifte von Spinnweben befreien und sie ausprobieren. Aber dazu kam es nie. All diese „Inspirationen“ existierten nur in dem Ordner.

Stattdessen schuf ich mir einen bösartigen inneren Richter, der mich mit dem verglich, was ich online sah. Anstatt mich zu inspirieren, neue Dinge auszuprobieren, wurden die sozialen Medien zu einer kreativen Blockade. Ich verglich meine eigenen Fähigkeiten mit denen von Menschen mit höheren Fähigkeiten und fühlte mich entmutigt, bevor ich überhaupt angefangen hatte.

Jeder, der schon einmal versucht hat, etwas zu zeichnen, kennt die Frustration oder das Gefühl des Scheiterns, wenn das Ergebnis nicht wie erhofft ausfällt. Oder in meinem Fall nicht so, wie das perfektionierte, gefilterte Bild, das ich auf meinem Handy sah.

Was ich schnell vergessen habe, war, dass ich in den sozialen Medien immer nur das Endprodukt sehe. Ich sah nicht die 50 Versuche, die die Person vorher unternommen hatte, wie sie scheiterte und es erneut probierte. Ich sah nicht die Jahre, die diese Menschen damit verbrachten, ihre Hobbys zu verfolgen und auszuüben.

Und vor allem sah ich nicht, dass ich all die vergeudete Zeit mit dem Speichern von „Ideen“ viel besser hätte verbringen können, indem ich selbst ein wenn auch schlechtes Bild gezeichnet hätte. Anstatt es ständig mit dem Werk eines anderen zu vergleichen, hätte ich es einfach noch einmal versuchen können und ein Bild erschaffen, das nicht mehr ganz so schlecht ist. Und auf diese Weise, so hoffe ich, wird es eines Tages gut sein.

Den Beweis für meine kreative Krise habe ich sogar bei mir, denn ich habe alle Skizzen- und Tagebücher seit meinem fünften Lebensjahr aufgehoben. Die einzige Zeit in meinem Leben, in der es unberührte Stellen und große Lücken in den Büchern gab, waren jene drei Jahre, in denen ich die sozialen Medien nutzte.

Die Zeit abseits der sozialen Medien kann für neue Hobbys, zur Entspannung oder Aktivitäten genutzt werden, die einem Spaß machen (Symbolbild). Foto: iStock

Aus der Reihe tanzen

Ob ich mit den sozialen Medien einverstanden bin oder sie für schlecht halte, ändert nichts an der Tatsache, dass der Rest der Welt sie nutzt. Ich kann sie aus meinem Leben streichen, aber in gewissem Sinne schließe ich damit alle aus, die dort aktiv sind – Nachrichten, Unternehmen, Freunde. Deshalb bin ich oft nicht auf dem Laufenden. Wenn ich nicht gerade durch Gespräche davon erfahre, muss ich es selbst herausfinden. Das hat zwar seine Nachteile, aber das ist meine Entscheidung und ich finde, dass die positiven Aspekte überwiegen.

Politisch gesehen bin ich optimistischer als früher, was den Zustand der Welt angeht. Das liegt nicht daran, dass ich den Kopf in den Sand stecke, denn ich lese die Nachrichten und höre den politischen Kommentatoren zu. Aber mein Leben wird davon nicht beherrscht. Ständig von den Tragödien und Schrecken der Welt überflutet zu werden, wird nichts daran ändern. Diese Art von Bewusstsein entmutigt und verbittert nur.

Eine Regel über das Leben von Jordan Peterson, einem kanadischen Psychologen, lautet: „Mach dein Bett“. Als ich in den sozialen Medien unterwegs war, war ich so sehr damit beschäftigt, die ungemachten Betten der Welt zu beklagen, dass ich nur selten aufstand, um mein eigenes zu machen.

In meinem Bekanntenkreis erfahre ich die Dinge in der Regel zuletzt. Das war für mich auch einer der Hauptgründe, warum ich mit den sozialen Medien abschloss. Die Leute müssen nicht jedes kleine Detail aus dem Privatleben eines jeden kennen.

In den sozialen Medien ging es ursprünglich nur um Kommunikation, aber ich finde, dass online keine echten Freundschaften gepflegt werden. Es geht eher darum, dass Menschen ein Leben erschaffen, von dem sie wollen, dass andere denken, sie hätten es. Diese Art von Unaufrichtigkeit ging mir immer auf die Nerven. Außerdem bemühte ich mich immer sehr, nicht zu kritisieren, aber es war in den sozialen Medien zu einfach, zu urteilen.

Ich fand, dass die sozialen Medien alle meine realen Begegnungen mit Menschen abwerteten, da ich bereits die neuesten Informationen über ihr Leben kannte, mich über ihre virtuelle Persona ärgerte oder beides. Jetzt sehe ich diese Menschen auf einer Party, ohne zu wissen, was in ihrem Leben vor sich geht, und genieße es, mich mit ihnen zu unterhalten.

Den Abfluss freimachen

Wir werden immer Probleme haben. Auch im Handwerk kann der Klempner nicht vermeiden, dass es immer mal wieder zu Problemen kommt. Die sozialen Medien loszuwerden, war für mich, wie ein Abflussrohr freizumachen.

Als ich das getan habe, fragte ich mich, wie ich überhaupt noch funktionieren konnte. So viele unnötige und selbst verschuldete Probleme waren damit verbunden. Jeder hat schwierige Menschen in seinem Leben und wir alle müssen lernen, mit ihnen umzugehen. Warum in aller Welt öffnen wir dann unsere Telefone und folgen noch schwierigeren Menschen?

Wir alle haben berechtigte Sorgen und Ängste, was die Entwicklung unserer Kultur angeht. Warum setzen wir uns regelmäßig dem Schlimmsten aus, was es gibt? Es ist nicht selbstverständlich, sich für das Gute zu entscheiden. Warum machen wir es uns leichter, schlechte Dinge zu wählen?

Wir tun diese Dinge, weil die sozialen Medien uns blenden. Das Leben ist nicht perfekt, aber mit den sozialen Medien kann man sich ein perfektes Leben vorgaukeln oder für eine Weile entkommen. Man kann seinen Dopamin-Kick durch sofortige Befriedigung und Bestätigung bekommen. Es geht schnell, ist einfach und vermittelt das Gefühl, etwas erreicht zu haben.

Aber es ist nicht real. Nichts davon ist echt. Egal, wie oft ich mir das sagte, als ich die sozialen Medien nutzte, ich wurde immer noch in das virtuelle Vakuum gesogen und verglich mein Leben und mich mit dem anderer Menschen. Ich trug das schwere Gepäck mit mir herum, jeden schönen Moment zu dokumentieren.

Jetzt beobachte ich Menschen, wie sie die Schönheit einer Kathedrale, eines Kunstwerks oder eines lächelnden Kindes erleben – alles durch die Kameralinse ihres Smartphones. Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, warum wir uns das antun.

Ein echtes Leben fernab von sozialen Medien

Die sozialen Medien sind ein Gift der Ironie. Wir trinken es und gaukeln uns selbst vor, die Realität zu ignorieren, die wir dann virtuell zu fälschen versuchen.

Meine Fotosammlung enthält schreckliche Bilder und ich weiß nicht, was gerade „angesagt“ ist. Aber meine Aufmerksamkeitsspanne ist länger als je zuvor, meine Nase steckt immer in einem Buch, ich zeichne wieder, ich bin viel klarer im Kopf, und vor allem übe ich mich darin, aufmerksam zu sein für die Welt, die Menschen und die Dinge um mich herum.

Das Leben ist ein wunderschönes, kostbares Geschenk. Wir brauchen es nicht zu simulieren. Wir müssen darin leben.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „I Quit Social Media 6 Years Ago, I Wasn’t Ready for What Came Next“ (redaktionelle Bearbeitung kms)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion