Zu hohe Abwasser-Grenzwerte der Industrie führen zu „ökologischen Verschiebungen“

In Flüssen bestehen problematische Salzbelastungen, verursacht durch die Industrie. Viele deutsche Gewässer sind betroffen.
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Der Kali-Bergbau in Nordhessen belastet mit seinen Abwässern die Werra.Foto: istock/Heckepics
Von 28. November 2022

Stark salzhaltige Abwässer sind vielerorts ein Problem für das Leben in den Flüssen. Mahnendes Beispiel dafür war das Fischsterben in der Oder, das im August diesen Jahres für Schlagzeilen gesorgt hatte. Tonnenweise trieben die Flossenträger tot im Gewässer. Wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) berichtet, soll laut Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt eine Algenart für das Massensterben verantwortlich gewesen sein.  

Giftige Alge tötete Fische in der Oder

Die Brackwasseralge „Prymnesium parvum“ kommt ursprünglich nur in Küstengewässern vor und scheidet Giftstoffe aus. Sie konnte in der Oder nur gedeihen, weil die Salzkonzentration im fünftgrößten Fluss Deutschlands zu hoch war. Die war allerdings nicht illegal, sondern entsprach behördlichen Vorgaben.

Gewässer von guter Qualität dürfen nicht mehr als 50 mg Salz pro Liter enthalten. Doch selbst bei 200 mg, wenn bereits die ersten Süßwasser-Lebewesen sterben, gilt die Wasserqualität laut NDR noch als gut. Laut Umweltbundesamt überschreiten jedoch einige Flüsse diesen Wert, darunter auch die Werra. Dort leitet das in Kassel ansässige Kali-Konzern K+S seit Jahren Abwässer aus seiner Produktion ein. Das führt seit Jahren zu Streitigkeiten mit Umweltschützern.

Kali-Bergbau gefährdet Trinkwasser

In Hessen wird seit mehr als 100 Jahren Kali-Bergbau betrieben. Die Abwässer, die dabei entstehen, gefährden jedoch das Trinkwasser. Die Verschmutzung des Grundwassers steigt täglich, schreibt der Umweltschutzverein BUND Hessen auf seiner Internetseite.

Die Umweltschützer wollen auch, dass die beim Abbau entstehenden Halden mit Aushub verschwinden. „Das Wachstum der Halden in Neuhof, Hattorf und Wintershall muss aufhören. Bereits heute stammt der überwiegende Anteil des salzhaltigen Abwassers, das die Werra belastet, aus den Kalihalden.“

„Dieser Anteil muss schnell kleiner werden, um die Werra zu entlasten“, fordert Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen. Das Abraummaterial solle nicht mehr zu großen Hügeln wachsen, sondern in „die ausgebeuteten Kali-Bergwerke zurückgebracht werden.“ Um das zu erreichen, zog der BUND vor Gericht und scheiterte im Oktober 2022 in erster Instanz.

RP spricht von Fortschritten für die Werra

Das Regierungspräsidium (RP) in Kassel als Genehmigungsbehörde für die Aktivitäten von K+S teilte auf Anfrage von Epoch Times mit: „Das bei der Produktion anfallende Abwasser und das aufgefangene Wasser der Rückstandshalden haben die Unternehmen lange Zeit im Wesentlichen in die Werra geleitet.“

Auf weiten Strecken hat der Fluss daher noch keinen „guten ökologischen Zustand“ erreicht, so ein RP-Sprecher. Im Zuge der „Bewirtschaftungsplanung der Flussgebietsgemeinschaft Weser“ sei eine kontinuierliche Absenkung der zulässigen Grenzwerte für die Salzwassereinleitung in die Werra durch K+S vorgesehen.

Seit dem 1. Januar 2022 gelte ein Grenzwert von 2.000 mg/l Chlorid. Bis Ende 2027 muss K+S die Einleitung von Produktionsabwässern in die Werra einstellen. Die Reduzierung der Salzbelastung habe bereits erste Fortschritte bewirkt, so der Sprecher abschließend.

Behörden passen Grenzwerte im Sommer nicht an

Neben der nordhessischen Region gibt es noch viele andere Gebiete, in denen salzhaltige Abwässer eine Rolle spielen. Der NDR befragte Hans-Jürgen Friedrich vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS.

Der Experte für die Behandlung von Industrie- und Bergbauabwässern sieht demnach neben der erwähnten Weser auch an Saar, Ruhr, Emscher, Lippe, Fulda, Leine, Unstrut, Saale und Elbe einen Zusammenhang zwischen erhöhten Chlorid-Werten und Industrie und Bergbau.

Das Entsorgen von Produktionsabwässern genehmigen die jeweils zuständigen Bezirksbehörden wie etwa das erwähnte RP in Kassel. Giftige Chemikalien müssen die Unternehmen rausfiltern. Bei Salz ist das schwierig und teuer. Wenn in trockenen Sommern die Pegelstände in den Flüssen sinken, müssten die Behörden die Grenzwerte anpassen. Doch ist das laut NDR vielerorts nicht geschehen.

Nahrungsnetze verändern sich durch Salzgehalt

Die Versalzung von Gewässern ist weltweit ein Problem. Und möglicherweise mit größeren Folgen als bisher angenommen. Zu dem Schluss kommt eine Studie, über die die Plattform „Bild der Wissenschaft“ berichtet. Selbst Salzkonzentrationen unterhalb der Grenzwerte hätten „deutliche ökologische Verschiebungen“ aufgezeigt.

Das ein Forschungsteam um William Hintz von der University of Toledo (Oregon) herausgefunden. Die Wissenschaftler haben Gewässer in Europa und Nordamerika unter die Lupe genommen. So sinkt durch die Übersalzung die Menge an Zooplankton.

Dieser Umstand begünstigt wiederum das Wachstum von Algen. Nahrungsnetze in den Seen verändern sich dadurch. Für die Nährstoffkreisläufe und das Trinkwasser könnte das ebenfalls Folgen haben. „Unsere Studie zeigt die ökologischen Kosten der Versalzung und unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die bestehenden Chlorid-Grenzwerte zu prüfen und zu senken“, lautet ein Fazit Hintzes. „Die Richtlinien, die die Süßwasser-Ökosysteme bisher schützen sollen, tun dies nicht.“

 



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