CEO von NextEra Energy: Offshore-Windkraft ist eine „schlechte Wahl“

An der Küste ist der Wind stärker. Mit diesem Argument rechtfertigen viele die Offshore-Windkraftanlagen. Jedoch werden dabei gleichzeitig viele Nachteile dieser Standorte außer Acht gelassen. Die Auswirkungen spürt die Branche schon jetzt.
CEO von NextEra Energy: Offshore-Windkraft ist eine „schlechte Wahl“
Offshore-Windkraftanlagen haben nicht nur Vorteile.Foto: iStock
Von 15. März 2023

Der Geschäftsführer von NextEra Energy, John Ketchum, hält Offshore-Windkraftanlagen bei der Umsetzung der Energiewende für eine schlechte Wahl. NextEra zählt als größtes US-Energieunternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien.

Die Gründe dafür sieht Ketchum vor allem in der aufwendigen Installation und Wartung der Infrastruktur auf See. Auch die hohen Kosten für die Übertragung des Stroms an die Küste seien ein Nachteil. „Das ist sehr kapitalintensiv“, sagte Ketchum am Mittwoch, 8. März, bei einer Energiekonferenz in Houston, USA.

Raue Bedingungen auf See

Viele EU-Staaten und die US-Regierung wollen derzeit massiv die Offshore-Windkraft ausbauen. Das ist Teil ihrer vielschichtigen Bemühungen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft zur Bekämpfung des Klimawandels.

Laut Ketchum ist eine der Komplikationen der Offshore-Branche die Salzwasserkorrosion, von denen die Windräder nach einer gewissen Zeit betroffen seien, berichtete „gCaptain“. Zudem gebe es vor der US-Küste eine größere Bedrohung durch Wirbelstürme. Weitere Schwierigkeiten stellten die begrenzte Verfügbarkeit von Schiffen dar sowie die Installation von Unterwasserübertragungskabeln. Ein aktuelles Problem seien auch die Probleme in der Lieferkette, die die Kosten in die Höhe getrieben hätten.

„Es ist für uns schon schwer genug, uns nur um eine Reihe Anlagen an Land zu kümmern, mit einigen der Probleme, mit denen wir als Unternehmen zu tun haben. Und wir sind schon die Besten in der Branche“, beklagte Ketchum.

Dabei würde das Unternehmen enorme mittelfristige Fortschritte in der Batteriespeichertechnologie mit einkalkulieren. Diese seien erforderlich, um das Netz mit Strom zu versorgen, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht. Die derzeitigen Batterien für Stromspeicher halten nur für rund vier Stunden.

Einen baldigen Verzicht von Erdgas bei der Stromerzeugung hält der Geschäftsführer für unwahrscheinlich. Der Rohstoff werde noch so lange eine wichtige Rolle spielen, bis sich die Speichertechnologie entschieden verbessert. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Energiewende, die dieses Land [USA] anstrebt, ohne die Stromerzeugung aus Erdgas funktioniert“, sagte Ketchum.

Inflation bremst Ausbau

Der Ausbau von On- und Offshore-Windparks wird derzeit weltweit durch die steigende Inflation eingebremst. Viele Unternehmen zögern bei hohen Investitionen. Das bestätigt etwa Giles Dickson, Leiter der Industriegruppe WindEurope:

Die Regierungen müssen sich der Realität bewusst werden, dass Investitionen in Offshore-Wind nicht getätigt werden. Hier steht sehr viel auf dem Spiel.“

Denn im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftwerken, die über ihre gesamte Lebensdauer Brennstoff benötigen, fällt der überwiegende Teil der Kosten für erneuerbare Energiesysteme bereits im Voraus an. Das macht die Branche besonders empfindlich gegenüber Verteuerungen der Baukosten. Aktuelles Beispiel: Vor Deutschlands Küste sind rund sechs Gigawatt Windparks geplant, die aufgrund der genannten Probleme nicht wie erhofft vorankommen.

Die Finanzierungsprobleme gelten insbesondere für die riesigen Offshore-Windparks. Es kommt beinahe dem Vorhaben gleich, als wolle man Wolkenkratzer auf See errichten. Nötig sind spezialisierte Installationsschiffe und kilometerlange, dicke Kupferkabel, um sie mit dem Stromnetz an Land zu verbinden. Die niederländische Werft Damen hat kürzlich ein entsprechendes Schiff vorgestellt. In ihren Augen seien mindestens 100 der derzeit nur als Konzept existierenden Schiffe nötigt.

„Das Offshore-Windgeschäft befindet sich in einem perfekten Sturm“, sagte Thomas Arentsen, Partner bei Bain & Co. „Die Rentabilität wird in der gesamten Wertschöpfungskette von den Entwicklern über die Lieferkette bis hin zu allen stark beeinträchtigt.“

Staatliche Hilfen nötig

Für eine reibungsfreie Realisierung der Projekte müssen die Strompreise mit den Baukosten Schritt halten, aber das passiert nicht. In Europa haben die Staaten 768 Milliarden Euro bereitgestellt, um Unternehmen und Verbraucher vor Preiserhöhungen zu schützen. In den USA binden die Behörden die Energieversorger an die Stromtarife vor dem Anstieg der Inflation.

Auch Timothy Fox, ein Analyst von ClearView Energy Partners, brachte seine Bedenken zum Ausdruck. „Jeder, der dachte, dass das Errichten von Offshore-Windkraftanlagen in den USA eine leichte Brise sein würde, hat vielleicht nicht genau aufgepasst.“

In Europa sind die Bedingungen noch angespannter. Um die Energiekrise zu bewältigen, haben die Politiker den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen eine Sondersteuer auferlegt. In Deutschland schöpfte die Regierung bis zu 90 Prozent der Einnahmen ab.

Die EU und Großbritannien wollen bis 2030 insgesamt 110 Gigawatt Offshore-Windkapazität haben. Das ist mehr als das Dreifache der derzeitigen Anlagen. Allerdings haben die Unternehmen im vergangenen Jahr fast keine Neuinvestitionen getätigt und alle Ausschreibungen für Fördermittel in Deutschland waren unterzeichnet.

Die einzige Entscheidung über ein neues Projekt kam im Dezember von einem Joint Venture zwischen Shell und dem niederländischen Energieversorger Eneco zum Bau eines 760-MW-Windparks in der Nordsee.

Bundesregierung hält trotzdem ihren Kurs

Trotz aller Widrigkeiten hält die Bundesregierung weiterhin an ihrem Ausbauziel von vier bis fünf neuen Windkraftanlagen pro Tag fest. Pro Jahr sind das weit über 1.000 Windräder. Bis 2030 sollen insgesamt 10.000 neue Windkraftanlagen stehen. Dazu plant nun laut „BlackoutNews“ Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) staatliche Hilfen für die Solar- und Windindustrie, um die Wende industriepolitisch zu unterstützen.

Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Klimaziel gesetzt, 80 Prozent des Bruttostroms bis zum Jahr 2030 aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Dies erfordert eine Erzeugung von 572 TWh durch hauptsächlich Wind- und Solarenergie von den insgesamt angesetzten 715 TWh. Mit dem aktuellen Windkraft-Ausbauplan und den angestrebten Zuwächsen in der Photovoltaik könnten wir in rund sieben Jahren bei 30 Prozent liegen.

Die gesamte Rechnung dürfte allerdings noch weniger aufgehen, da im Jahr 2030 der Strombedarf nicht mehr bei 715 TWh, sondern weit darüber liegen dürfte. Nach den Plänen der Bundesregierung soll es dann deutlich mehr Elektroautos, Wärmepumpen und elektrifizierte Industrieprozesse geben, was den Strombedarf kräftig anwachsen lässt. Es werden also eher 15 bis 20 Windräder pro Tag benötigt, anstatt vier bis fünf, um das Ziel erreichen zu können. Zum Vergleich: 2022 gingen – im ganzen Jahr – 38 neue Offshore-Windkraftanlagen ans Netz. 2020 und 2021 waren es exakt null.



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