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plus-iconNeue Behörde für Digitalisierung

Verpflichtende digitale Identität in Koalitionsvertrag geplant – Hacker bemängeln „Überwachungskatalog“

Im Entwurf des Koalitionsvertrags setzen CDU, CSU und SPD auf eine konsequente Digitalisierung. Dafür soll eine neue Behörde für Digitalisierung und Staatsmodernisierung geschaffen werden. Der Chaos Computer Club (CCC) übt massive Kritik an dem Vorhaben und fordert eine „Notbremse für den Überwachungskatalog“.

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Die schwarz-rote Bundesregierung will eine digitale Identität für alle Bürger verpflichtend einführen.

Foto: iStock

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Lesedauer: 11 Min.

Die schwarz-rote Bundesregierung plant eine digitale Identität für alle in Deutschland lebenden Menschen. Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD hervor, den die Fraktionen in dieser Woche vorgestellt haben. So steht auf Seite 56 ab Zeile 1.802: Wir setzen auf konsequente Digitalisierung und ‚Digital-Only‘: Verwaltungsleistungen sollen unkompliziert digital über eine zentrale Plattform (‚One-Stop-Shop‘) ermöglicht werden, das heißt ohne Behördengang oder Schriftform. Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität.“

CCC: Koalitionsvertrag strotzt vor Überwachungsvorhaben

Außerdem will die Regierung für die Bevölkerung wie auch für Unternehmen eine EUDI-Wallet bereitstellen. Mit ihr sind dann Identifikation, Authentifizierung und Zahlungen möglich. Das setzt aber auch voraus, dass jeder Mensch im Besitz eines Smartphones sein muss, um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Unterstützung „vor Ort“ gäbe es für diejenigen, die den „digitalen Weg“ nicht gehen wollen oder können. Wie das genau aussehen soll, wird im Text nicht ausgeführt.
Massive Kritik an den Plänen der Koalition übt der Chaos Computer Club (CCC). Der Koalitionsvertrag strotze vor Überwachungsvorhaben, „dass jeder Einzelne betroffen sein wird“, heißt es auf der Internetseite des Vereins. Dabei ließen CDU, CSU und SPD „alle Hemmungen fallen“. So sei die Massenüberwachung gleich auf drei Ebenen geplant: Telekommunikations-, Autokennzeichen- und Biometriedaten. Die Spezialisten fordern daher die „Notbremse für den Überwachungskatalog“.
Nach Ansicht des CCC haben die Koalitionäre „aus Jahrzehnten etablierter höchstrichterlicher Rechtsprechung“ nichts gelernt. So beharrten sie nicht nur auf einer Vorratsdatenspeicherung, sondern planen weitere anlasslose Massendatenerfassungen Unbescholtener, heißt es in der Stellungnahme weiter. Auch stünde die rot-schwarze Koalition für einen Paradigmenwechsel. So solle die informationelle Selbstbestimmung „auf den Scheiterhaufen“. Stattdessen bekämen Datennutzung und Künstliche Intelligenz Priorität.

Unter dem Dach des neuen Ministeriums für Digitalisierung

Die Koalitionäre widmen diesem Thema nur wenige Zeilen in dem fast 150-seitigen Vertrag. Auch konkrete Termine zur Einführung nennen sie nicht. Dennoch sind die Ziele verbindlich und alternativlos formuliert. Eine Wahl hat man also nicht, wenn es heißt, dass Bürgerkonto und digitale Identität verpflichtend sind. Eingerichtet wird das alles unter dem Dach einer neu geschaffenen Behörde – dem Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
Wie weit ist das alles in der Entwicklung? Schauen wir auf die einzelnen Komponenten. Da wäre das Bürgerkonto, auch bekannt als BundID, die seit Sommer 2021 einsatzfähig ist. Dabei handelt es sich um ein digitales Konto, das es seinen Besitzern ermöglicht, Anträge digital und deutschlandweit stellen zu können. Auf diese Weise soll Bürokratie abgebaut werden. Als Beispiel ist im Koalitionsvertrag das Kindergeld angeführt. Nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen entsprechenden Bescheid für den staatlichen Zuschuss für den neuen Erdenbürger erhalten. Die Verwaltungsmodernisierung von Sozialleistungen will die Koalition „generell zur Blaupause machen“.

Ursprüngliches Ziel beim Bürgerkonto verfehlt

Doch der Weg zum Bürgerkonto gestaltet sich offenbar als steiniger als gedacht. Das bereits 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen, das Onlinezugangsgesetz, verpflichtet Behörden, ihre Verwaltungsleistungen auch digital über Verwaltungsportale anzubieten.
575 Verwaltungsleistungen sollten über die BundID bereits 2022 abgewickelt werden können, doch das Ziel wurde bei Weitem nicht erreicht. Der Bund begründete dies mit komplexen föderalen Strukturen, unterschiedlichen Digitalisierungsständen und einer „heterogenen IT-Landschaft“.
Bei der Einführung der EUDI-Wallet nennt der Koalitionsvertrag kein Datum, doch es gibt bereits ein EU-weites Ziel. So soll sie „schrittweise bis 2027 mit kontinuierlich erweitertem Funktionsumfang nutzbar sein“. Dazu verpflichtet die Mitgliedstaaten die 2024 im Europäischen Parlament verabschiedete eIDAS-Verordnung. eIDAS steht für „Electronic IDentification, Authentication and Trust Services“. Sie schafft „einheitliche Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Nutzung elektronischer Identifizierungsmittel und Vertrauensdienste“.
Doch versucht die EU, den Datenschutz zu untergraben, kritisiert die österreichische Nichtregierungsorganisation (NGO) epicenter.works in einem Blog auf ihrer Internetseite. Im Mittelpunkt steht dabei die Menge der Daten, auf die etwa Unternehmen oder Behörden Zugriff bekommen. So hatten Verbraucher- und Datenschützer und sogar nationale Delegationen der EU-Kommission mehrfach gefordert, ein verbindliches System von Registrierungszertifikaten zu schaffen. Diese Zertifikate sollen festlegen, welche Informationen eine Firma oder ein Amt übermittelt bekommt. Damit soll verhindert werden, dass Auskünfte über das jeweils notwendige Maß hinaus erteilt werden, gegen die sich die betroffenen Menschen nicht wehren können.

Verbraucherzentrale fordert sparsamen Umgang mit Daten

Epicenter.works kritisiert, dass die EU kein verbindliches, sondern nur ein optionales Zertifikatesystem einführen möchte. Damit gebe sie mächtigen Industrielobbyisten nach, anstatt – wie versprochen – dieses gefährliche Schlupfloch zu schließen. Die NGO vertritt die Auffassung, dass der dramatische Rückschritt“ das Kernprinzip des Projekts European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet) bedrohe. Diese sollte den Nutzern in der gesamten EU sichere digitale Identitäten „unter zuverlässigem und einheitlichem Schutz“ bieten. Doch der Plan der EU, die genannten Zertifikate fakultativ zu machen, bedeute letztlich nichts anderes, als das Versprechen aufzugeben, dass die Menschen die Kontrolle über ihre Daten behalten. Vielmehr gefährde die EU damit die Privatsphäre des Einzelnen.
Einen sparsamen Umgang mit den Daten der Nutzer im Zusammenhang mit der digitalen Brieftasche fordert auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Nur so kann das erforderliche, hohe Schutzniveau gewährleistet werden und Vertrauen entstehen“, sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleitung Verbraucherpolitik beim vzbv. Doch die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kommission widersprächen den Interessen der Verbraucher. Sie könnten sich kaum mehr einen Überblick über die Verwendung ihrer Daten machen, da nach den Vorstellungen aus Brüssel nicht kenntlich gemacht werden müsse, ob Abfragen rechtliche Notwendigkeiten zugrunde lägen.
Der vzbv fordert daher auch ein Verbot für privatwirtschaftliche Anbieter wie Amazon, Apple oder Google. Sie dürften die Daten nicht für den Ausbau ihrer Monopolstellungen nutzen.

Petition fordert Recht auf Leben ohne Digitalzwang

Eine internetrepräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts eye square im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes vom Oktober 2024 zeigt ein eher zurückhaltendes Ergebnis in puncto Digitalisierung persönlicher Daten. So würden 44 Prozent der Befragten ihren Personalausweis oder ihren Führerschein in einer digitalen Brieftasche hinterlegen. Etwas mehr als ein Drittel (34 Prozent) würde dies jedoch nicht tun. Mehr als jeder fünfte Befragte (22 Prozent) war sich nicht sicher, was er tun würde. Für Michaela Schröder ist daher klar: „Die Verbraucher müssen der Technologie vertrauen, damit die Vorteile der digitalen Brieftasche zum Tragen kommen können.“
Gegen digitale Zwänge regt sich auch Widerstand. So hat die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage im Mai 2024 eine Petition auf den Weg gebracht, die eine Aufnahme des Rechts auf ein Leben ohne Digitalzwang in das Grundgesetz vorsieht. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und der öffentlichen Infrastruktur dürfe nicht davon abhängig sein, dass Menschen ein Smartphone, das Internet oder eine bestimmte Software nutzen. Ein rein digitales Leben schließe viele, hauptsächlich ältere, kranke oder Menschen mit geringem Einkommen, aus.
Im Juni 2024 erschien eine Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Zum sogenannten Digitalzwang und einem Recht auf analogen Zugang zu Verwaltungsleistungen“. Darin heißt es in einer Stellungnahme, dass das Grundgesetz kein „Abwehrrecht“ gegen eine digitale Verwaltung vorsehe. Daher stehe dem Grundsatz „Digital Only“ vor allem im Verhältnis zu Wirtschaftsunternehmen nichts entgegen. (Seite 6 oben)

Trump zeigt, was mit digitaler Technik möglich ist

Wie wichtig die digitale Unversehrtheit den Menschen ist, zeigen zwei Volksabstimmungen in der Schweiz. Sie haben letztlich dazu geführt, dass das Recht auf Schutz vor missbräuchlicher Verarbeitung von Daten, das Recht auf digitale Sicherheit, das Recht auf ein Offline-Leben und das Recht auf Vergessenheit in die Kantonsverfassung von Genf (Juni 2023) und von Neuchâtel (November 2023) aufgenommen wurde. Dabei war die Zustimmung überwältigend. So sprachen sich in Genf 94 Prozent dafür aus, in Neuchâtel waren es 91,5 Prozent.
Der Journalist und Blogger Norbert Haering sieht in dem Bestreben der Bundesregierung die „Verwirklichung des Technokratentraums einer zentral gesteuerten Gesellschaft“. Dabei werde der Mensch als autonomer Entscheidungsträger „eliminiert“ und Teil eines Systems in einer „zentral gesteuerten sozialen Megamaschine“. Die Koalitionspartner arbeiteten an der Realisierung eines „totalitären Traums“, schreibt er auf seiner Internetseite.
In einem weiteren Beitrag zeigt er am Beispiel der USA auf, was mit der digitalen Technik möglich ist. Dort nutzt Präsident Donald Trump Digitalisierung, um Ausländer loszuwerden. Er lässt die Sozialversicherungsnummer, die dort in vielen Bereichen des Lebens angegeben werden muss, sperren. Dazu werden die Daten in ein Sterbeverzeichnis verschoben und die Aktivitäten so gestoppt.
Bisher beschränke sich das auf etwa 6.000 Menschen, die die Regierung als Terrorverdächtige oder Kriminelle eingeordnet habe. Doch laut „New York Times“ ist es vorgesehen, auch gegen Menschen vorzugehen, die unter Trumps Vorgänger Joe Biden legal eingewandert sind. Um sie wieder loszuwerden, soll „das finanzielle Leben“ der Betroffenen terminiert werden, heißt es in einer internen E-Mail der zuständigen Verwaltung.

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