In Windeseile: Scholz will „generalstabsmäßig“ Windrad-Ausbau verdreifachen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will den Ausbau der Windkraft an Land massiv beschleunigen. Bis 2030 müssten „an Land im Schnitt vier bis fünf Windräder jeden Tag“ gebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen, sagte Scholz der „Bild“.
Seine Regierung gehe dies nun „generalstabsmäßig“ an und erstelle einen „Fahrplan, was bis wann an neuen Anlagen gebaut sein muss“.
„Jeden Monat wird es dann ein Gespräch mit den Ländern geben, wie weit sie damit vorangekommen sind“, kündigte Scholz kürzlich an. „Was nicht pünktlich geschafft wird, muss aufgeholt werden.“
Von 1,5 auf 4 bis 5 Windräder pro Tag
Im vergangenen Jahr nahm die Leistung von Windrädern an Land im Vergleich zu 2021 nur leicht zu. Sie stieg nach Branchenangaben um 4,3 Prozent.
Neu errichtet wurden demnach 551 Anlagen mit 2.403 Megawatt Leistung – das entspricht 1,5 Windrädern pro Tag. Deutschlandweit gab es zum Jahresende 28.443 Windenergieanlagen.
Mit dem Windenergie-an-Land-Gesetz werden Flächenziele für den Ausbau vorgegeben. Bis Ende 2032 müssen demnach die Länder zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen. Bislang sind es laut Bundeswirtschaftsministerium 0,8 Prozent.
„Schnellstmöglich“ neue Standorte finden
Der Bundesverband Windenergie gibt sich optimistisch, dass die Bundesregierung unter Scholz ihr Ausbauziel erreichen kann. Auf Anfrage der Epoch Times wies Pressesprecher Frank Grüneisen darauf hin, dass die Branche in Deutschland fest verwurzelt sei. Daher könne sie „den Hochlauf der Produktion sicher planen.“ Das neue EEG unterstütze dabei die auf Jahre hinweg vorgegebenen Ausbauziele.
Damit Deutschland die „ambitionierten Ausbauziele“ erreicht, nimmt Grüneisen Behörden und Bundesländer in die Pflicht. Sie sollten dafür sorgen, dass sich die „Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen“, um „schnellstmöglich Flächen [für neue Windparks] auszuweisen“. Wenn die Rahmenbedingungen auf Landesebene stimmen, könne die Branche dieses Ziel erfüllen.
Auch die Pressesprecherin des Verbands für Maschinen und Anlagenbau, Beatrix Fontius, betonte auf Anfrage der Epoch Times, wie wichtig der Abbau von administrativen Hürden ist.
Dies betreffe ebenso die Prozesse der Infrastruktur wie etwa bessere Bedingungen für Groß- und Schwertransporte. Denn bei der Lieferung von Onshore-Windenergieanlagen von den Produktionsstandorten zu den eigentlichen Standorten kann es ebenfalls zu Verzögerungen kommen.
Personal gesucht
Bei der Frage, ob die Branche den höheren Bedarf an Arbeitskräften und Ressourcen bedienen kann, zeigte sich Grüneisen ebenfalls guter Dinge. „Zwar haben die Unternehmen der deutschen Windenergiebranche aufgrund politischer Fehlsteuerungen der vergangenen Jahre rund 50.000 Arbeitsplätze abbauen müssen. Wir sehen jedoch seit einiger Zeit über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg eine deutliche Erholung.“
Zahlreiche Unternehmen würden bereits wieder im großen Stil Fachkräfte einstellen. „Der Bundesverband unterstützt diese Bemühungen mit einer eigenen Fachkräftekampagne.“ Ob der Arbeitsmarkt jedoch beim derzeitigen Fachkräftemangel so hohe Personalkapazitäten bereitstellt, bleibt abzuwarten.
Laut dem Verband für Maschinen und Anlagenbau kann die Branche bereits jetzt zusätzliche Aufträge annehmen: „Die Hersteller von Windanlagen und deren Zulieferer haben noch Kapazitäten.“ Die Projekte würden sich aufgrund von Engpässen bei Genehmigungen, Gerichtsverfahren, Transport, Infrastruktur oder Netztechnik verzögern. „Für den Bereich Offshore-Windenergie sind bereits Kapazitätsaus- und zubauten auch in Europa geplant“, sagte Fontius. Problematisch seien für beide Bereiche derzeit eher die steigenden Kosten für Materialien und Energie.
Wie lange dauert der Bau einer Windanlage überhaupt?
Der Bau einer Windanlage benötigt „im Schnitt rund sechs Jahre, bis eine Windenergieanlage am Netz angeschlossen ist“, erklärt Grüneisen auf Anfrage. Allein auf das Genehmigungsverfahren entfallen durchschnittlich 23,6 Monate – also knapp zwei Jahre. „Der Extremwert liegt aktuell bei 92 Monaten (7,7 Jahre) ohne Entscheidung“, das Verfahren sei weiterhin offen.
Nachdem die Behörden die Genehmigung für eine Windanlage erteilt haben, muss das Projekt anschließend an einer der vier jährlichen Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur teilnehmen. „Gewinnt das Projekt in einer der Runden einen Zuschlag, vergehen nochmals im Schnitt 25,9 Monate, bis das Projekt tatsächlich realisiert wird.“
Einer Ausarbeitung der Fachagentur Windenergie ist zu entnehmen, dass es im Jahr 2017 nur durchschnittlich 11,1 Monate dauerte. Dabei sei zu beachten, dass es sich immer nur um Durchschnittswerte handelt. „Die Hälfte aller Projekte brauchen deutlich länger. Das muss sich ändern, wie der Bundeskanzler am Wochenende nochmals deutlich machte“, sagte Grüneisen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach kürzlich von einem sogenannten Windausbau-Beschleuniger. Dabei sollen Windräder und Stromleitungen nach den Plänen des Bundeskabinetts künftig viel schneller genehmigt werden. Eine Notfallverordnung auf EU-Ebene soll bisher nötige Prüfungen und Genehmigungsverfahren umgehen.
Windräder allein reichen nicht
Ob Deutschland das angesetzte Ziel von 80 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 erreichen kann, würde nicht nur einzig an der Windenergie liegen, schilderte Grüneisen. „Das Konzert aller Erneuerbaren ist dabei wichtig. Es braucht die Photovoltaik ebenso wie die flexible Bioenergie zum Abfangen von Spitzen im Netz.“ Dabei sei es wichtig, „das deutsche Strommarktdesign [Gestaltung des Strommarktes] so zu überarbeiten, dass es den Ansprüchen der Erneuerbaren Energien gerecht wird.“
Nur weitere erneuerbare Energiequellen reichen nicht aus, um die „ambitionierten Ausbauziele“ von Scholz zu erreichen. Dazu müssen laut Fontius zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden. So zählte sie neben der „Bereitstellung von Flächen“ etwa die „Schaffung verlässlicher politischer Rahmenbedingungen“ auf. Der Bund müsse hier Anreize schaffen, dass Unternehmen aus der Branche in den Standort Deutschland investieren. Gleiches treffe auf Vorprodukte, Rohstoffe, Lieferketten und Fachkräfte zu.
(Mit Material von AFP)
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