Warum wir ungern warten
Bereits im Jahr 1981 sang der US-amerikanische Musiker Tom Petty in seinem Lied „The Waiting“, dass das Warten der schwierigste Teil ist. Zwei neue Forschungsarbeiten von Annabelle Roberts, Professorin an der Universität Texas (USA), erklären nun, warum das so ist.
In den beiden Studien untersuchte Roberts, was in Menschen vorgeht, wenn sie ungeduldig sind. Egal ob Menschen in einer langen Warteschlange stehen oder auf eine wichtige Ankündigung warten, das Ergebnis ist dasselbe: Stets wünschten sie sich einen baldigen Abschluss, was direkt mit Ungeduld verbunden ist.
Während sich eine Arbeit mit der Entscheidungsfindung beschäftigt – etwa die Wahl, eine Aufgabe lieber jetzt als später zu erledigen – waren die Gefühle der Wartenden und ihr Verhalten bei einem nahenden Ende Gegenstand der zweiten Arbeit.
Diese Untersuchung sei nicht nur für Vermarkter interessant, sondern auch für alle Menschen. „Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er während des Wartens übermäßig frustriert war“, so Roberts.
Wunsch nach einem Abschluss
Mit der ersten Studie untersuchte die Professorin für Marketing die Ursachen von Ungeduld. Zusammen mit Kollegen von der Universität Chicago fand sie eine überraschende Antwort, das Ende selbst. In sieben Umfragen hatten die Teilnehmer die Wahl, entweder früher mehr zu arbeiten oder zu warten, um später weniger zu arbeiten, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Die Teilnehmer waren bereit, mehr zu geben oder mehr zu tun, wenn sie dadurch einen früheren Abschluss erreichen konnten:
- So waren sie bereit, einen Euro mehr zu zahlen, wenn sie die Bezahlung dafür eher abwickeln konnten.
- Die Befragten zogen es vor, für das gleiche Entgelt 15 Prozent mehr Arbeit zu erledigen, wenn sie die Arbeit dafür früher abschließen und von ihrer Aufgabenliste streichen konnten.
- Um einen Bericht vor einem bevorstehenden Urlaub zu erledigen, machten sie lieber unbezahlte Überstunden, um ihn fertigzustellen, als dafür bezahlt zu werden, ihn nach dem Urlaub zu erledigen.
„Das Bedürfnis, ein Ziel zu erreichen, erklärt die Vorliebe, früher mehr zu arbeiten oder früher mehr zu bezahlen“, so Roberts. „Wir haben festgestellt, dass es bei der Ungeduld nicht nur um den kurzsichtigen Wunsch nach einer Belohnung geht. Es geht auch darum, Ziele von der Liste zu streichen, sodass Aufgaben nicht mehr wie ein Damoklesschwert über ihnen hängen.“
Dieses Ergebnis könne besonders für Manager interessant sein, die ihre Teams besser motivieren wollen – denn Menschen, die sich nach einem Abschluss sehnen, zögern seltener, so die Forscherin. Außerdem seien solche Vorgehensweisen auch Gründe, wieso Marketingaktionen wie „Jetzt kaufen, später bezahlen“ manchmal nicht funktionieren. Die Verbraucher wollen vielleicht nicht den Stress haben, zu wissen, dass bald eine Zahlung fällig ist.
Das Ende ist nah – aber nicht nah genug
Laut Daten von Inrix stehen Deutsche durchschnittlich 38 Stunden pro Jahr im Stau – in Stuttgart mit 73 Stunden sogar fast doppelt so lang. Wie es den Menschen beim Warten geht, was sie denken und wann sie wie handeln, untersuchte Roberts in ihrer zweiten Studie. Sie fand dabei heraus, dass sich der Leidensdruck beim Warten verstärkt, je näher das Ende rückt.
„In dieser Arbeit ging es um die Gefühle der Menschen, ihre Erfahrungen während des Wartens“, sagt Roberts. „Wenn man erwartet, dass die Wartezeit bald zu Ende ist, wird man ungeduldiger, je näher diese Erwartung rückt.“
In realen Situationen bewerteten die Befragten den Grad ihrer Ungeduld, während sie beispielsweise auf die Ankunft ihres Busses warteten. Ihre Frustration nahm zu, je näher sie dem Ende der Wartezeit kamen und sie fühlten sich schlimmer, je näher sie der Ankunft des Busses kamen.
Ein ähnliches Ergebnis zeige sich beispielsweise bei Wahlen – egal ob der Favorit in Führung liegt oder nicht. „Selbst diejenigen, die davon ausgingen, dass ihr Kandidat nicht gewinnen würde, wollten es einfach hinter sich bringen“, sagt Roberts. „Das zeigt sehr schön den Wunsch nach einem Abschluss und wie er sich in der Erfahrung des Wartens niederschlägt.“
Lieber auf langes Warten einstellen
Gleichzeitig hat Roberts ein Tipp für alle Ungeduldigen, Unternehmen oder Versanddienstleister: Wenn ungewiss ist, wann ein Zeitpunkt erreicht oder ein Paket geliefert wird, ist es besser, sich oder die Kunden auf eine längere Wartezeit vorzubereiten als auf eine kürzere. Auf diese Weise kann ein Ereignis früher eintreten oder das Paket ankommen, bevor jemand ungeduldig wird.
Es kann daher auch besser sein, die Kunden zu einem früheren Zeitpunkt über eine Verzögerung zu informieren als zu einem späteren. So können die Menschen ihre Erwartungen entsprechend anpassen.
In ihrem aktuellen Projekt erforscht Roberts nützliche Maßnahmen, die den Menschen helfen, geduldiger zu sein, während sie warten. „Ich möchte mit meiner Forschung den Menschen helfen, ihre Wartezeit zu überbrücken“, sagt sie. „Viele Menschen wünschen sich wirklich Hilfe dabei, wie sie geduldiger sein können und wie sie bessere Entscheidungen treffen können.“ Bis zur Veröffentlichung dieser Ergebnisse heißt jedoch … warten.
Die Studien erschienen im Dezember 2023 in der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“.
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