Astronomische Uhr zeigt seit 600 Jahren Sonne, Mond und Sterne
Ein über sechs Jahrhunderte altes mechanisches Wunderwerk ist an der Südwand des Prager Rathauses angebracht. Eingebettet in eine kunstvolle gotische Dekoration, ist diese astronomische Uhr weltweit die älteste funktionierende Uhr ihrer Art.
Neben der einfachen Zeitanzeige birgt dieser Zeitmesser der Kuriositäten sowohl Geschichte als auch Legenden in seinem Uhrwerk, seinen Zifferblättern, Zeigern, Gesichtern und Statuen. Zu ihren Seiten stehen Statuen des Erzengels Michael, eines Archivars, eines Philosophen und eines Astronomen.
Eine Uhr, vier Zeiten
Der Mensch strebt seit Langem danach, das Universum mechanistisch zu modellieren und seine Messungen durch verschiedene Geräte zu offenbaren. Dieses Bestreben zeigt sich auch im sogenannten Astrolabium. Dabei handelt es sich um ein im 9. Jahrhundert nach Christus entstandenen handlichen Modell des Universums.
Die Prager Uhr stammt hingegen aus dem frühen 15. Jahrhundert. Diese Uhr ist insofern einzigartig, als sie nicht wie üblich zwölf, sondern 24 Stunden des Tages anzeigt. Darüber hinaus weist sie gleich vier verschiedene Traditionen der Zeitmessung auf.
Das äußere Zifferblatt mit goldenen Ziffern auf schwarzem Grund zeigt die altböhmische Zeit an, die von den Europäern im Mittelalter verwendet wurde. Eine goldene Hand weist als Zeiger die richtige Zeit.
Auf einer großen inneren Fläche sind goldene römische Ziffern zu sehen, die die deutsche Zeit anzeigen. Sie löste 1547 die altböhmische Zeit ab und entspricht der heutigen mitteleuropäischen Zeit.
In ihrem Inneren ist in kleineren schwarzen arabischen Zahlzeichen die altbabylonische Zeit zu sehen, die einst die Sonne in verschiedenen Tagesabschnitten anzeigte. Sowohl Tag als auch Nacht dauerten zwölf Zeiteinheiten – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
Die astronomische Uhr zeigt auch die Sternenzeit an und zwei astronomische Zeiger vervollständigen die Mechanik. Ein goldener Sonnenzeiger bildet ab, wo sich die Sonne im Verhältnis zur Erde befindet, sowohl am Tag als auch in der Nacht. Über den Ziffernblättern bewegen sich die zwölf Sternzeichen und zeigen, in welchem Sternbild die Sonne steht. Der Mondzeiger aus einer sich drehenden – halb silbernen, halb schwarzen – Mondkugel zeigt die Mondposition und -phase.
Geschichte und Legenden
1410 erbaute Mikuláš von Kadaň mithilfe von Jan Šindel, einem Professor für Mathematik an der ältesten Universität Mitteleuropas – der Prager Karls-Universität – diese astronomische Uhr. Ihre Entstehung wurde jedoch fälschlicherweise dem Uhrmacher Jan Růže zugeschrieben, der 1490 unter dem Namen „Hanuš“ bekannt wurde.
Eine Legende besagt, dass er sich weigerte, zu verraten, wie er sie gebaut hatte, und Pläne schmiedete, eine noch größere Uhr für einen anderen zu schaffen. Der Prager Magistrat ließ ihn daraufhin erblinden, damit er sein Werk nicht wiederholen konnte. Als Vergeltung soll sein Assistent die astronomische Uhr sabotiert haben, indem er angeblich seine Hand in die Zahnräder steckte, sodass sie hundert Jahre lang nicht funktionierte. Bis heute gibt es ein Dutzend ähnlicher Uhren – unter anderem in Ulm, Bern und Stralsund – mit ähnlichen Legenden.
In der Tat stand die Prager Uhr bis 1552, bis Jan Táborský sie reparierte. Táborský war es auch, der Hanuš als den Erbauer der Uhr erwähnte. Der Fehler in den Aufzeichnungen ist schließlich korrigiert, die Legende vermutlich frei erfunden.
Eine andere Legende beschäftigt sich mit 27 Adligen beziehungsweise ihren Geistern, die jedes Jahr am Tag ihrer Hinrichtung die Uhr betrachten. Zeigt sie die richtige Zeit, erwartet Prag ein gutes Jahr, geht die Uhr falsch oder steht, müssen die Geister – mit entsprechenden Folgen – ein Jahr durch Prags Straßen wandern.
Doch die Uhr war auch ein Zeichen der Hoffnung, zumindest für einen inhaftierten Raubritter. Er soll nach seinem Urteilsspruch in einer Gefängniszelle im Turm untergebracht gewesen sein und konnte die Uhr beobachten. Einmal „verschlangen“ die beweglichen Figuren der Uhr einen Vogel. Als dieser zur nächsten vollen Stunde wieder davonfliegen konnte, fasste der Ritter Hoffnung. Es heißt, er wurde später begnadigt.
Fast verschrottet, unendlich oft repariert
Im Laufe der Zeit wurde die Uhr mehrfach erweitert: Die gotische Verzierung, die sie schmückt, kam im 15. Jahrhundert hinzu. Ein großes rundes Kalenderzifferblatt mit Allegorien zu jedem Monat, zusammen mit einem Sternenkreis und dem Stadtwappen, wurde 1490 unter dem Original hinzugefügt und später im 19. Jahrhundert umdekoriert.
Bei Arbeiten im 17. Jahrhundert und im Jahr 1865 erhielt die Uhr bewegliche Figuren und eine Prozession der zwölf Apostel. Jedes Mal, wenn die Uhr die Stunde schlägt, erscheint die bewegte Prozession durch zwei automatisierte Fenster oberhalb des Hauptfensters – hier soll der Raubritter eingesessen haben.
Trotz ihrer reichen Geschichte(n) wurde die astronomische Uhr und die dazugehörigen Statuen in den 1780er-Jahren wegen der hohen Unterhaltskosten fast verschrottet, nachdem sie bereits ein Dutzend Mal repariert und erweitert wurde. Schließlich konnte sie gerettet und wieder einmal repariert werden.
Während des Zweiten Weltkriegs 1945 beschädigte ein Brand die Uhr. Mit großem Aufwand konnte die Anlage 1948 schließlich wieder funktionsfähig gemacht werden. Zuletzt wurde sie 2018 wieder auf Vordermann gebracht und zeigt seither weiter die Positionen von Sonne, Mond und Sternen. Präzise wie ein Uhrwerk.
(Mit Material von The Epoch Times)
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