Klimawandel macht längere Tage? Physiker angesichts negativer Schaltsekunden ratlos
Zeit ist relativ, das wusste schon Albert Einstein. Mit ähnlich schlauen Köpfen durfte der Autor während einer Konferenz in Wien speisen, darunter Sonnenforscher aus Europa und den USA, ein Physikprofessor der Universität Princeton und ein Nobelpreisträger der Physik. In derartiger Gesellschaft kann auch mal ein auf den Punkt gegartes Wiener Schnitzel in Vergessenheit geraten, erst recht, wenn die versammelte Intelligenz sich einig ist, dass sie etwas nicht versteht: die Zeit. Und damit meinten sie nicht die verbleibende Mittagspause.
Sie sprachen darüber, dass die Tage kürzer werden, nicht wegen der Jahreszeiten, sondern über Jahre hinweg und mit bisher unbeobachteter Geschwindigkeit, weil sich die Rotation der Erde beschleunigt. Etwas, das angesichts globaler Erwärmung eigentlich ausgeschlossen sein müsste. Keiner von ihnen hatte eine Erklärung dafür.
27 Schaltsekunden seit 1972 …
Spätestens seit Nikolaus Kopernikus (1473–1543) weiß die Menschheit, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Dabei unterliegt die Bewegung der Erde äußeren Einflüssen, beispielsweise durch die Planeten, die Sonne und den Mond. In diesem Zusammenhang wenig verwunderlich ist, dass auch die irdischen Widerspiegelungen dieser Bewegung wie Winter und Sommer, Tag und Nacht Veränderungen unterliegen.
Ein Tag dauert – heute und im Durchschnitt – 24 Stunden beziehungsweise 1.440 Minuten oder 86.400 Sekunden. Tatsächlich schwankt die Zeit, die die Erde für eine Drehung um ihre eigene Achse benötigt, stetig, und ein „Sonnentag“ war in der jüngeren Vergangenheit minimal länger als 24 Stunden. Die aus astronomischen Beobachtungen ermittelte „Universelle [Sonnen-] Zeit“ (UT1) verlief also geringfügig langsamer als die irdische „Koordinierte Weltzeit“ (UTC).
Da die Schwankungen im Bereich von Millisekunden liegen, haben sie keine Auswirkungen auf den Alltag. Über längere Zeiträume können die aufsummierten Abweichungen jedoch zu Problemen bei technischen Anwendungen führen. Zum Ausgleich werden, ähnlich einem Schalttag von Zeit zu Zeit Schaltsekunden eingefügt. Dies erfolgt nach Bedarf und wird vom Internationalen Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme mit Sitz in Frankfurt am Main festgelegt. Ein Tag, meist Silvester, seltener auch der 30. Juni, hat dann 86.401 Sekunden. Auf 23:59:59 Uhr, folgt in diesem Fall 23:59:60 Uhr, bevor der neue Tag mit 00:00:00 Uhr beginnt.
Seit Einführung der ersten Schaltsekunden im Jahr 1972 wurden insgesamt 27 Sekunden eingefügt. Während dies anfangs jedes Jahr erfolgte, ist die letzte Schaltsekunde fast zehn Jahre her. Sie wurde an Silvester 2016 eingefügt.
… 1.620 Sekunden seit den Dinosauriern
Seither hat sich die Erdrotation derart beschleunigt, dass die Sonnentage im Jahresmittel kürzer als 24 Stunden sind und ernsthaft über negative Schaltsekunden diskutiert wird. Obwohl exakt dieser Fall vor über 50 Jahren ebenfalls in Betracht gezogen wurde, wäre es die erste ihrer Art.
So war die Notwendigkeit negativer Schaltsekunden in der Vergangenheit in erster Linie theoretischer Natur. Aus geschichtlichen Quellen ist bekannt, dass ein Tag vor 70 Millionen Jahren nur 23 Stunden und 33 Minuten dauerte. Vorausgesetzt ein Jahr – die Drehung der Erde um die Sonne – dauerte damals genauso lange wie heute, konnten Dinosaurier demnach an 372 Tagen pro Jahr den Mond bewundern.
Da ein Tag heute – rund – 24 Stunden dauert, ist festzuhalten, dass sich die Tage seit der Zeit der Dinosaurier verlängert haben. Das ist nur möglich, wenn sich die Rotation der Erde verlangsamt hat und die Sonnentage länger geworden sind. Ausgehend von einem Unterschied von 27 Minuten hätten seither 1.620 Schaltsekunden eingefügt werden müssen. Positive Schaltsekunden sind also „seit Langem“ bekannt.
Dass die Erde langsamer wird, hat eine allgemein anerkannte physikalische Ursache: den Mond. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) schreibt dazu auf seiner Website: Die vom Mond verursachte Gezeitenwirkung (Ebbe und Flut) und die daraus entstehende Reibung verlangsamen die Erddrehung.
Dieser direkte Einfluss ist jedoch nicht der einzige Grund, warum sich der Tanz von Erde und Mond auf lange Sicht – astronomisch lange Sicht – verändert.
Die Erde als Eiskunstläuferin
Genau genommen kreist der Mond nicht um die Erde, sondern Erde und Mond um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Dieses sogenannte Baryzentrum liegt zwar innerhalb der Erde, aber deutlich näher an der Erdoberfläche als am Erdmittelpunkt. Das Gleiche gilt für die Sonne und ihre Planeten.
Zugleich gilt in beiden Systemen das physikalische Gesetz der Drehimpulserhaltung. Für Erde und Mond bedeutet das laut DLR schlimmstenfalls ein Ende der Beziehung:
Der Mond bewegt sich auf einer Spiralbahn ganz langsam von der Erde weg. Mit Lasern wurde eine jährliche Entfernungszunahme von etwa 3,8 Zentimetern gemessen. In einigen Milliarden Jahren […] könnte uns der Mond sogar [ganz] verloren gehen.“
Entfernen sich Erde und Mond voneinander, wird das Baryzentrum aufgrund der vielfach größeren Masse der Erde kaum beeinträchtigt, jedoch verändert sich die gemeinsame Drehung von Mond und Erde erheblich. Sie wird ebenfalls langsamer. Das ist vergleichbar mit einer Eiskunstläuferin, die während einer Pirouette die Arme ausstreckt und sichtbar langsamer rotiert.
Zeit widerspricht Klimawandel-Narrativ
Denselben Effekt übt laut Forschern der ETH Zürich und dem NASA Jet Propulsion Laboratory in Kalifornien auch der Klimawandel aus. Dabei ist es physikalisch vollkommen irrelevant, ob dieser kosmischen, irdischen oder menschlichen Ursprungs ist, oder auf geschätzten Daten und ignorierten Messwerten beruht.
Fakt ist, seit Ende der letzten Eiszeit haben die weltweiten Gletscher einschließlich der Polkappen große Mengen Eis verloren. Dieses Wasser, das zuvor an den Polen gebunden war, fließt nun durch die Weltmeere und wird durch die Fliehkraft Richtung Äquator gedrückt. Gleichzeitig dehnt sich warmes Wasser aus und lässt den Meeresspiegel steigen. Beides wiederum ist vergleichbar mit der Eiskunstläuferin, die ihre Arme ausstreckt. Zumindest in der Theorie sollte eine sich erwärmende Erde demzufolge immer langsamer rotieren.
In Anbetracht steigender Emissionen sei außerdem damit zu rechnen, dass die Verlagerung der Wassermassen von den Polen hin zum Äquator auf absehbare Zeit einen größeren Einfluss auf die Erde habe als die Reibung der Gezeiten, so die Forscher.
Dass die Sonnentage seit 50 Jahren um durchschnittlich vier Millisekunden pro Tag kürzer geworden sind, steht dazu in fundamentalem Widerspruch. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder unterliegt die Erde anderen, bislang unbekannten Einflüssen oder die bislang bekannte Physik ist falsch. In beiden Fällen ist anzunehmen, dass sich die Auswirkungen nicht allein auf die Rotation unseres Planeten auswirken.
Mit anderen Worten: Je wärmer die Erde wird, desto flacher und größer wird sie, umso langsamer müsste sie sich drehen und umso länger würden die Tage. Dass das Gegenteil passiert, beweist, dass es weitere Faktoren gibt, die die Rotation der Erde beeinflussen.
Negative Schaltsekunden: „Intensiv diskutiert“ und nicht ungefährlich
In Deutschland wird die Zeit von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig bestimmt: Nach den von ihr ausgesendeten Zeitsignalen stellen sich Millionen Funkuhren. Als deutscher Zeitgeber ist die PTB damit für die Verbreitung von Schaltsekunden verantwortlich, auch von negativen Schaltsekunden.
Dr. Ekkehard Peik, leitender Physiker am Fachbereich Zeit und Frequenz, bestätigte gegenüber Epoch Times, dass das Thema „in den für Zeitskalen zuständigen internationalen Gremien derzeit intensiv diskutiert“ wird. Weiter erklärte er:
Wenn der derzeitige Trend einer Beschleunigung der Erdrotation über mehrere Jahre anhält, könnte bei Anwendung der derzeitigen Regeln für die internationale Zeitskala UTC eine negative Schaltsekunde notwendig werden.“
An einem vorher festgelegten Datum würde es dann „eine Minute mit nur 59 Sekunden geben. Ein solches Verfahren wurde bisher nie durchgeführt. Alle [bisherigen] Schaltsekunden waren positiv.“ Das berge ein gewisses Risiko: „Da das Verfahren einer negativen Schaltsekunde nie notwendig war und nie erprobt wurde, sind vermutlich viele Systeme darauf nicht eingerichtet. Es sind daher negative Auswirkungen insbesondere in Computernetzwerken zu befürchten: Die Abfolge von Ereignissen könnte fehlerhaft dokumentiert werden, neue Daten durch ältere überschrieben werden und so weiter.“
Welchen Einfluss hat der Mensch?
Obwohl sich die PTB mit der Zeit beschäftigt, könne Peik die anhaltende Beschleunigung der Erdrotation weder einordnen noch erklären. Das Arbeitsgebiet von ihm und seinen Kollegen sind Atomuhren. Sie beschäftigen sich also mit der irdischen Zeit. Bezogen auf die physikalischen Grundsätze sagte er:
Im Mittel über einige Wochen sieht man, dass die Erde jetzt etwas schneller rotiert als in den vergangenen 30 Jahren. Das ist ungewöhnlich, da über lange Zeiträume die Erdrotation durch die mit den Gezeiten verbundenen Reibungskräfte abgebremst wurde.“
Und weiter:
Was ich als Physiker sagen kann: Wegen der Drehimpulserhaltung ändert sich die Rotationsgeschwindigkeit, wenn sich die Massenverteilung relativ zur Erdachse ändert. […] Wichtiger als Effekte an der Erdoberfläche sind dafür aber wohl Massenverlagerungen im flüssigen Erdinneren, die wir nicht direkt beobachten können.“
Insofern habe die Menschheit „in Bezug auf die Unregelmäßigkeiten in der Erdrotation keinen Einfluss“. Die durch menschliche Aktivitäten hervorgerufenen Massenverlagerungen, einschließlich Biomasse und Umverteilung von Wasser und Eis, seien nur ein kleiner Beitrag im Vergleich zu den Vorgängen im Erdinneren und den Gezeitenkräften durch den Mond. Peik widerspricht damit den ETH-Forschern. Diese kommen in einer jüngeren Studie jedoch ebenfalls zu diesem Ergebnis und bestätigen die unabhängig von den Studien getroffene Aussage des deutschen Physikers.
Was die Menschheit tatsächlich beeinflussen kann, ist die Zeit selbst: „Das Einfügen von Schaltsekunden in die mit Atomuhren realisierte Zeitskala ist eine von Menschen erdachte Konvention, und könnte durch internationale Übereinkunft abgeschafft werden. Eine Lösung des Problems in dieser Richtung wird von uns an der PTB favorisiert“, so Peik abschließend. Zeit ist und bleibt relativ, und Pausen sind grundsätzlich zu kurz.
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